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Johann Heinrich Hochdörfer (1832): Früchte
des 27. Mai
»Johann Heinrich Hochdörfer
(1799-1851), Herausgeber liberaler und sozialrevolutionär
orientierter Zeitungen und einer der Hauptredner auf dem •
Hambacher Fest
musste sich in einem gegen ihn 1833 angestrengten Prozess verteidigen,
indem er zu zwei Jahren Haft in Kaiserslautern verurteilt wurde:
»Der Präsident: »Belieben Sie uns, Herr Dekan, vorerst zu sagen, was
sich in Bezug auf den Presseverein ereignet hat?«
Zeuge: »Die Sammlungen für den Presseverein gaben Veranlassung zu
Unannehmlichkeiten zwischen Hrn. Hochdörfer und mir, und zu einem
beleidigenden Aufsatze, den derselbe gegen mich in den »Bürgerfreund«
einrücken ließ, wo er mich als einen verdächtigen, servilen Mann schilderte, und in Drohungen gegen mich ausbrach [...] Ich wurde durch den Hrn.
Friedensrichter darüber vernommen. Ich gab zu Protokoll, wie sich die
Sache verhielt: nämlich ein gewisser Schullehrer Lesoin kam in meine
Wohnung [...] Auf meine Frage, was es Neues gäbe, erzählte er mir, dass
sich am vergangenen Sonntag etwas Sonderbares in der Kirche zugetragen
habe; Hr. Pfarrer Hochdörfer habe nämlich von der Kanzel verkündigt, die
Frauen und Mädchen möchten die Kirche verlassen, die Männer und Jünglinge
aber noch eine kurze Zeit verweilen. Pfarrer Hochdörfer sei nun vor den
Altar getreten, habe über den Presseverein, und über die Notwendigkeit
seiner Ausbreitung gesprochen, und habe die Anwesenden aufgefordert,
nach Maßgabe ihrer Verhältnisse kleine Beiträge zu leisten, auch den
Schullehrer habe er hiezu aufgefordert. Die Leute antworteten mit
Achselzucken; einige unterzeichneten, und die Sache wurde wieder verschoben. Ich sprach hierauf zum Schullehrer, ob er sich den Zweck dieses
Vereins angeben lassen? allein er wusste mir nichts Näheres darüber
anzugeben. Einige Tage darauf aber kam sein Sohn zu mir, und äußerte: sein
Vater habe [...] den Entschluss gefasst, sich wieder ausstreichen zu
lassen, und habe auch ihm den gleichen Auftrag erteilt. Unterwegs zur
Wohnung des Pfarrers sei ihm ein andrer Schullehrer, namens Trumbler,
begegnet, welcher in der gleichen Absicht, sich ausstreichen zu lassen, zu
Pfarrer Hochdörfer gegangen sei. Kaum aber hätte Ersterer seine
Willensmeinung vorgetragen, so hätte ihn der Herr Pfarrer beim Rocke
genommen, zur Türe hinausgezogen, und ihm die Kappe vom Kopf geschlagen.
Der junge Mensch habe die Flucht nehmen müssen, aber Herr Pfarrer
Hochdörfer [habe] ihn sogar mit Steinwürfen vor dem Hause verfolgt [...]
Ich würde nie in eine Verbindung treten, die von der Staatsregierung nicht
genehmiget ist.«
Pfarrer Hochdörfer: »Darauf habe ich nichts zu erwidern. Ich gehe nun
weiter auf mein Wirken in Bezug auf den Presseverein innerhalb der Kirche.
Ich habe es mir zur Pflicht gemacht, zur Begründung und Verbreitung dieses
Vereins mein Möglichstes beizutragen; ich habe nicht nur gesucht,
außerhalb der Kirche die Leute zu bestimmen, diesem Vereine beizutreten,
sondern ich habe mich auch veranlasst gefunden, nach dem Standpunkte der
christlichen Lehre die wohltätigen Folgen dieses Vereines auseinander zu setzen, und demnach meine Gemeindeglieder feierlich zum
Beitritte aufzufordern [...] Ich trat nach vollendetem Gottesdienste an
den Altar, und lud die Leute, welche Lust hätten, zu freiwilligen
Beiträgen ein, mit dem ausdrücklichen Beisatze, dass jeder nach seinem
Vermögen beisteuern könne, auch ein Kreuzer werde mit Anerkennung
angenommen, und es solle kein Pfennig bezahlt werden, bevor nicht die
Schriften abgeliefert seien. So stand ich am Altare, die Liste in der
Hand. Mehrere kamen, und versprachen einen monatlichen Beitrag von drei
Batzen. Ich sagte: "Freunde! gebt nicht so viel, es handelt sich nicht
darum, viel Geld zu sammeln, sondern viele Teilnehmer zu finden; es soll
sich ja niemand eine Last aufbürden!"«
(aus: Protokolle der Landauer Verhandlungen gegen die Organisatoren des Hambacher Festes (hier: Pfarrer Hochdörfer),
in: Mannheimer Zeitung, Beilage vom 28. August 1833 -
an die
moderne Rechtschreibung angepasst)
Biographische Autornotiz
»Johann Heinrich Hochdörfer
(1799-1851) geb. 28. Oktober 1799 in
Winzingen, protestantischer Pfarrer in Sembach in der Nordpfalz zwischen
1827 und 1834; Herausgeber liberaler und sozialrevolutionär orientierter
Zeitungen heraus; einer der Hauptredner auf dem •
Hambacher Fest;
deshalb unter Anklage gestellt und zwei Jahre in Kaiserslautern
inhaftiert; nach seiner Entlassung Schweizer Exil; in Genf bestimmender
Einfluss auf den Kreis des ''Jungen Deutschland'; 1848 Rückkehr in die
Pfalz; unter der Losung ''Kein Heil außer dem Sozialismus'', erschienen im
''Pfälzer Volksmann" (einer Neustadter Zeitung), Beteiligung an den
politischen Auseinandersetzungen; Entlassung aus dem Kirchendienst,
gestorben 28. Januar 1851 in Winzingen.
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Johann Heinrich Hochdörfer (1832): Früchte
des 27. Mai
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
12.10.2023