Friedrich
Dürrenmatts ▪
"Der Besuch der alten Dame" gehört zu den
Stücken, die immer wieder auf den Theaterbühnen der Welt inszeniert werden. An den »Wuppertaler
Bühnen wurde das Drama 2013 von Sybille Fabian inszeniert. Was die für
ihre Bildsprache bekannte Regisseurin zusammen mit Herbert Neubecker (Bühne)
auf die Bühne brachte, war indessen nicht nach jedermanns Geschmack. So wird
berichtet, dass die sehr modern gehaltene Inszenierung, die den "Konflikt
zwischen Geld und Moral, Schuld und Vergebung, Heuchelei und Aufrichtigkeit
[...] absichtlich sehr überzogen" darstellt, "einige der Abo-Besucher"
veranlasst habe, frühzeitig das Weite zu suchen, "weil sie nichts damit
anfangen konnten." (»Blog:
Gundi denkt, 15.6.2013)
»Trailer
zur Aufführung des Dramas an den Wuppertaler Bühnen
1.
In seinem »Blog
hat Bernd Geisler die Aufführung der Wuppertaler Bühnen mit den Worten
kommentiert, in der Inszenierung von Sybille Fabian habe sich sich absurde
Lächerlichkeit und zutiefst bewegende Tragik ein Stelldichein gegeben. Dies
sei, so führt er fort, ganz im Sinne einer tragischen Komödie, die Lachen
und Weinen ebenso vereine, wie sie Tod und Trubel nebeneinander auf eine
Stufe stelle. Die Inszenierung zeige das Drama als multimediales Geschehen.
"Im Raume expressiver Bühnenbilder gesellten sich zu wummernden, verzerrten
Elektro-Tönen menschliches Schreien, zuckende, roboterhaft agierende Körper
in extremer Kleidung, aufgerissene, lautlose Münder und überzeichnete
Figuren." So erweise sich dieses Theaterstück in der Inszenierung Sybille
Fabians als "ein Theaterstück nicht nur der Worte. Und auch nicht nur der
Handlung." Denn auch das Bühnenbild habe einen großen Anteil daran, dass
"eine kompakte,
expressionistische Darstellung mit allen Höhen von Klarheit und
Verständnis und allen Tiefen von Wirrwarr und Clownerie die Zuhörer"
überfallen habe. Die Figurenkonzeption der Inszenierung habe dementsprechend
auch keine Charaktere auf die Bühne gebracht, sondern "flache, wie aus einer
Sperrholzplatte ausgesägte Gestalten. Sie stellten beabsichtigt nur
menschliche Typen dar: den Lehrer, den Pfarrer, den Bürgermeister, den
Polizisten. So, wie in uns allen Grundformen von Verhaltensweisen stecken."
2.
Die Redaktion der Webseite »KulturKenner
Nordrhein-Westfalen hebt insbesondere das "wuchtige Bühnenbild" der
Inszenierung hervor, "eine Reihe sich nach hinten perspektivisch verengender
steinerner Portale, an deren Ende sich ein Erdhaufen erhebt", der
"alles in eine Grabkammer" verwandle, aus der es für keinen der Akteure ein
Entkommen gebe, denn ein "jeder ist in diesem Mausoleum geplatzter Träume
und zerstörter Hoffnungen gefangen." verraten hat, unmöglich. Damit
freilich, so heißt es weiter, "treibt man Dürrenmatts 'tragischer Komödie'
das Tragische wie auch das Komödiantische aus. Was bleibt, ist ein gut zwei
Stunden währender Höllensturz, eine eisigkalte Menschheitsdämmerung, die
ohnehin in Dürrenmatts Stück schlummerte. Die von Armut und Verzweiflung
gezeichneten Bürger könnten aus den Gemälden des »Hieronymus
Bosch herabgestiegen sein." In dieses Bild passen nach Ansicht der
Redaktion auch die Choreografien, die Musik, Kostüme und Maske der Akteure
auf der Bühne, von denen es heißt: "In Choreografien, die von einer dumpf
metallenen, Töne wie Menschen zermalenden Musik begleitet werden, verwandeln
sich die Darsteller in Schmerzenskreaturen und gierige Meuchelmenschen. Und
Claire ist mit ihrem weißgeschminkten Gesicht, den lodernd roten Haaren und
ihren von Hass und Ekel, Macht und Bosheit verzerrten Zügen ein Monstrum.
Doch unter dem Entsetzen schlägt das Herz einer enttäuschen Liebenden, der
nur der Wille zu vernichten geblieben ist. Ihren untreuen Liebhaber töten zu
lassen, reicht ihr nicht. Sie will die ganze Welt vernichten."
3.
Die Regisseurin Sybille Fabian lässt nach Ansicht von Gisela Schmöckel
(Bergische Blätter, Mai 2013) mit ihrem "Choreographietheater" Dürrenmatts
Stück "in ganz neuer Weise entstehen". Dabei sieht sie in der
»expressionistischen Bildsprache der Inszenierung die überzeugende Leistung
der Inszenierung. So fühlt sie sich bei manchen Figuren an die
expressionistische Bildsprache erinnert, wenn sie meint, der
Gerichtsvollzieher habe einen "kugelrunden Bauch und verkümmerten Rücken wie
die Figuren von »George
Grosz" (1893-1959), der Pfarrer seinen Mund öffne wie zum Schrei von »Edward
Munch (1863-1944), die Güllener Bürger sich winden würden und verzerrten
wie die Figuren »Max
Beckmanns (1884-1950).
Friedrich Dürrenmatt selbst habe sich intensiv mit den Formen des »Expressionismus
auseinandergesetzt und die Regisseurin Sybille Fabian habe die Figuren "in
die Sprache des Expressionismus" übersetzt. "Die Güllener sind pleite,
'ausgezogen' bis zum letzten Hemd. Sie halten die erbarmungslos
'heruntergelassenen Hosen' an langen Hosenträgern; bei manchen schlottern
sie schon um die Knöchel."
Die Figuren des Stücks "hampeln" Im Bühnenbild im kalten Neonlicht, betont
sie, "wie aufgezogene Puppen, kaum noch menschlich, marionettenhaft,
grotesk verzerrt. Sie bilden ein grausames Panoptikum der menschlichen
Verderbnis, der verkrümmten Seele, des verdrängten Gewissens. Die
Gleichnishaftigkeit des Konflikts zwischen Schuld, Gerechtigkeit, Rache und
Menschlichkeit wird offenbar. [...] Die expressive Reduktion ist das starke
Mittel der Inszenierung"