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Hoch! dreimal hoch leben die
vereinigten Freistaaten Deutschlands! ... Rede von Johann Georg
August Wirth auf dem Hambacher Fest (1832)
»Johann
Georg August Wirth (1798-1848) verfasste im Januar 1832 den
nachfolgenden Gründungsaufruf für den Presse- und Vaterlandsverein
(Auszüge):
"Die Könige haben unter sich einen Bund geschlossen. - Der
Bund gilt der Unterdrückung der Völker. Die Mittel sind, dass der Wille
des Königs mit Hülfe der Gewalt als oberstes Gesetz geltend gemacht, alle
Wünsche und Aufträge des Volkes zur Beförderung der gesellschaftlichen
Zwecke schnöde zurückgewiesen und die Verteidigung der Volksrechte durch
Vernichtung der freien Presse und durch Terrorismus gegen deren
unabhängige Organe unmöglich gemacht werde. Die Früchte des Bundes sind:
Verarmung der Völker und Entweihung der menschlichen Würde durch
Kriecherei und Sklavensinn. Dieser Bund [...] hat seine Hauptstütze in
Deutschland. [...] Sollen die Völker endlich die Freiheit erlangen, soll
der Verarmung und dem Elende Europas ein Ziel gesetzt werden, so muss
Russland von Preußen und Österreich durch ein demokratisch organisiertes
Polen getrennt, das Übergewicht des preußischen und österreichischen
Königs durch die Organisation eines deutschen Reiches, mit demokratischer
Verfassung, aufgehoben, und eine europäische Staatenordnung durch ein
treues Bündnis des französischen, deutschen und polnischen Volkes
vorbereitet werden. [...] Dessen ungeachtet gibt es gleichwohl ein völlig
erlaubtes und völlig gesetzmäßiges Mittel, um den feindseligen und
hartnäckigen Widerstand der Könige gegen die Interessen des Vaterlandes zu
überwinden. Auch der größte Despot hat nur Gewalt über den Körper: über
den Geist gebietet keine andere Macht, als die moralische. [...] Aus dem
geistigen Bündnisse entspringt aber die Macht der öffentlichen Meinung,
und da diese schwerer in die Wagschale der Gewalten fällt, als alle Macht
der Fürsten, so führt die Wiedergeburt Deutschlands im Geiste von selbst
auch auf die materielle Vereinigung. Die Aufgabe unseres Volkes besteht
daher darin, die Notwendigkeit der Organisation eines deutschen Reiches,
im demokratischen Sinne, zur lebendigen Überzeugung aller deutschen Bürger
zu erheben [...] Das Mittel zur Wiedervereinigung Deutschlands im Geiste
ist aber einzig und allein die freie Presse [...] Es kommt jetzt nur
darauf an, die Presse, wo sie frei ist, gegen die faktische Gewalt der
Könige zu schützen und dann zum Gemeingute der deutschen Nation zu
erheben. [...] Diejenigen Journale, welche als der Hebel für die
Nationalsache angesehen werden, müssen deshalb in das Eigentum des Volkes
übergehen und ihre Redaktoren absetzbare Diener des Volkes werden. [...]
Die besten Söhne des deutschen Vaterlandes müssen daher ihre geistige
Kraft den Journalen des Volkes widmen, indem sie bei denselben als
Mitredakteure, Korrespondenten oder Mitarbeiter Anstellung suchen. - Wer
auch geneigt ist, sich rücksichtslos dem Vaterlande zu weihen, muss doch
die Mittel haben, das physische Leben zu erhalten. Das deutsche Volk soll
daher für die Subsistenz aller derer sorgen, welche sich seinem Dienste
widmen, und auch für die Subsistenz der Familien seiner Verteidiger, wenn
diese im Gefängnisse sitzen oder sonst arbeits- oder dienstunfähig sind.
