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Wenn die
Darbietungsform
der Figuren-/Personenrede zum
Erzählen verwendet wird, kann der Wechsel zwischen
direkter und
indirekter Rede (Fluktuation) besondere Wirkungen erzielen. Dabei macht sich die
Kombination zu eigen,
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dass die direkte Rede "die subjektive Qualität
der Äußerung unmittelbar und plastisch zur Geltung"
bringt,
-
die indirekte Rede dagegen "eher die Tatsache,
die kommunikative Funktion und allgemeine Tendenz einer Äußerung
vermerkt". (Vogt
1990, S.150)
Der Wechsel zwischen der direkten und indirekten
Rede "auch innerhalb einer einzigen Redesituation, gibt dem Erzähler
die Möglichkeit, Perspektive und Tempo zu variieren ... Direkte und
indirekte Rede werden also gern kombiniert, um eine Szene zugleich
gedrängt und anschaulich wirken zu lassen, Figuren- und Erzählerstimme
in Balance zu halten." (Vogt
1990, S. 155, Hervorh. d. Verf.) Die
Kombination beider Redeformen ist besonders gut dazu geeignet, komplexe
Gespräche aufzubauen. Diese bieten u. a. die Möglichkeit, "indirekt
eine Vielfalt von Ereignissen, Figuren, Orten, Fragestellungen (...) zu
integrieren, die von der Handlung selbst nicht zusammengehalten werden
können." (Vogt
1990, S.155). Dadurch gewinnt die
Figuren-/Personenrede informative Bedeutung.
Beispiel 1: In
Heinrich Manns (1871-1950)
Roman "Der
Untertan" (1918) trifft Diederich Heßling, Besitzer einer
Papierfabrik, im Haus des Bürgermeisters mit diesem und dem jüdischen
Assessor Jadassohn von der Netziger Staatsanwaltschaft zusammen. Dabei
versichern sich die drei ihrer Kaisertreue und ihrer Entschlossenheit
gegen den "freisinnigen Schlendrian" und die "umstürzlerischen
Bestrebungen" der Sozialdemokratie in dem Städtchen Netzig gemeinsam
vorzugehen. In diesem Textauszug strukturiert die Fluktuation zwischen
direkter und indirekter Rede den Erzählvorgang in besonders deutlicher
Weise.
"Diederich
bedauerte, dass die »Netziger Zeitung«, das größte Organ der Stadt, sich
im freisinnigen Fahrwasser bewege. »So ein Judenblatt!« sagte Jadassohn.
Wohingegen das regierungstreue Kreisblatt in der Stadt fast ohne
Einfluss sei. Aber der alte Klüsing in Gausenfeld lieferte das Papier
für beide Blätter. Es schien Diederich nicht unmöglich, durch ihn, der
in der »Netziger Zeitung« Geld hatte, ihre Haltung zu beeinflussen. Er
musste Angst bekommen, sonst das Kreisblatt zu verlieren. »Denn es gibt
ja noch eine Papierfabrik in Netzig«, sagte der Bürgermeister und
schmunzelte. Da trat das Zimmermädchen ein und verkündete, sie müsse nun
den Tisch zum Mittagessen decken; die gnädige Frau werde gleich zurück
sein - »und auch die Frau Hauptmann«, setzte sie hinzu. Bei der Nennung
dieses Titels erhob der Bürgermeister sich sofort. Wie er seine Gäste
hinausgeleitete, hielt er den Kopf gesenkt und war, trotz der genossenen
Schnäpse, ganz milchfarben. Auf der Treppe zog er Diederich am Ärmel.
Jadassohn war zurückgeblieben, und man hörte das Mädchen leise
kreischen. An der Haustür läutete es schon.
