docx-Download -
pdf-Download
Es lebe die Freiheit, es lebe Deutschland!
»Der Volksfreund« zum Hambacher Fest (1832)
(Auszüge)
"Schon am Abend des 26. Mai war
»Neustadt an der Hardt
von nahen und fernen Besuchern des Festes besetzt, und in allen
Straßenrichtungen bewegte sich Fuhrwerk mit Gästen herbei. Aus allen
Gasthöfen der Stadt schallten Freiheils-Melodien. Auf dem
Schießhaus versammelte sich an diesem Abend eine große und auserlesene
Gesellschaft. Börne, Wirth waren da und andere, die sich als
deutsche Volksfreunde auf dem rechten und linken Rheinufer einen Namen
gemacht haben. Den größten Teil bildete jene kräftige Jugend, auf die
sich, wenn Zeiten kriegerischen Handelns kommen, ein Land vor Allem
verlassen kann, und ihre Gesänge donnerten bald empor. Hier war es, wo der
Sturm der Begeisterung aufbrauste, der durch diese Tage geweht hat, hier
wurde gleichsam das Vorfest gefeiert, hier kam die Deputation der
Straßburger Nationalgarde, im Namen der Gesellschaft der
Vaterlandsfreunde Frankreichs an die Vaterlandsfreunde Deutschlands, und
brachte eine Adresse voll der feierlichsten Zusicherungen zum Bunde auf
Leben und Tod [...]

Für größere Ansicht bitte an*klicken*tippen!
Der frühe Morgen des 27. Mai sah schon die Straßen Neustadts belebt, die
wogende Menschenmenge wuchs von Minute zu Minute. Wagen, vollbesetzt von
Männern und Frauen aller Stände, mit Girlanden, Blumen und Bändern
geschmückt, mit Musik begleitet, mit fliegenden dreifarbigen Fahnen, kamen
aus den verschiedenen Bezirken und Städten Rheinbaierns und von weiter
her. Laut begrüßte jeden Wagen die jubelnde Menge. Um 9 Uhr bewegte sich
der Zug vom Markt weg, die Glocken klangen – nein! Deutschland hat seit
jenen Zeiten, wo es noch ein Deutschland gab, keinen ähnlichen mehr
gesehen! Voran das schwarz-rot-goldene Banner [Zensurlücke] von der
Neustädter Bürgerwehr umgeben, dann ein polnisches Panier in der Mitte des
Neustädter Mädchenvereins, dann der Landrat von Speyer, und so immer von
Strecke zu Strecke wieder eine Fahne mit den Nationalfarben sich erhebend,
den Namen eines einzigen Bezirks tragend; - Feierliche Weisen deutschen
Freiheitsgesanges wogten durch den ungeheuren Zug dahin: -
hundertundfünfzig Heidelberger Studenten, die ohne Pässe in Masse und
ungehindert von der Wache […] die Rheinbrücke überschritten hatten,
nachdem die einzeln kommenden zurückgewiesen worden waren, schlossen den
Zug […]
Als noch ein größerer Teil des Zugs auf dem mäßig steil und in schönen
Windungen dahinziehenden Weg sich bewegte, da lief ein Murmeln durch die
Menge, dann donnerte wie Lawinen der mächtige wiederholte Ruf: Es lebe
die Freiheit, es lebe Deutschland! von der Höhe des Schlosses herab.
Von Kanonenschüssen bebte die Erde, - alle Blicke richteten sich aufwärts
und - Schauer durchrieselte tausend und tausend Herzen, denn auf dem
höchsten Turme des Schlosses wurde in diesem Augenblick die große
schwarz-rot-goldene Fahne aufgerichtet und [Zensurlücke].
Die ersten Reden [...] hielten die rheinbayerischen Journalisten, Wirth
und Siebenpfeiffer. [...]
Im Laufe des schönen Nachmittags entwickelte sich eine nicht unbedeutende
Zahl Talente der Rede aus dem Stegreif; da und dort stand ein Sprecher auf
einem Tische und sammelte einen Haufen Volks um sich [...]
Erst im Laufe des Sonntag-Nachmittags war es, dass ein Mitglied der
Versammlung vorschlug, zur bestimmten Stunde am
bestimmten Orte zu versammeln, um aus den anwesenden Stämmen einen
Ausschuss zu wählen, der berate, was künftig zu tun sei zum Besten des
deutschen Volks; [...] Und so geschah es auch: denn dieser Ausschuss, der
wirklich am andern Morgen in stürmischer Versammlung und unter manchen
Missverständnissen [..:] gewählt wurde und etwa aus einem Dutzend
Mitgliedern aus einem großen Teil der deutschen Bundesstaaten bestand,
löste sich selber nach zweistündiger Beratung unter dem Vorsitz des baierischen Abgeordneten Schüler, der an der Spitze des Pressvereins
steht, wieder auf, indem er sich zu jedem öffentlichen Schritt für
inkompetent erklärte. Als aber diese Männer einander wieder, nur von dem
Bande der Vaterlandsliebe umschlungen, gegenüberstanden, erhoben sie eng
zusammenstehend das zum feierlichen Entschluss unter sich, dass sie
den vaterländischen Pressverein, als das nächste, sicherste, gründlichste
und am meisten schon vorbereitete Mittel der mündlichen und schriftlichen
Belehrung, Aufklärung, Erhebung des Volks als die einzige Basis zur
Erlangung einer vernünftigen, heilbringenden Freiheit, überall wie es
möglich zur Anwendung bringen und bringen lassen wolle; dazu solle sie das
Fest auf Hambach begeistern und dies solle das Resultat desselben
sein. […]
Ohne Zeremonie, ohne Schwur gingen diese Männer wieder auseinander und
noch an diesem Nachmittage verloren sich die meisten ferner wohnenden
Gäste.“
(aus: Der Volksfreund vom 9., 16., und
19. Juni 1832)
docx-Download -
pdf-Download
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
12.10.2023