[...] Darum endlich muss das deutsche Volk durch besondere Vorkehrungen
Fürsorge treffen, dass die Journale, welche es für geeignet hält, die
Volkssache zu führen, in jeder Gemeinde gehalten und nötigenfalls auf
öffentliche Kosten angeschafft werden. Alle diese Zwecke zu erreichen,
liegt in der Macht der deutschen Nation. Das Mittel dazu ist die Bildung
eines öffentlichen Vereines zur Unterstützung der freien Presse. Die
Mitglieder des Vereines übernehmen freiwillig die Verbindlichkeit: 1. nach
Maßgabe ihres Einkommens und Vermögens einen regelmäßigen Geldbeitrag zu
leisten, 2. zur Verbreitung der Journale des Vereines aus allen Kräften
mitzuwirken, 3. so weit es in ihrem Vermögen liegt, beizutragen, dass
öffentliche Anzeigen und Bekanntmachungen von Privaten und Behörden in den
Journalen des Volkes eingerückt werden, 4. diese Journale, so weit es Zeit
und Fähigkeit erlauben, durch Aufsätze und Korrespondenz-Artikel zu
unterstützen, und endlich 5. zur Spedition der Blätter des Volkes, durch
expresse Boten, aus allen Kräften mitzuwirken.
Schließt sich jeder Deutsche, dem die heilige Sache des Vaterlandes und
der Völker am Herzen liegt, diesem Vereine an, so ist zur Wiedergeburt
Deutschlands und der Organisation Europas im demokratischen Sinne, auf
gesetzmäßigem Wege der Grundstein gelegt."
(aus: Hauptstaatsarchiv München, MA 7755,
an
moderne Rechtschreibung angepasst)
Biographische Autornotiz
»Johann
Georg August Wirth (1798-1848), politischer Schriftsteller des
Vormärz; Jurastudium an der Universität Erlangen, dort 1817 Mitglied im
Corps Franconia; nach dem Scheitern seiner juristischen Karriere 1831
Übersiedlung nach München; Tätigkeit als Redakteur der regierungstreuen
Cottaschen Zeitschrift; nach Wechsel des politischen Lager Gründung der
Zeitschrift "Deutsche Tribüne". Gerät immer wieder mit der Staatsmacht in
Konflikt, versucht aber unbeirrt die Lücken der Zensur zu finden, um für
die die Erweiterung der bürgerlichen Freiheiten und Rechte einzutreten.
Seine Hoffnung, in der zum bayerischen Königreich gehörenden Pfalz
(Rheinbayern) mehr Spielraum für seine publizistische Tätigkeiten zu
finden, erfüllt sich nicht. 1832 wird seine Zeitung vom Bundestag des
Deutschen Bundes verboten. Im Mai 1832 ist Wirth Mitorganisator des Hambacher Fests, wo er eine Rede hält;
wird mit
Siebenpfeiffer und
weiteren elf weiteren Wortführern des Pressvereins verhaftet und in einem
Hochverratsprozess in der Festung Landau vor Gericht gestellt; dank der
pfälzischen Geschworenengerichtsbarkeit kommt es aber beim Freispruch der
Angeklagten. Im November 1833 werden Wirth und Siebenpfeiffer wegen
Beleidigung inländischer und ausländischer Behörden vor dem
Zuchtpolizeigericht, bei dem keine Geschworenen mitwirken konnten, zu
einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Während Siebenpfeiffer der
Haft durch Flucht in die Schweiz entkommt, lässt Wirth einen
Befreiungsversuch pfälzischer Sympathisanten ungenutzt, muss seine Haft
ohne Anrechnung seiner 22 Monate dauernden Untersuchungshaft in
Kaiserslautern absitzen. Nach seiner Freilassung wird er in Hof unter
Polizeiaufsicht gestellt, flieht allerdings 1836 nach Frankreich und von
dort in die thurgauische Schweiz. 1840 gab er die in Konstanz erscheinende
"Deutsche Volkshalle" heraus und verfasst eine Geschichte der Deutschen
(Stuttgart 1843-45, 4 Bde.; 4. Aufl., fortges. von Zimmermann, 1860-62);
1847 Umsiedelung nach Karlsruhe; wird in den überwiegend zu den
thüringischen Kleinstaaten zählenden preußischen Fürstentümern als
Abgeordneter des preußischen Fürstentums Schleiz-Lobenstein, in die deutsche Nationalversammlung gewählt, verstirbt jedoch
bald darauf am 26. Juli 1848 kurz nach der
Eröffnung der ersten deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche zu
Frankfurt.
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Hoch! dreimal hoch leben die
vereinigten Freistaaten Deutschlands! ... Rede von Johann Georg
August Wirth auf dem Hambacher Fest (1832)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
12.10.2023