Universitätsgesetz - Karlsbader Beschlüsse (20.09.1819)
»Provisorischer Bundesbeschluss über die in Ansehung der Universitäten
zu ergreifenden Maßregeln«
§. 1. Es soll bei jeder Universität ein
mit zweckmäßigen Instruktionen und ausgedehnten Befugnissen versehener, am
Orte der Universität residierender, außerordentlicher landesherrlicher
Bevollmächtigter, entweder in der Person des bisherigen Kurators oder
eines andern, von der Regierung dazu tüchtig befundenen Mannes angestellt
werden.
Das Amt dieses Bevollmächtigten soll sein, über die strengste Vollziehung
der bestehenden Gesetze und Disziplinar-Vorschriften zu wachen, den Geist,
in welchem die akademischen Lehrer bei ihren öffentlichen und
Privatvorträgen verfahren, sorgfältig zu beobachten, und demselben, jedoch
ohne unmittelbare Einmischung in das Wissenschaftliche und die
Lehrmethoden eine heilsame, auf die künftige Bestimmung der studierenden
Jugend berechnete Richtung zu geben, endlich Allem, was zur Beförderung
der Sittlichkeit, der guten Ordnung und des äußern Anstandes unter den
Studierenden dienen kann, seine unausgesetzte Aufmerksamkeit zu widmen.
Das Verhältnis dieser außerordentlichen Bevollmächtigten zu den
akademischen Senaten soll, so wie alles, was auf die nähere Bestimmung
ihres Wirkungskreises und ihrer Geschäftsführung Bezug hat, in den ihnen
von ihrer obersten Staatsbehörde zu erteilenden Instruktionen, mit
Rücksicht auf die Umstände, durch welche die Ernennung dieser
Bevollmächtigten veranlasst worden ist, so genau als möglich festgesetzt
werden.
§. 2. Die Bundesregierungen verpflichten sich gegeneinander,
Universitäts- und andere öffentliche Lehrer, die durch erweisliche
Abweichung von ihrer Pflicht oder Überschreitung der Grenzen ihres
Berufes, durch Missbrauch ihres rechtmäßigen Einflusses auf die Gemüter
der Jugend, durch Verbreitung verderblicher, der öffentlichen Ordnung und
Ruhe feindseliger oder die Grundlagen der bestehenden Staatseinrichtungen
untergrabender Lehren, ihre Unfähigkeit zu Verwaltung des ihnen
anvertrauten wichtigen Amtes unverkennbar an den Tag gelegt haben, von den
Universitäten und sonstigen Lehranstalten zu entfernen, ohne dass ihnen
hierbei, so lange der gegenwärtige Beschluss in Wirksamkeit bleibt, und bis
über diesen Punkt definitive Anordnungen ausgesprochen sein werden, irgend
ein Hindernis im Wege stehen könne. Jedoch soll eine Maßregel dieser Art
nie anders, als auf den vollständig motivierten Antrag des der Universität
vorgesetzten Regierungs-Bevollmächtigten oder von demselben vorher
eingeforderten Bericht beschlossen werden.
Ein auf solche Weise ausgeschlossener Lehrer darf in keinem andern
Bundesstaate bei irgend einem öffentlichen Lehr-Institute wieder
angestellt werden.
§. 3. Die seit langer Zeit bestehenden Gesetze gegen geheime oder nicht
autorisierte Verbindungen auf den Universitäten sollen in ihrer ganzen
Kraft und Strenge aufrechterhalten, und insbesondere auf den seit einigen
Jahren gestifteten, unter dem Namen der allgemeinen Burschenschaft
bekannten Verein um so bestimmter ausgedehnt werden, als diesem Verein die
schlechterdings unzulässige Voraussetzung einer fortdauernden Gemeinschaft
und Korrespondenz zwischen den verschiedenen Universitäten zum Grunde
liegt. Den Regierungs-Bevollmächtigten soll in Ansehung dieses Punktes
eine vorzügliche Wachsamkeit zur Pflicht gemacht werden.
Die Regierungen vereinigen sich darüber, dass Individuen, die nach
Bekanntmachung des gegenwärtigen Beschlusses erweislich in geheimen oder
nicht autorisierten Verbindungen geblieben oder in solche getreten sind,
bei keinem öffentlichen Amte zugelassen werden sollen.
§. 4. Kein Studierender, der durch einen von dem
Regierungs-Bevollmächtigten bestätigten oder auf dessen Antrag erfolgten
Beschluss eines akademischen Senats von einer Universität verwiesen worden
ist, oder der, um einem solchen Beschlusse zu entgehen, sich von der
Universität entfernt hat, soll auf einer andern Universität zugelassen,
auch überhaupt kein Studierender ohne ein befriedigendes Zeugnis seines
Wohlverhaltens auf der von ihm verlassenen Universität von irgend einer
andern Universität aufgenommen werden.
(aus:
Protokolle der Bundesversammlung, 1819, 35. Sitzung, § 220., -
an moderne Rechtschreibung angepasst)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
12.10.2023