Die Aufführung von •
Friedrich Schillers •
Maria
Stuart« auf der
»Goetheanum-Bühne in Dornach (Schweiz) im Jahr 2005
unter der Regie von •
Jobst Langhans
(geb. 1955) von der »Werkbühne Berlin
gab Anlass zu
folgenden •
Rezensionen:
Text 1:
Gegensätzlicher könnten sie nicht sein. Maria ist Katholikin und wie eine
Figur aus dem Spätmittelalter. Hübsch, genusssüchtig und das Leben
liebend, wird sie in eine königliche Rolle hineingeboren. Elisabeth
hingegen, der „ Bastard“ von Heinrich VIII und Anne Boleyn, muss nach dem
Tode ihres Vaters um ihr Leben fürchten und gar in den Kerker, bevor sie
als protestantische Monarchin akzeptiert wird. Ehrgeizig und intelligent
wie sie ist, will sie nach all der Unbill nur eines für ihr Wohl ihres
Landes regieren – und zwar ohne einen Mann, der mitbestimmen könnte. [...]
Das Leitmotiv des Stückes ist die Idee der Freiheit, jedoch nicht als
Willkür des Individuums verstanden, sondern als sittliches Postulat der
Menschenwürde. Und frei sind beide Frauen nicht. Maria sitzt im Gefängnis-
ihr wird alles genommen, was sie als Königin auszeichnet. Elisabeth
hingegen sonnt sich in ihrer Pracht, ist aber auch unfrei- nur ist ihr
Gefängnis groß: Es sind die Strukturen der macht, die sie hindern. So kann
sie sich als Frau nicht ausleben. Dies erzeugt einen innerlichen Groll-
und Neid.
»Maria Stuart« ist vielleicht das vielschichtigste Stück des großen
deutschen Klassikers. Wie verhalten sich „wichtige“ Menschen? Wonach
richten sie sich? Was sind sie bereit der Macht zu opfern? Und wie groß
ist der Preis, den sie persönlich dafür zahlen? Wie soll man in Zeiten der
Verunsicherung reagieren? Auf wen sollen wir hören? Wie kann eine blutige
Entscheidung gefällt werden, ohne sich die Hände zu beschmutzen?
Unter der Regie von Jost Langhans von der Werkbühne Berlin entsteht eine
homogene Aufführung. Das Bühnenbild ist minimalisiert. Der Hintergrund
bleibt der derselbe, nur die Farben der Wände ändern sich. Requisiten gibt
es kaum, bloß die Kostüme erinnern an das 16. Jahrhundert. ( Bühne und
Kostüme: Clarissa Bruhn).
Barbara Stuten gibt die kalte, berechnende Elisabeth, die über ihre eigene
Tragik und Herzensgröße verfügt, glaubwürdig und tragend. Ihre tiefe
Stimme mit klarer Diktion ist eine Wohltat. Catherine Ann Schmid spielt
die Rolle der Maria, der gedemütigten Büßerin, die sich aber ihrer
königlichen Berufung bewusst bleibt, hervorragend. Das Doppelspiel der
Frauen findet seine Spiegelung in den Männergestalten. Dem todesbereiten,
idealistischen Mortimer, mit Feuer von Patrick Exter gespielt, der Maria
retten will, steht der ängstliche und egoistische Graf Leisester
gegenüber. Christian Peter spielt den hingehaltenen, verweichlichten
Höfling mit Bravour. Das gesamte Ensemble überzeugt.
(aus: Bea Berceley, Unausgeglichener Kampf der Cousinen. »Maria Stuart«
klassisch und fesselnd. Friedrich Schillers Sprachgewalt wird
ausgezeichnet vermittelt. Seine Themen haben nichts an Aktualität
eingebüsst, in: Basel Landschaftliche Zeitung, 19.03.05, Auszüge )
Text 2:
Maria Stuart steht und fällt mit den beiden Frauenrollen, steht und fällt
mit der Kunst, das Doppelbödige, das Mehrdeutige in ihnen zu finden.
Privates mischt sich mit Politischem, Gewissen mit Gewissenlosigkeit,
Angst mit Mut, Zuversicht mit Hoffnungslosigkeit. Zorn und Verzweiflung
sind ebenso Motoren der Handlung wie Neid und Eifersucht.
Wenn Schiller als Theaterautor heute so berühmt ist wie zu seinen
Lebzeiten, dann hat das damit zu tun. Menschen auf der Bühne sind
langweilig, wenn sie, wie die modischen Musterpuppen von heute, das
Programm herunterbeten, das wir ihren Erfindern abkaufen sollen, sie sind
dann spannend, wenn alles schief geht, wenn es kein Programm gibt, keinen
Ausweg, keine Lösung des Problems – und also ein bisschen so, wie bei
unseren Nachbarn oder am Ende wie bei uns selbst.
Die Titelrolle dieser Inszenierung für die Goetheanum-Bühne spielt
Catherine Ann Schmid. Genau, klein, klar, Haltung und Gang von
beneidenswert reinem Impuls, vollkommene Beherrschung des Gestus, ohne
jeden Aufwand. Jedes Wort hat sein Gewicht und ist klar verständlich
[...]. Das Kostüm – ganz in Schwarz, nur der elegante weiße Tudorkragen
als Kontrast - ist ganz offensichtlich von historischen Bildern inspiriert
und doch von einer hinreißenden Eleganz, die historischen Mief gar nicht
zulassen.
Die Gegenspielerin - ganz anders geartet. Ist Maria die vom Unglück
Ergriffene (in jedem Sinne des Wortes), die auch noch das Abstruse, das
Bedrohliche einer beherrschten Sanftmut zu unterwerfen weiß, ist Barbara
Stutens Elisabeth eine nervöse, leicht beirrte, unsichere, aus
Selbstschutz auch durchaus theatralische Frau, die immer neu Mühe hat,
sich zwischen politischer Klugheit und privatem Affekt zurechtzufinden.
Nicht immer lässt sich so leicht erkennen, wo Schillers Sympathien lagen.
Elisabeths Ränke sind mehr verwerflich und hässlich als notgedrungen und
hilflos. Der Grundton der englischen Königin ist rot, die Farbe der
Aggression. [...]
Die Regie hatte Jobst Langhans. Saubere Arbeit mit einem zwanzigköpfigen
Ensemble, genau am Text. Etwas zu genau. Texttreue ist nicht alles. Die
Schlussszenen, in denen Schiller das Heu einfährt, das schon dreimal vor
uns gewendet wurde, sind ziemlich überflüssig und nehmen der Stück jede
Dynamik. Da wartet man dann nur noch höflich darauf, dass die
Schillerverehrung endlich aufhört. Schade.
Denn diese Maria Stuart ist eine sehr respektable, in den kühlen, klug
stilisierten Bühnenbildern von Clarissa Bruhn sehr sehenswerte, und eine
sehr hörenswerte Theaterarbeit, die sich die Goetheanum-Bühne durchaus als
Lorbeerblatt ins Knopfloch stecken darf.
(aus: Reinhardt Stumm, Legts zu dem übrigen!,
Webjournal.ch Das iPortal für die Dreiländerregion Basel)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.12.2023