Ja, ja. ja! Es spricht mir aus der Seele, wenn jetzt endlich
gefordert wird, dass der Staat gegen Unfallgaffer härter durchgreifen
will. Was bisher möglich ist, kann doch niemanden abschrecken, seine
Schaulust zu befriedigen.
Das fängt schon damit an, dass es viel zu geringe Bußgelder verhängt
werden, wenn jemand die geforderte Rettungsgasse nicht freihält (gerade
mal 20 €) oder die Rettungsmaßnahmen an einem Unfallort behindert (40
€).
Auch wenn es nicht immer in solchen Fällen um Leben und Tod gehen mag,
sollten gerade solche Verhaltensweisen stärker sanktioniert werden, weil
von ihnen unter Umständen eine gewisse erzieherische Funktion ausgeht,
wenn es dann zu einem wirklichen schweren Unfall kommt, und das
Überleben der Verunglückten auf Messers Schneide steht. Zwanzig oder
vierzig Euro sind für die meisten eben nur "Peanuts", wenn man für einen
Kinobesuch mit Maxi-Popcorn-Menü schon mal das Gleiche oder sogar mehr
an der Kasse liegen lässt. Mindestens verdoppelt sollten also diese
Bußgelder werden. Und warum eigentlich nicht gleich einen Punkt in der
Flensburger "Verkehrssünder-Kartei"?
Es geht eben nicht immer um die Fälle, bei denen Schaulustige bei
schweren Unfällen oder Katastrophen einfach den Anordnungen der Polizei
nicht folgen. Über diesen Straftätern schwebt ja immerhin die Drohung
von Bußgeldern bis zu einer Höhe von 5000 €, kein Pappenstiel mehr, wenn
man nicht gerade in einem Maserati sitzt. Und wer gar lieber das
Smartphone zückt und das Geschehen filmt, statt Erste Hilfe zu leisten,
der muss nicht nur mit empfindlichen Geldbußen rechnen, sondern
vielleicht auch für Monate hinter Gitter. Gut so!
Aber bei dem ganzen Ruf nach härterem Durchgreifen, darf man eben
auch die Realität an einem Ort, wo es gekracht hat, nicht vergessen. Wer
einmal unweit eines schweren Unfalls auf einer deutschen Autobahn zu
stehen gekommen ist, weiß aus eigener Anschauung, was da von den
Rettungskräften und der Polizei alles zu tun ist. Die Unfallstelle muss
gesichert werden, die Verletzten versorgt, brennende Fahrzeuge gelöscht,
Unfalltote geborgen und letzten Ende soll die Unfallstelle auch so
schnell wie möglich wieder geräumt werden, damit der Stau dahinter nicht
von Hamburg bis München reicht. Wer um alles in der Welt, soll sich dann
noch darum kümmern, den Gaffern mit einem Strafzettel zu Leibe zu
rücken! So kann es schon schein, dass gar nicht so viele Bußgelder
verhängt werden, aber gerade deshalb sollten sie im Falle eines Falles
so hoch sein, dass sie den Betroffenen auch wehtun und andere vielleicht
abschrecken!
Kein Pardon aber für diejenigen, die auf der Gegenfahrbahn gegenüber
der Unfallstelle einfach stehen bleiben, um als Gaffer mit Logenplatz
die Szenerie beobachten zu können. Nicht nur, dass sie oft selbst
Auffahrunfälle auf der Gegenseite verursachen, dafür müssen sie in jedem
Fall zur Rechenschaft gezogen werden! Nein, es ist die "Moral", die
hinter dieser Schaulust steckt, die mir Sorge bereitet. Wie bei "Ups -
der Pannenshow" im Fernsehen, werden die Handys und Smartphones gezückt,
um den Schauer, der einen vielleicht im Angesicht der Autotrümmer, der
Sichtblenden um die Toten und Verletzten, des ohrenbetäubenden Lärms von
Rettungshubschraubern ergreift, für die Ewigkeit, d. h. nicht selten für
YouTube zu konservieren. Um so etwas den Riegel vorschieben zu können,
bedarf es aber auch mehr als ein härteres Durchgreifen des Staates.
Diesen Gaffer-Paparazzis muss die Gesellschaft als Ganzes das Handwerk
legen, jeder einzelne von uns ist gefragt, die nicht nur in diesen
Fällen überbordende Lust am Miterleben des Leids anderer zu ächten. Wir
müssen alle dazwischentreten, wenn besonders aggressive Exemplare von
Gaffern, Notärzte. Rettungskräfte oder Polizeibeamte anpöbeln oder sogar
körperlich angreifen, wenn sie vor Ort ihren Dienst machen.
Auch wenn das Gefühl, es könnte alles auch einem selbst passiert sein,
im Gaffen dem einen oder anderen Erleichterung verschaffen mag: Gaffen
ist und bleibt Sensationslust, purer Voyerismus und fördert die
Abstumpfung gegen alles per se Schreckliche der Welt. So eine Welt will
ich nicht. Und deshalb noch einmal:
Ja, ja. ja! Es spricht mir aus der Seele, wenn jetzt endlich gefordert
wird, dass der Staat gegen Unfallgaffer härter durchgreifen will.
Allerdings an die Adresse der Politiker gerichtet: Den Worten müssen
auch endlich Taten folgen! (663 Wörter)