"Was mich betrifft, ich bin Republikaner von ganzer Seele; nicht bloß er
Theorie nach, sondern ich halte die Repräsentativ-Republik für die einzige
Staatsform, die einem größeren Volk, das seine Würde fühlt, geziemt, für
die alleinige, die heute
möglich. Sie allein kann freies Denken, freies
Handeln geben, somit den Zweck der Völkerbewegung erfüllen. Ein mündiges
Volk unter einer Monarchie dünkt mir ein Herkules am Spinnrocken, woran
der eigene Wahn es bindet. [...] Die konstitutionelle Monarchie, welche
Republik und Fürstlichkeit vereinen soll, ist mir praktisch ein Unding.
Nur ein Wille kann Staaten regieren; jene stellt aber einen zweifachen
auf: den Willen des Monarchen und den Willen des Volkes. So entsteht ein
Doppelprinzip, das sich selbst feindselig bekämpft. Alle Gewalt strebt,
wie man weiß, naturgemäß nach ihrer Erhaltung, Befestigung, Erweiterung:
ist die Regierung stark, so wird sie absolut, die Mitwirkung des Volkes
wird ein Gaukelspiel sein; ist der Volksrat stark, so geht die Monarchie
in der Republik unter [...] Ich will, dass die Gesamtheit herrsche, d.h.
Geist und Gang der Regierung regle. Wo eine herrschende Klasse, da ist
auch eine dienende. Der herrschende Gesamtwillen, der freie Ausdruck aller
Volksinteressen- dies ist meine Republik. So viel über Ziel und Inhalt
meiner Bestrebungen. Nun über Art und Weise, wie ich es zu erreichen
gesucht. [...] Zwar lassen sich diese Ansichten in zwei Hauptmeinungen
zusammenfassen, wovon die eine die soziale Umgestaltung langsam, auf dem
Weg allmählicher Reformen, die andere wesentlich auf einmal will.
Inzwischen muss ich in Beziehung auf die letzte Partei sogleich die
Beschränkung beifügen, dass dieselbe wohl zufrieden wäre, hätte man nur
erst die Möglichkeit allmählicher Reformen errungen und sichergestellt.
Ich selbst gehöre zu dieser Partei.
Kein Volk wünscht jemals Umsturz, Anarchie. Dass in jedem Volk ein Haufe
von Leuten besteht, die sich in solchem Elemente wohl befänden, ist wahr;
Mangel an Aufklärung und Überfluss an Elend sind schuld: die
Staatsordnung, wogegen solcher Pöbel sich erhebt, hat ihn erzeugt; je
zahlreicher und wilder er ist, desto verdammlicher erscheint die Ordnung
der Dinge, die ihn erschaffen. Doch hütet euch, das so genannte niedere
Volk zu verdächtigen, ihr, die ihr den Pöbel nicht da sucht, wo er allein
zu finden - in eueren Reihen, Pöbel in Glanz und Würden, in Palästen und
im Überfluss!"
aus: H. Brandt (Hrsg.) (1979) - Restauration und Frühliberalismus
1814-1840, Darmstadt 1979, S.423-427
Biographische Autornotiz:
»Philipp Jakob Siebenpfeiffer
(1789-1845), Jurist, politischer Journalist
und Publizist des (politischen) Vormärz (= Sammelbezeichnung für die Zeit
zwischen Wiener Kongress 1815 und der Märzrevolution 1848); geb. als Sohn
eines Schneiders im badischen Lahr (Schwarzwald); mit zehn Jahren
Vollwaise wird er von Verwandten erzogen; fünfzehnjährig Aufnahme einer
Schreibertätigkeit beim Oberamt in Lahr, 1808 nach Versetzung nach
Freiburg im Breisgau dort von 1809 an Jurastudium; Freundschaft mit Carl
Wenzeslaus von Rotteck; 1813 Promotion; 1814 Freiwilliger in den
Befreiungskriegen gegen Napoleon und Ende des gleichen Jahres Heirat mit
Emilie von Weisseneck, einer Tochter seines Doktorvaters (gemeinsame
Tochter: Cornelia); ab 1818 königlich-bayerischer Landcommissär in
Homburg, das in der zum bayerischen Königreich zählenden Pfalz
(Rheinbayern) liegt; dort zuständig für die Verwaltung von zahlreichen
Gemeinden; nach der Julirevolution in Frankreich im Jahre 1830 verstärkte
journalistische und publizistische Tätigkeit, mit der seine wachsende
Kritik an den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse
artikuliert; Gründung der Zeitschrift „Rheinbayern“, um deren Stimme
herum, sich die liberale Öffentlichkeit und Bewegung formiert; wegen
seiner politischen Ansichten ohne Bezüge aus dem Staatsdienst entlassen;
ab 1831 Herausgabe der Tageszeitung „Der Bote aus Westen“, die, in einer
eigenen Druckerei in Oggersheim produziert, zu einem bedeutenden
Sprachrohr der liberalen Bewegung wird; 1832 Mitgründer des gegen die
Pressezensur gerichteten Deutschen Preß- und Vaterlandsvereins (dabei u.
a. auch:
Johann Georg August Wirth);
veröffentlicht in seinen Pressorganen den Aufruf zum Hambacher Fest, das
er gemeinsam mit Wirth organisiert; einer der Hauptredner des Hambacher
Festes; wird deswegen mit Wirth und elf weiteren Wortführern des
Pressvereins verhaftet und in einem Hochverratsprozess in der Festung
Landau vor Gericht gestellt; dank der pfälzischen
Geschworenengerichtsbarkeit kommt es allerdings zu einem sensationell
wirkenden Freispruch der Angeklagten; 1833 allerdings in einem weiteren
Prozess zusammen mit Wirth wegen Beleidigung inländischer und
ausländischer Behörden vor dem Zuchtpolizeigericht, bei dem keine
Geschworenen mitwirken konnten, zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe
verurteilt; kann mit Hilfe von Freunden Mitte November 1833 aus der Haft
über das Elsass in die Schweiz fliehen; dort erhält er an der Universität
von Bern eine außerordentliche Professur für Straf- und Staatsrecht; nach
Ausbruch einer psychischen Erkrankung 1841 die letzten Jahre bis zu seinem
Tode in der Heil- und Pflegeanstalt von Bümpliz; Tod am 14. 05. 1845 im
Alter von 55 Jahren;
Zur Erinnerung an Siebenpfeiffer 1989 Gründung der Siebenpfeiffer-Stiftung
(www.siebenpfeiffer-stiftung.de
), zu der die Landkreise Saarpfalz-Kreis und Bad Dürkheim, die Städte
Homburg, Zweibrücken und Rastatt sowie die Landesverbände des Deutschen
Journalistenverbandes (DJV) des Saarlands, von Rheinland-Pfalz,
Baden-Württemberg und Thüringen angehören; seit 1987 alle zwei bis drei
Jahre Verleihung des »Siebenpfeiffer-Preises
an Journalisten, „die durch Veröffentlichungen in Presse, Rundfunk und
Fernsehen das demokratische Bewusstsein in unserer Zeit fördern.“ (Siebenpfeiffer-Stiftung);
bisherige Preisträger u. a.: Franz Alt (1987), Ralf Giordano (1994),
Carola Stern (1997), Heribert Prantl (1999), Peter Scholl-Latour (2003)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
12.10.2023