»Mein lieber Herr Doktor«, wisperte der Bürgermeister, »Sie haben mich
doch nicht missverstanden. Bei alledem habe ich natürlich einzig das
Interesse der Stadt im Auge. Mir liegt es selbstverständlich ganz fern,
irgend etwas zu unternehmen, worin ich mich nicht einig weiß mit den
Körperschaften, an deren Spitze zu stehen ich die Ehre habe.«
Er blinzelte eindringlich. Bevor Diederich sich besonnen hatte, betraten
die die Damen das Haus, und der Bürgermeister ließ Diederichs Ärmel los,
um ihnen entgegenzueilen. Seine Frau, verhutzelt und mit Sorgenfalten,
hatte kaum Zeit, die Herren zu begrüßen; sie musste die Kinder trennen,
die einander prügelten. Ihre Mutter aber, einen Kopf höher und noch
jugendlich, musterte streng die geröteten Gesichter der Frühstücksgäste.
Dann schritt sie auf den Bürgermeister zu, den man kleiner werden sah...
Assessor Doktor Jadassohn hatte sich schon von dannen gemacht, Diederich
vollführte formvolle Verbeugungen, die unerwidert blieben, und eilte
hinterdrein. Ihm war aber beklommen, er sah unruhig auf der Straße
umher, hörte nicht, was Jadassohn sagte, und plötzlich kehrte er um. Er
musste mehrmals und heftig läuten, denn drinnen war großer Lärm. Die
Herrschaften standen noch am Fuße der Treppe, auf der die Kinder sich
schreiend umherstießen, und sie debattierten. Die Frau Bürgermeister
wünschte, dass ihr Gatte beim Schuldirektor etwas gegen einen Oberlehrer
unternehme, der ihren Sohn schlecht behandelte. Dagegen forderte die Frau Hauptmannn von ihrem Schwiegersohn; er solle den Oberlehrer zum
Professor ernennen, denn seine Frau habe den größten Einfluss im
Vorstand der Bethlehemstiftung für gefährdete Mädchen. Der Bürgermeister
beschwor sie abwechselnd mit den Händen. Endlich konnte sagte er ein
Wort anbringen.
»Einerseits -«, sagte er.
Aber da hatte Diederich ihn am Ärmel ergriffen. Nach vielen
Entschuldigungen in der Richtung der Damen zog er ihn beiseite, und er
flüsterte bebend: »Verehrter Herr Bürgermeister, es liegt mir daran,
Missverständnissen vorzubeugen. Ich darf daher wiederholen, dass ich ein
durchaus liberaler Mann bin.«
Doktor Scheffelweis versicherte flüchtig, dass er hiervon grade so
überzeugt sei wie von seiner eigenen, gut liberalen Gesinnung. Schon
ward er abgerufen, und Diederich verließ, ein wenig erleichtert, das
Haus. Jadassohn erwartete ihn grinsend.
»Sie haben wohl Angst gehabt? Lassen Sie nur! Mit unserem Stadtoberhaupt
kompromittiert sich niemand, er ist immer, wie der liebe Gott, mit den
stärksten Bataillonen. Heute wollte ich nur feststellen, wie weit er
sich schon mit Herrn von Wulckow eingelassen hat. Es steht nicht übel,
wir können uns ein Stück vorwagen.»
»Vergessen Sie, bitte, nicht«, sagte Diederich, mit Zurückhaltung, »dass
ich in der Netziger Bürgerschaft zu Hause und natürlich auch
liberal bin.«
(aus: Heinrich Mann, Der Untertan, 35. Aufl., München: dtv 1993,
S.118f.)
Beispiel 2: In
Theodor Fontanes
(1819-1898) Roman »Effi
Briest« (1895) lässt sich am Beginn des 12. Kapitels das
Zusammenwirken von
direkter Rede und indirekter Rede als Figurenrede und
dem Redebericht
als spezifische Form des
Erzählerberichts i. e. S.
aufzeigen (Fluktuation).
Es war spät, als man aufbrach. Schon bald nach zehn hatte Effi zu
Gieshübler gesagt,
es sei nun wohl Zeit; Fräulein Trippelli, die den Zug nicht versäumen
dürfe, müsse ja schon um sechs von Kessin aufbrechen; die
danebenstehende Trippelli aber, die diese Worte gehört, hatte mit der
ihr eigenen ungenierten Beredsamkeit gegen solche zarte Rücksichtnahme
protestiert. »Ach, meine
gnädigste Frau, Sie glauben, dass unsereins einen regelmäßigen
Schlaf braucht, das trifft aber nicht zu; was wir regelmäßig brauchen,
heißt Beifall und hohe Preise. Ja, lachen Sie nur. Außerdem (so was
lernt
man) kann ich auch im Coupé schlafen, in jeder Situation und sogar
auf der linken Seite, und brauche nicht einmal das Kleid aufzumachen.
