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Wer sich mit den Auswirkungen des
Fernsehkonsums im
Vorschulalter
auseinandersetzt, muss die Verstehensleistungen berücksichtigen, die
Kinder in bestimmten Phasen ihrer Entwicklung erbringen können.
Selbst wenn diese Zuordnungen etwas zu starr wirken, können sie doch
wichtige Anhaltspunkte liefern. (vgl. auch
Medienschemata)
Auf
»Jean Piaget
(1896-1980) geht die Auffassung zurück, dass Kinder bis zum sechsten
Lebensjahr sich in einem Stadium befinden, in dem ihre Verstehensleistungen
von zwei Elementen hauptsächlich bestimmt sind:
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Sie sind noch zentriert auf die eigene Perspektive ("Egozentrismus").
-
Sie sind in ihrem linearen Denken noch unfähig, einmal vollzogene
Gedankenschritte wieder umzukehren ("Irreversibilität").
Aus diesen und anderen Überlegungen und Studien lassen sich folgende
Erkenntnisse über die Verstehensleistungen von Vorschulkindern
zusammenfassen:
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Bis zum 6. Lebensjahr können Kinder höchstens einen Erzählstrang in
einer Geschichte verfolgen. Komplexe Handlungen in Haupt- und
Nebenhandlungen können sie nicht verstehen.
-
Bis zum 6. Lebensjahr kennen Kinder die Unterschiede zwischen
Fernsehgenres nicht.
-
Kinder zwischen zwei und drei Jahren halten Darstellungen von
Ereignissen im Fernsehen für reale Abbildungen. Dies betrifft sogar
Zeichentrickfiguren.
-
Ältere Vorschulkinder wissen im Allgemeinen, dass Zeichentrickfiguren
nicht real sind, halten aber noch eine Reihe von anderen Sendungsinhalten
für real.
-
Medienakteure werden erst im Grundschulalter als Schauspieler gesehen.
(Personenschema)
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Vorschulkinder erkennen nur einfache emotionale Äußerungen der
Fernsehakteure. Beziehungen werden in einem Gut-und-Böse-Schema
wahrgenommen.
-
Filmische Montagetechniken (Raum-/Zeitsprünge etc.) sind für
Vorschulkinder ohne Aneignung der komplexen "Bildsprache" nicht
nachvollziehbar. (vgl.
Szenenschema)
(vgl.
Six, Ulrike 1998, S.98-100,
Paus-Haase 1999, S.84f.)
Die Presse beschäftigt sich, vor allem im Anschluss an
Gewalttaten von Jugendlichen unter dem vermeintlichen Einfluss mit Medien,
mit Fragen der Medienwirkung und Problemen der Mediennutzung. So hat »Der
Spiegel im Mai 2007 seine Titelstory mit dem Bild eines Kindes, dessen
Pupillen nach offenbar zu ausgiebigem Medienkonsum rechteckig geworden sind,
verziert und die Frage auf dem Cover gestellt. "Wie viel Computer und
Fernsehen verträgt ein Kind?" Im Rahmen des entsprechenden Artikels von
Angela Gatterburg, werden verschiedene Antworten auf diese Frage und die
Ihnen zugrunde liegenden Forschungsansätze referiert.
In diesem Zusammenhang
stellt sie auch die Frage, in welchem Alter Kinder überhaupt in der Lage
sind, Medien nicht nur als Reizquelle zu begreifen, sondern ihre Inhalte zu
erfassen und zu verarbeiten. Die Forschungen des Freiburger
Entwicklungspsychologen Michael Charlton u. a. hätten dazu ergeben,
-
dass Kinder im Säuglingsalter
von sechs bis neun Monaten lernen, etwas mit der Mutter gemeinsam
anzuschauen, da das Baby nun dem Blick eines anderen zu folgen lernt; vom
9. Monat an entwickelt das Kind dazu nach und nach Zuneigungsgesten und
eine brabbelnde Sprache
-
dass sie schnell wechselnde
Bildfolgen, wie z. B. in Baby TV, freilich noch kaum folgen können
-
dass selbst vierjährige Kinder
sich sehr schwer tun, wenn es darum geht, Fernsehwerbung zu verstehen
-
dass Kinder beim Zusehen von
„Kinderformaten“ wie z. B. "Dumbo, der fliegende Elefant“ häufig
weggetreten wirken und den Inhalt nicht verstehen
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dass schon zweijährige Kinder
solche Medien aussuchen, mit denen sie ihre ureigenen Interessen
befriedigen können
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dass Mediennutzung auch das
Medienverständnis der Kinder fördert
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dass es durchaus zu
Entwicklungsrückständen in der Sprachentwicklung kommen kann, wenn Kinder
überhaupt nicht fernsehen dürfen
-
dass Kinder durch die
Mediennutzung an der kulturellen Praxis der Erwachsenen teilhaben und
Wissen erwerben können
(vgl. Der Spiegel, 20/2007, 14.05.07
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