Dem Ursprung der Kleidung als einem Mittel des Schmuckes, der
Verschönerung und Anlockung gemäß, ist die Mode seit jeher im Dienste
dieses Zweckes gestanden. Und zwar hauptsächlich im Dienste der
geschlechtlichen Anlockung und stets auf irgendeinen Teil des weiblichen
Körpers durch verhüllende oder enthüllende Kleidung besonders hingewiesen.
Bis diese Körperstelle so bekannt geworden ist, dass man sich nach neuen,
stärkeren oder auch schwächeren Reizen umsehen musste.
Es
sei nur an die besondere Vorliebe erinnert, die einmal die Mode für
Eine wichtige Modetendenz war auch die Betonung
-
des Schoßes,
-
der Hüften,
-
Lenden und
-
des Gesäßes.
Jeder einzelne dieser weiblichen Reize kam im Laufe der Zeiten immer
wieder an die Reihe, um durch Betonung hervorgehoben zu werden. Und was
lange missachtet war, wurde immer wieder einmal auffallend zur Geltung
gebracht. So war 1875 etwa der Cul* der erotische Konzentrationspunkt.
Weit ausladend, akzentuierte er die weibliche Sitzgelegenheit und machte
sie zur gewichtigen Augenweide der Männerwelt. Und als 1890 der Cul
verschwand, wurden wieder die Schultern betont. Doch man zeigte sie nicht
etwa, sondern man erfand den Puffärmel. Dann wieder ließen dekolletierte
Kleider den Ansatz der Büste ahnen und tiefe Schulterausschnitte
entblößten die reizvollen Linien des Oberarms, bis man eines Tages in der
jüngsten Zeit den Reiz des Beines entdeckte, nicht des Beines, das auf
einmal aus lang verhüllenden Röcken emporschnellte, sondern des ganzen zur
Schau gestellten Beines.
Nicht so ausgeprägt, aber doch unverkennbar ist der Zusammenhang zwischen
Männermode und Geschlechtsleben. Die geschlechtliche Anreizung durch
Exhibition** und Akzentuierung traf bei der Männermode besonders im
Mittelalter deutlich zutage. Schon im Jahre 927 musste der Erzbischof
Adalbert von Reims gegen die schamlose Kleidung des Klerus eifern. Die
Priester trügen Hosen, sagte er, die eine Weite von sechs Fuß hätten und
doch wegen der Durchsichtigkeit des Stoffes nicht einmal die Schamteile
den Blicken entzogen. Nicht weniger »schamlos« war die gegen Ende des 14.
Jahrhunderts getragene enge »bruche«, durch die das natürliche Spiel der
Muskeln vom Gesäß bis auf die Füße sichtbar wurde und die die
Geschlechtsteile deutlich markierte. Einen besonderen Zusammenhang
zwischen Mode und vita sexualis zeigten die um die Mitte des 15.
Jahrhunderts in Mode gekommenen Hosenlätze (braguettes) oder Schamkapseln,
in deren Form »die Männer das, was sie damit bedecken sollten, recht
nachahmten« (Joh. Scherr)."
WORTERKLÄRUNGEN
* Cul: auch Cul de Paris, frz: Pariser
Hintern; Modesilhouette ebenso wie eine Rockstütze; Ende des 18.
Jahrhunderts werden Paniers durch Hüftpolster ersetzt; modische Gewänder
jener Zeit - besonders die Polonaise und Anglaise - zeichnen sich neben
sehr hohen Frisuren ein stark betontes Hinterteil aus, das als "Pariser
Hintern" bekannt und durch entsprechende Polster unterstützt wurde; in den
frühen 1870ern und 1880 kehrt der Cul de Paris kehrte unter dem gleichen
Namen bzw. als Tournüre wieder.
** Exhibition: hier Zurschaustellung
(aus: Bilderlexikon der Erotik : Universallexikon der Sittengeschichte
und Sexualwissenschaft / Institut für Sexualforschung., Wien, 1928-1932,
CD- ROM-Ausgabe: Berlin : Directmedia, 1999, (= Digitale Bibliothek
; 19). S. 3214f. )
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
25.01.2023