In seinen Briefen und Tagebüchern berichtet der Dichter
»Franz Grillparzer (1791-1872)
von einer polizeilichen Durchsuchung seiner Wiener Wohnung im Jahre 1826:
"Am 19. April morgens um 6 Uhr, da ich, spät zu Bette gegangen, noch im
Schlafe lag, von drei Polizeibeamten überfallen worden, die mich aufstehen
und alle meine Schriften zur Einsicht vorlegen hießen. Alles ward
durchsucht, ein weitläufiges
Verhör
aufgenommen. Anfangs glaubte ich, den Verdacht eines wichtigen
Staatsverbrechens auf mich geladen zu haben; endlich zeigte es sich, dass
die ganze Untersuchung sich auf die so genannte Ludlamshöhle bezog, eine
Versammlung froher Menschen, in der ich erst seit acht Wochen her einige
Abende zugebracht hatte. Zum Scherze gewählte Abzeichen und
Gesellschaftsnamen, einige Verhaltungsregeln, die man niedergeschrieben
und mit Geldstrafen belegt, hatten die Aufmerksamkeit auf sich gezogen,
und die Gesellschaft ward als eine verbotene geheime aufgehoben. 32
Kommissäre, um Mitternacht aufgeboten, erbrachen den Versammlungsort im
zweiten Stocke eines Wirtshauses und verteilten sich sodann in die
Wohnungen der vornehmsten Mitglieder, d. h. derjenigen, die als
Schriftsteller bekannt waren. Untersuchung, Verhör, Hausarrest bis abends.
Gerade weil sie nichts Verdächtiges gefunden, werden sie genötigt sein, um
ihre Dummheit zu bemänteln, etwas herauszusuchen. Wie ich höre, will man
die Untersuchung als gegen eine schwere Polizeiübertretung anhängig
machen. Wer mir die Vernachlässigung meines Talentes zum Vorwurf macht,
der sollte vorher bedenken, wie in dem ewigen Kampfe mit Dummheit und
Schlechtigkeit endlich der Geist ermattet. Wie, um nicht immerfort
verletzt zu werden, endlich kein Mittel mehr übrig bleibt, als sich
unempfindlich zu machen, wie kein Aufschwung möglich ist, wenn man bei
jeder Flügelbewegung an den
*Plafond der Zensur stößt,
und Arbeit aufhört, ein Vergnügen zu sein, wenn Hervorgebrachte die Quelle
tausendfältiger Unannehmlichkeiten wird."
(aus: F. Grillparzer, Briefe und Tagebücher, in: ders., Sämtliche Werke,
2. Abt., Bd. 8. 2. Teil, Wien 1912, S.203f.)
*Plafond: österr. Ausdruck für (flache) Decke eines
Raumes
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
12.10.2023