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Bausteine

Über Theorie und Praxis des epischen Theaters

Bertolt Brecht: Dramen- und Theatertheorie

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Bertolt Brecht [ Dramen- und Theatertheorie Bausteine ] ... Schreibformen
Rhetorik Filmanalyse  Operatoren im Fach Deutsch
 

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Die folgenden 11 Zitate aus verschiedenen dramentheoretischen Schriften Bertolt Brechts über die Theorie und Praxis des epischen Theaters gehören zu den für seine Dramen- und Theatertheorie wirkungsvollsten Aussagen.

Text 1:
"Das Wesentliche am epischen Theater ist vielleicht, dass es nicht so sehr an das Gefühl, sondern mehr an die Ratio des Zuschauers appelliert. Nicht miterleben soll der Zuschauer, sondern sich auseinandersetzen."[1]

Text 2:
Im Gegensatz zum traditionellen Theater soll der Zuschauer  im epischen Theater Brechts
"nicht mehr aus seiner Welt in die Welt der Kunst entführt, nicht mehr gekidnappt werden; im Gegenteil sollte er in seine reale Welt eingeführt werden, mit wachen Sinnen."[2]

Text 3:
"Der Zuschauer des dramatischen Theaters sagt: Ja, das habe ich auch schon gefühlt. ‑ So bin ich. ‑ Das ist nur natürlich. ‑ Das wird immer so sein. ‑ Das Leid dieses Menschen erschüttert mich, weil es keinen Ausweg für ihn gibt. ‑ Das ist große Kunst: das ist alles selbstverständlich. ‑ Ich weine mit den Weinenden, ich lache mit den Lachenden.
Der Zuschauer des epischen Theaters sagt: Das hätte ich nicht gedacht. ‑ So darf man es nicht machen. ‑ Das ist höchst auffällig, fast nicht zu glauben. ‑ Das muss aufhören. ‑ Das Leid dieses Menschen erschüttert mich, weil es doch einen Ausweg für ihn gäbe. ‑ Das ist große Kunst: da ist nichts selbstverständlich. ‑ Ich lache über den Weinenden, ich weine über die Lachenden."[3]

Text 4:
"Die Einfühlung ist das große Kunstmittel einer Epoche, in der der Mensch die Variable, seine Umwelt die Konstante ist."[4]

Text 5:
"Den Bereich der Haltungen, welche die Figuren zueinander einnehmen, nennen wir den gestischen Bereich. Körperhaltung, Tonfall und Gesichtsausdruck sind von einem gesellschaftlichen Gestus bestimmt; die Figuren beschimpfen komplimentieren, belehren einander usw. Zu den Haltungen, eingenommen von Menschen zu Menschen, gehören selbst die anscheinend ganz privaten, wie die Äußerungen des körperlichen Schmerzes in der Krankheit oder die religiösen. Diese gestischen Äußerungen sind meist recht kompliziert und widerspruchs­voll, so dass sie sich mit einem einzigen Wort nicht mehr wiedergeben lassen…"[5]

Text 6:
"Wir sprechen ferner von einem Gestus. Darunter verstehen wir einen ganzen Komplex einzelner Gesten der verschiedensten Art zusammen mit Äußerungen, welcher einem absonderen Vorgang unter Menschen zugrunde liegt und die Gesamthaltung aller an diesem Vorgang Beteiligten betrifft (Verurteilung eines Menschen durch einen anderen Menschen, eine Beratung, einen Kampf und so weiter) oder einen Komplex von Gesten und Äußerungen, welcher, bei einem einzelnen Menschen auftretend, gewisse Vorgänge auslöst… Ein Gestus bezeichnet die Beziehungen von Menschen zueinander."[6]

Text 7:
"Gestisch ist eine Sprache, wenn sie auf dem Gestus beruht, bestimmte Haltungen des Menschen anzeigt, die dieser anderen Menschen gegenüber einnimmt […].
Nicht jeder Gestus ist ein gesellschaftlicher Gestus. Die Abwehrhaltung gegen eine Fliege ist zunächst kein gesellschaftlicher Gestus, die Abwehrhaltung gegen einen Hund kann einer sein, wenn zum Beispiel durch ihn der Kampf, den ein schlecht gekleideter Mensch zu führen hat, zum Ausdruck kommt. […]
Der gesellschaftliche Gestus ist der für die Gesellschaft relevante Gestus, der Gestus, der auf die gesellschaftlichen Zustände Schlüsse zulässt."[7]

Text 8:
"Es ist der Zweck des V-Effekts, den allen Vorgängen unterliegenden gesellschaftlichen Gestus zu verfremden. Mit sozialem Gestus ist der mimische und gestische Ausdruck der gesellschaftlichen Beziehungen gemeint, in denen die Menschen einer bestimmten Epoche zueinander stehen."[8]

Text 9:
"Was ist Verfremdung?
Einen Vorgang oder einen Charakter verfremden heißt zunächst einfach, dem Vorgang oder dem Charakter das Selbstverständliche, Bekannte, Einleuchtende zu nehmen und über ihn Staunen und Bewunderung zu erzeugen."[9]

Text10:
"Vorgänge und Personen des Alltags, der unmittelbaren Umgebung haben für uns etwas Natürliches, weil Gewohntes. Ihre Verfremdung dient dazu, sie uns auffällig zu machen."[10]

Text 11:
"Eine verfremdete Abbildung ist eine solche, die den Gegenstand zwar erkennen, ihn aber zugleich als fremd erscheinen lässt."[11]

[1]Brecht, Betrachtung über die Schwierigkeit des epischen Theaters, in, ders., Schriften zum Theater, Bd.1, S.184f.
2]Brecht, Betrachtung über die Schwierigkeit des epischen Theaters, in, ders., Schriften zum Theater, Bd.1, S.100
[3]Brecht, Über eine nichtaristotelische Dramatik, in: ders., Schriften zum Theater 3, Frankfurt/M. 1963,
4]Brecht, Über eine nichtaristotelische Dramatik, in: ders., Schriften zum Theater 3, Frankfurt/M. 1963, S.99
[5]Brecht, Kleines Organon für das Theater, 61
6]Gestik, in: Brecht, Über den Beruf des Schauspielers, Frankfurt/M. 1970, S.92
7]Brecht, Kleines Organon für das Theater, 61
8]Brecht, Neue Technik der Schauspielkunst, in: Schriften zum Theater 3, S.163
9]Brecht, Neue Technik der Schauspielkunst, in: Schriften zum Theater 3, S.101
[10]Brecht, Neue Technik der Schauspielkunst, in: Schriften zum Theater 3, S.163
[11]Brecht, Kleines Organon für das Theater, 42
  

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 16.01.2024

 
   Arbeitsanregungen:
  1. Was versteht Brecht unter Verfremdung?

  2. Welche Funktion hat sie?

  3. Was versteht Brecht unter Gestus?

  4. Was ist ein gesellschaftlicher Gestus?

  5. Inwiefern ist Brechts episches Theater gestisches Theater? Berücksichtigen Sie dabei die Bedeutung von Gestik, Gestus und gesellschaftlichem Gestus bei Brecht?
     

 
 
 

 
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