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Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats
Deutscher Sinti und Roma:
„Die Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen stellt sich für jede
Generation als Aufgabe und Herausforderung neu. Mein Eindruck ist, dass
diese Geschichte von den jungen Menschen nicht als Last empfunden wird,
sondern vielmehr als Maßstab für unsere gemeinsame Verantwortung in der
Gegenwart.“ (aus: Stern 5(2005), S.45)
Daniel Jonah Goldhagen, Historiker
und Verfasser von: „Hitlers willige Vollstrecker“
„Deutsche, die während der Nazi-Jahre nicht an der Verfolgung der Juden
oder an anderen Gräueltaten teilnahmen, sollten sich nicht schuldig
fühlen, weil sie nicht schuldig sind. Das schließt selbstverständlich alle
ein, die nach dem Krieg geboren wurden. Schuld ist niemals kollektiv. Aber
als Mitglieder einer politischen Gemeinschaft, die moralische und
juristische Verpflichtungen eingeht, sollten Deutsche, die immer noch
bestehende Verantwortung ihres Landes anerkennen und den Schaden
reparieren, den eine frühere (populäre) Regierung und so viele ihrer
Landsleute gegen Juden und andere angerichtet haben. Unter anderem
bedeutet dies, im eigenen Land unermüdlich gegen Antisemitismus (der in
Deutschland wieder aufflammt) zu kämpfen und im Ausland eine sichere
nationale Gemeinschaft der Juden zu unterstützen.“ (aus: Stern 5(2005),
S.45)
Gerhard Schröder,
Bundeskanzler:
"Die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus ist eine
bleibende Verpflichtung. Denn nur wer sich erinnert, auch wenn er keine
Schuld auf sich geladen hat, kann verantwortungsbewusst mit der Geschichte
umgehen. Auch wenn Erinnerung anstrengend ist, wir dürfen der Versuchung
zum Vergesse oder zum Verdrängen nicht nachgeben, Vergangenheit können wir
weder ungeschehen machen noch „bewältigen“. Aber aus der Geschichte lernen
können wir: Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen nie
wieder eine Chance haben in Deutschland.“ (aus: Stern 5(2005), S.45)
Halina Birkenbaum, israelische
Schriftstellerin und Auschwitz-Überlebende:
"Ein Sohn kann nicht schuldig sein, wenn der Vater ein Mörder ist. Aber
auf ihm klebt ein Fleck. Ein junger Deutscher hat eine Verantwortung, nie
so zu sein, wie die Verbrecher damals. Als Sohn eines Mörders muss er noch
mehr als alle anderen tun, damit er zeigen kann, dass er ein ehrlicher
Mensch ist, dass er nie jemanden verfolgen, nie jemanden umbringen wird.
Wer stolz auf Goethe, Schiller und Beethoven ist, muss auch Schande
empfinden für Hitler. […] Die Deutschen sollten sich immer daran erinnern,
was Deutsche mit den Juden gemacht haben. Es schmerzt, wenn heute Deutsche
behaupten: ‚Das gab es nie.’ Wer zulässt, dass junge Nazis wieder ‚Heil
Hitler’ brüllen, der muss sich schuldig fühlen." (aus: Stern 5(2005),
S..44)
Bernhard Schlink,
Juraprofessor und Schriftsteller (»Der
Vorleser«):
Wer im „Dritten Reich“ schuldig geworden ist, indem er Unrecht getan hat
oder hat geschehen lassen, bleibt schuldig – wer sollte ihm vergeben und
die Schuld von ihm genommen haben? Vergeben können nur die Opfer, und wenn
die Opfer tot sind, kann niemand die Schuld von den Tätern nehmen. Auch
die Generation der Kinder bleibt schuldig, soweit sie dadurch schuldig
geworden ist, dass sie mit der Generation der Väter nicht gebrochen hat.
