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Fiesco (der sich niedersetzt). Genueser – Das
Reich der Tiere kam einst in bürgerliche Gärung, Parteien
schlugen mit Parteien, und ein Fleischerhund bemächtigte
sich des Throns. Dieser, gewohnt, das Schlachtvieh an das Messer
zu hetzen, hauste hündisch im Reich, klaffte, biss und nagte die
Knochen seines Volks. Die Nation murrte, die Kühnsten traten
zusammen und erwürgten den fürstlichen Bullen. Jetzt ward ein
Reichstag gehalten, die große Frage zu entscheiden, welche
Regierung die glücklichste sei? Die Stimmen teilten sich
dreifach. Genueser, für welche hättet ihr entschieden?
Erster Bürger. Fürs Volk. Alle fürs Volk.
Fiesco. Das Volk gewann's. Die Regierung ward
demokratisch. Jeder Bürger gab seine Stimme. Mehrheit
setzte durch. Wenige Wochen vergingen, so kündigte der Mensch
dem neugebackenen Freistaat den Krieg an. Das Reich kam
zusammen. Ross, Löwe, Tiger, Bär, Elefant und Rhinozeros traten
auf und brüllten laut zu den Waffen! Jetzt kam die Reih' an die
Übrigen. Lamm, Hase, Hirsch, Esel, das ganze Reich der Insekten,
der Vögel, der Fische ganzes menschenscheues Heer – alle traten
dazwischen und wimmerten: Friede. Seht, Genueser! Der Feigen
waren mehr, denn der Streitbaren, der Dummen mehr, denn
der Klugen – Mehrheit setzte durch. Das Tierreich
streckte die Waffen, und der Mensch brandschatzte sein Gebiet.
Dieses Staatssystem ward also verworfen. Genueser, wozu wäret
ihr jetzt geneigt gewesen?
Erster und Zweiter. Zum Ausschuss! Freilich zum
Ausschuss!
Fiesco. Diese Meinung gefiel! Die Staatsgeschäfte
teilten sich in mehrere Kammern. Wölfe besorgten die
Finanzen, Füchse waren ihre Sekretäre. Tauben
führten das Kriminalgericht, Tiger die gütlichen
Vergleiche, Böcke schlichteten Heiratsprozesse. Soldaten
waren die Hasen; Löwen und Elefant blieben
bei der Bagage; der Esel war Gesandter des Reichs, und
der Maulwurf Oberaufseher über die Verwaltung der Ämter.
Genueser, was hofft ihr von dieser weisen Verteilung? Wen der
Wolf nicht zerriss, den prellte der Fuchs. Wer diesem entrann,
den tölpelte der Esel nieder. Tiger erwürgten die Unschuld;
Diebe und Mörder begnadigte die Taube, und am Ende, wenn die
Ämter niedergelegt wurden, fand sie der Maulwurf alle
unsträflich verwaltet – Die Tiere empörten sich. Lasst uns einen
Monarchen wählen, riefen sie einstimmig, der Klauen und Hirn und
nur einen Magen hat – und einem Oberhaupt huldigten alle
– einem, Genueser – aber (indem er mit Hoheit unter sie
tritt) es war der Löwe.
Alle (klatschen, werfen die Mützen in die Höhe).
Bravo! Bravo! das haben sie schlau gemacht.
Erster. Und Genua soll's nachmachen, und Genua hat
seinen Mann schon.
Fiesco. Ich will ihn nicht wissen. Gehet heim! Denkt
auf den Löwen! (Die Bürger tumultuarisch hinaus.) [...]
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(Traditionelle Parabel)