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Selbstdarstellung von Rechtsextremisten im Social Web

JN

Rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien


Auch rechte und rechtspopulistische Parteien haben das Social Web inzwischen als ein äußerst wichtiges Mittel entdeckt, ihre Anhänger zu organisieren und neue Mitglieder zu gewinnen.
Rechte und so genannte rechtspopulistische Parteien stehen sich ideologisch nahe und gehören beide zum rechtsextremen Lager. Dennoch weisen sie einige sehr wichtige Unterschiede auf.

Rechte Parteien, denen man nachsagt, sie seien populistisch (lat. populus = das Volk), versuchen, "das unaufgeklärte Bewusstsein des 'kleinen Mannes' zum Zwecke der Machterhaltung zu missbrauchen. Vorrationale Einstellungen, Ressentiments und Vorurteile werden dabei in Regie genommen und verstärkt. Statt die Ängste und romantisierenden Sehnsüchte im Volk aufzuklären, werden sie als abrufbare Zustimmung für autoritäre Problemlösungen in Bereitschaft gehalten. Das ist die autoritär-populistische 'Anbiederung an das Volk' ".(Drechsler/Hilligen/Neumann 1995, S.648) Diese "Anbiederung an das Volk" ist es auch, was den Begriff umgangssprachlich bestimmt. So versteht auch das Deutsche Universalwörterbuch (2006), das von der DUDEN-Redaktion herausgegeben wird, unter Populismus im politischen Bereich eine "von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen." (i. Orig. kursiv) Als Schlagwort und allgemeiner "politischer Kampfbegriff" (Rensmann 2006, S.59) wird der Begriff aber auch auf einzelne Personen unterschiedlicher politischer Herkunft verwendet, wenn man ihnen ein opportunistisches "Nach-dem-Mund-Reden" und ein manipulatives Appellieren an meist schon vorhandene Ängste unterstellt, mit denen sie eine vordergründige Zustimmung zu den von ihnen verfolgten Zwecken erheischen wollen. In der Sozialwissenschaft existieren darüber hinaus noch weitere Definitionen zum Begriff »Populismus.
Der Rechtspopulismus stellt auf politischer Ebene eine in etlichen Ländern Europas vorhandene politische Strömung dar. Sie ist Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts im westeuropäischen Raum entstanden und hat sich seitdem auch in Osteuropa ausgebreitet. "Die Vertreter dieser Strömung verbinden zugespitzte Positionen der politischen Rechten mit einem Bekenntnis zur Demokratie und wenden sich in populistischer Manier etwa gegen Zuwanderer, die »Europäische Union und die etablierten Parteien. Stattdessen fordern sie unter anderem eine leistungsorientierte Gesellschaftsordnung, ein Bekenntnis zum Christlichen Abendland" und nationaler Kultur, häufig verbunden mit »Islamfeindlichkeit und der Forderung einer Law-and-Order-Politik' gegen für die eigene Nation als schädlich oder bedrohlich wahrgenommene Personen und Organisationen und als zu liberal und unflexibel wahrgenommene bestehende Strukturen in Staat, Verwaltung und politischen Entscheidungsprozessen." (Wikipedia, 20.10.12)
Als Sprachrohr des "kleinen Mannes" oder der schweigenden Mehrheit geben sich die Rechtspopulisten gerne als ihre Verteidiger und richten sich gegen jene, die z. B. als Migranten nach Deutschland kommen und der deutschen Bevölkerung gegenüber angeblich in vielerlei Hinsicht bevorzugt behandelt würden. Daran wird ersichtlich, was den gemeinsamen Kern rechtspopulistischer Politik ausmacht, nämlich die Konstruktion einer bedrohten Gemeinschaft als Identitätsplattform. (vgl. Becker/Reddig 2004, S.174) Ihre Politik richtet sich "gegen die da oben", gegen die Obrigkeit und das politische Establishment und gegen Minderheiten (Stichworte: »Überfremdung, »Ethnopluralismus,  »Kulturalismus, »kulturalistisches Weltbild, etc.) tritt ein für eine »Politik des Law and order und macht, je nach Interessenlage gegen die Globalisierung und »neoliberalistische Wirtschaftskonzepte (Stichwort: »Wohlstandschauvinismus) Front.
Trotz vielfacher Gemeinsamkeiten gibt es keine alle Spielarten umfassende und in sich geschlossene Ideologie des Rechtspopulismus. Das liegt vor allem daran, dass sich der Rechtspopulismus an allem bedient, was ihm ins Konzept passt. Da scheut man sich auch nicht, einander widersprechende Elemente miteinander zu verknüpfen, solange damit erfolgreich Stimmung gemacht und das Bedrohungsszenario aufrecht erhalten werden kann. Auch aus diesem Grunde findet man bei den Rechtspopulisten nicht immer ein Programm, das einen ja auf bestimmte Positionen festlegen müsste. Da operiert man lieber mit dekontextualisierten Einzelproblemen, die ganz im Stil der rechtsextremen Infokrieger dann auf Verschwörungen gegen das Volk zurückgeführt werden. Mit seiner "Sündenbockstrategie", die vor allem soziale Randgruppen der Gesellschaft für bestehende Probleme verantwortlich macht, zielt der rechte Populismus, wie Anton Pelinka (2002) meint, vor allem auf die so genannten »Modernisierungsverlierer. Das sind Menschen aus allen möglichen Gesellschaftsschichten, die sich als Verlierer des Strukturwandels und der davon bestimmten Modernisierungsprozesse sowie der Globalisierung ansehen. Kein Wunder daher, dass die verbreitete Angst dieser Zielgruppe vor einem gesellschaftlichen Abstieg, einer Deklassierung, die viele Menschen auch an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Existenz führt, ebenso ein idealer Nährboden für rechtspopulistische Vorstellungen sind, wie ihre verständliche Sehnsucht nach sozialer Stabilität, die von den »Law-and-Order'-Konzepten der Rechtspopulisten aufgefangen wird.