Freilich bin ich auch nie eingepresst; Brust und Lunge müssen immer frei
sein und vor allem das Herz. Ja, meine gnädigste Frau, das ist die
Hauptsache. Und dann das Kapitel Schlaf überhaupt - die Menge tut es
nicht, was entscheidet, ist die Qualität; ein guter Nicker von fünf
Minuten ist besser als fünf Stunden unruhige Rumdreherei, mal links, mal
rechts. Übrigens schläft man in Russland wundervoll, trotz des starken
Tees. Es muss die Luft machen oder das späte Diner oder weil man so
verwöhnt wird. Sorgen gibt es in Russland nicht; darin - im Geldpunkt
sind beide gleich - ist Russland noch besser als Amerika.«
Nach
dieser Erklärung der Trippelli hatte Effi von allen Mahnungen zum
Aufbruch Abstand genommen, und so war Mitternacht herangekommen. Man
trennte sich heiter und herzlich und mit einer gewissen Vertraulichkeit.
Der Weg von der Mohrenapotheke bis zur landrätlichen Wohnung war
ziemlich weit; er kürzte sich aber dadurch,
dass Pastor Lindequist bat,
Innstetten und Frau eine Strecke begleiten zu dürfen; ein Spaziergang
unterm Sternenhimmel sei das beste, um über Gieshüblers Rheinwein
hinwegzukommen.
Unterwegs wurde man natürlich nicht müde, die verschiedensten
Trippelliana heranzuziehen; Effi begann mit dem, was ihr in
Erinnerung geblieben, und gleich nach ihr kam der Pastor an die Reihe.
Dieser, ein Ironikus, hatte die Trippelli, wie nach vielem sehr
Weltlichen, so schließlich auch nach ihrer kirchlichen Richtung gefragt
und dabei von ihr in Erfahrung gebracht, dass sie nur eine Richtung
kenne, die orthodoxe. Ihr Vater sei freilich ein Rationalist gewesen,
fast schon ein Freigeist, weshalb er auch den Chinesen am liebsten auf
dem Gemeindekirchhof gehabt hätte; sie ihrerseits sei aber ganz
entgegengesetzter Ansicht, trotzdem sie persönlich des großen Vorzugs
genieße, gar nichts zu glauben. Aber sie sei sich in ihrem entschiedenen
Nichtglauben doch auch jeden Augenblick bewusst, dass das ein
Spezialluxus sei, den man sich nur als Privatperson gestatten könne.
Staatlich höre der Spaß auf, und wenn ihr das Kultusministerium oder gar
ein Konsistorialregiment unterstünde, so würde sie mit unnachsichtiger
Strenge vorgehen. »Ich
fühle so was von einem Torquemada in mir.« Innstetten war sehr
erheitert und erzählte seinerseits, dass er etwas so Heikles, wie das
Dogmatische, geflissentlich vermieden, aber dafür das Moralische desto
mehr in den Vordergrund gestellt habe. Hauptthema sei das Verführerische
gewesen, das beständige Gefährdetsein, das in allem öffentlichen
Auftreten liege, worauf die Trippelli leichthin und nur mit Betonung der
zweiten Satzhälfte geantwortet habe: »Ja, beständig gefährdet; am
meisten die Stimme.«
Unter solchem Geplauder war, ehe man sich trennte, der Trippelli-Abend
noch einmal an ihnen vorübergezogen [...]
(aus: Theodor Fontane, Effi Briest, 4. Aufl., o. O.: 1982
(=Goldmann-Klassiker mit Erläuterungen), S.88-90)
Beispiel 3: In
Franz Kafkas (1883-1924)
Roman "Der
Prozess" (1914/1924) lässt sich bei der Seiten langen Rede des
Advokaten im Kapitel "Advokat / Fabrikant / Maler" das
Zusammenwirken von
direkter Rede und indirekter Rede als Figurenrede und
dem Redebericht
als spezifische Form des
Erzählerberichts i. e. S.
in besonderer Weise aufzeigen (Fluktuation).