Die Liebe der Kinder zu ihren Eltern, die Verehrung der Lehrer, Meister,
Pfarrer, Professoren, Vorgesetzten und Chefs, das Lernen von ihnen, die
Dankbarkeit ihnen gegenüber und die Verbundenheit mit ihnen verstricken in
deren Schuld. Für die Enkel, die ihren Großeltern kaum noch persönlich
begegnen, gibt es auch die Verstrickung in deren Schuld kaum noch, und die
Urenkel sind von ihr frei. Was dann noch bleibt. Ist nicht mehr Schuld.
Geschuldet bleiben aber die Erinnerung an die Opfer, der Respekt ihnen
gegenüber und der Takt gegenüber ihren Nachfahren. (aus: Stern 5(2005),
S..45)
Ralf Giordano, Schriftsteller:
Als häufig geladener Zeitzeuge und Überlebender des Holocaust bläue ich
der Generation der Enkelinnen und Enkel dreierlei ein: Erstens: In seid an
den Nazi-Verbrechen in jeder Beziehung schuldlos – de jure, de facto,
politisch, moralisch, historisch. Doch steht ihr in der Kette nationaler
Geschichtsverantwortung, dass dergleichen in keiner Form wieder aufstehen
und obsiegen könnte. Darum ist Erinnerung nötig, und darum stehe ich vor
euch. Denn Hitler, und was der Name symbolisiert, ist zwar militärisch,
nicht aber auch geistig geschlagen, immer noch nicht.
Zweitens: Nicht die Opfer des Nationalsozialismus sorgen für die lang
fallenden Schatten des Hakenkreuzes, es ist das Morduniversum der
NS-Täterschaft, das die Erinnerung wach hält und so die These vom
„Tausendjährigen Reich“, wenn auch nicht im Sinne ihrer Schöpfer, wahr
machen wird.
Und drittens, ihre Enkelinnen und Enkel: Bewahrt euch, trotz allem, die
Fähigkeit, euch zu freuen, zu lächeln, glücklich zu sein, zu lieben,
aufeinander zuzugehen und, dies vor allem, den Humor nicht zu verlieren.
Stärkere Bundesgenossen für Menschlichkeit kenne ich nicht. (aus: Stern
5(2005), S..44)
Paul Spiegel, Vorsitzender des
Zentralrats der Juden in Deutschland
Schuld ist eine ganz persönliche Angelegenheit. Es kann keine Rede davon
sein, dass Menschen, die während des Holocaust oder danach geboren worden
sind, mit irgendeiner Schuld in Zusammenhang stehen. Aber dieser
Personenkreis trägt dennoch eine Verantwortung. Nicht für die
Vergangenheit und für das, was damals geschehen ist. Diese Menschen tragen
Verantwortung für die Gegenwart und die Zukunft. Denn ohne die Kenntnisse
dessen, was geschehen ist, kann es eine verantwortungsbewusste Zukunft
nicht geben. (aus: Stern 5(2005), S..44)
Heinrich August Winkler,
Historiker
"Schuldig geworden sind bei der Vernichtung der europäischen Juden im
Zweiten Weltkrieg nicht nur die Täter an der Spitze des ‚Dritten Reiches’
und die vielen, die ihre mörderischen Weisungen in die Tat umsetzten.
Schuldig geworden sind alle, die auf unterschiedliche Weise mitgewirkt
haben an dem, was der Vernichtung vorausging: die Ausgrenzung und
Entrechtung der Juden. In diesem Sinne sind Millionen von Deutschen
schuldig geworden. Eine Schuld der Nachlebenden gibt es nicht. Aber aus
der historischen Schuld ist eine bleibende Verantwortung der Deutschen
erwachsen: Sie müssen sich ihrer widerspruchsvollen Geschichte stellen und
Folgerungen aus dem ziehen, wohin diese Geschichte nach der
Machtübertragung an Hitler geführt hat. ‚Die Würde des Menschen ist
unantastbar.’ So heißt es in Artikel 1 des Grundgesetzes aus dem Jahr
1949. Das war damals eine Antwort auf die Erfahrungen der NS-Zeit. Es gibt
keine bessere Antwort." (aus: Stern 5(2005), S..44)
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