Das Wechseln des Erzählers zwischen Indikativ und Konjunktiv verstärkt
K.s Schwanken zwischen Sicherheit und Unsicherheit. "Die verschachtelten
Sätze sollen wohl eher K.s Blick verwirren als zu seiner Aufklärung
beitragen. Der Wechsel zwischen den beiden Modi vollzieht sich zuweilen
sogar mitten im Satz". (Gräff
1990, S.98) So werde, wie Gräf weiter darlegt, in dem Satz: K.
möge doch nicht außer acht lassen, dass das Verfahren nicht öffentlich
sei (!), es kann (!), wenn das Gericht es für nötig hält, öffentlich
werden, das Gesetz aber schreibt Öffentlichkeit nicht vor. der
tatsächliche Zustand im Konjunktiv und die Möglichkeit im Indikativ
wiedergegeben." Dadurch entstehe eine "profunde Verunsicherung und die
Unsicherheit der Perspektivfigur Josef K. überträgt sich auf den Leser."
Leider,
darauf müsse er K. allerdings aufmerksam machen, geschehe es manchmal, dass die ersten Eingaben
bei Gericht gar nicht gelesen würden. Man lege sie einfach zu den Akten und
weise darauf hin, dass vorläufig die Einvernahme und Beobachtung des
Angeklagten wichtiger sei als alles Geschriebene. Man fügt, wenn der Petent
dringlich wird, hinzu, dass man vor der Entscheidung, sobald alles Material
gesammelt ist, im Zusammenhang natürlich, alle Akten, also auch diese erste
Eingabe, überprüfen wird. Leider sei aber auch dies meistens nicht richtig,
die erste Eingabe werde gewöhnlich verlegt oder gehe gänzlich verloren, und
selbst wenn sie bis zum Ende erhalten bleibt, werde sie, wie der Advokat
allerdings nur gerüchtweise erfahren hat, kaum gelesen. Das alles sei
bedauerlich, aber nicht ganz ohne Berechtigung. K. möge doch nicht außer
acht lassen, dass das Verfahren nicht öffentlich sei, es kann, wenn das
Gericht es für nötig hält, öffentlich werden, das Gesetz aber schreibt
Öffentlichkeit nicht vor. Infolgedessen sind auch die Schriften des
Gerichts, vor allem die Anklageschrift, dem Angeklagten und seiner
Verteidigung unzugänglich, man weiß daher im allgemeinen nicht oder
wenigstens nicht genau, wogegen sich die erste Eingabe zu richten hat, sie
kann daher eigentlich nur zufälligerweise etwas enthalten, was für die Sache
von Bedeutung ist. Wirklich zutreffende und beweisführende Eingaben
kann man erst später ausarbeiten, wenn im Laufe der Einvernahmen des
Angeklagten die einzelnen Anklagepunkte und ihre Begründung deutlicher
hervortreten oder erraten werden können. Unter diesen Verhältnissen ist
natürlich die Verteidigung in einer sehr ungünstigen und schwierigen
Lage. Aber auch das ist beabsichtigt. Die Verteidigung ist nämlich durch
das Gesetz nicht eigentlich gestattet, sondern nur geduldet, und selbst
darüber, ob aus der betreffenden Gesetzesstelle wenigstens Duldung
herausgelesen werden soll, besteht Streit. Es gibt daher streng genommen
gar keine vom Gericht anerkannten Advokaten, alle, die vor diesem
Gericht als Advokaten auftreten, sind im Grunde nur Winkeladvokaten. Das
wirkt natürlich auf den ganzen Stand sehr entwürdigend ein, und wenn K.
nächstens einmal in die Gerichtskanzleien gehen werde, könne er sich ja,
um auch das einmal gesehen zu haben, das Advokatenzimmer ansehen. Er
werde vor der Gesellschaft, die dort beisammen sei, vermutlich
erschrecken.
» Übungsbeispiel: Dostojewski, Schuld
und Sühne |
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