Rechtextreme Parteien folgen im Gegensatz zu den Rechtspopulisten meistens einem klar völkischen Rassismus (Rechtspopulisten: »Ethnopluralismus,  »Kulturalismus, »kulturalistisches Weltbild). Anders als die Rechtspopulisten lehnen sie die pluralistische Gesellschaft, die Demokratie und vieles mehr rundum ab. Antisemitismus ist einer der zentralen Bestandteile ihrer Ideologie, der sie ein mehr oder weniger konsistentes Aussehen geben wollen. Als Vertreter der "wahren Lehre" haben sie auch oft nicht viel übrig für das Konglomerat von Anschauungen der Rechtspopulisten, die, wenn es ihnen opportun erscheint, auch einmal Anleihen beim politischen Gegner oder dem "verhassten System" nehmen, um zum Erfolg zu kommen. Die Politik und Programmatik von rechtsextremen, neofaschistisch und revisionistisch orientierten rechten Parteien wie der NDP weisen in unterschiedlicher Zusammensatzung und Gewichtung alle jene Elemente und Einstellungen auf, die den politischen Extremismus der Rechten im Allgemeinen kennzeichnen.

Mit professionellen "Fanpages" bei Facebook haben sich die rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien seit geraumer Zeit daran gemacht, ihre Mitglieder zu betreuen und neue Mitglieder anzuwerben. Die NPD unterhält dazu ein ganzes Netzwerk von Profilen von Funktionären/innen und untergeordneten Parteigliederungen und "nutzt alle Möglichkeiten des Netzwerkes.“
Dabei geben sich auch NPD-Funktionäre in ihren Profilen betont "bürgerlich" und integer, was ihr Umgang mit den Privatsphäre-Einstellungen – möglichst alles offen und von jedermann einsehbar – dokumentieren soll. (vgl. Baldauf 2011c. S. 13) Profilbilder von Funktionären und erklärten Anhängern dieser Gruppierungen zeigen diese mit den typischen Abzeichen und Insignien der Szene bzw. Partei, der sie angehören. Häufig ist das NPD-Logo darauf oder den Pfeil auf rotem Grund der JN (= Junge Nationale). Ebenso findet man die durchgestrichene Moschee als Zeichen der so genannten "Pro-Bewegung" oder ein weißes F auf blauem Grund, das Zeichen der "Freiheit". Mit Zitaten, die aus dem Kontext gerissen, werden, sollen dem ganzen Profil noch völlig unverdächtige philosophische Weihen gegeben werden (z. B. Plato: "Wenn die Guten nicht kämpfen, werden die schlechten siegen.")
Ohne offen rassistische oder antisemitische Statements soll mit diesem "Saubermann“-Image die vielfach belegte Unterstützung der Partei für rechtsextremistische Gewalttaten und volksverhetzende Inszenierungen kaschiert und damit die kommunikative Reichweite erhöht werden. Dabei stehen fotografische Inszenierungen bei der Imagebildung und –pflege an erster Stelle, denn auch die Rechtsextremisten wissen, dass Bilder oft mehr als tausend Worte sagen. Und wo jedes zu viel und unbedacht gesprochene Wort die anvisierte bürgerliche "Mitte" eben erschrecken könnte, tun in die Timeline montierte Fotografien, von einem Oktoberfestbesuch in netter Gesellschaft, dem Spielen mit Kindern oder von viele anderen familiäre Nettigkeiten ihr Bestes dazu, das Bild eines vertrauenswürdigen Saubermanns zu erzeugen. Und manchmal ist es auch das Bild, das den "verräterischen" Ton der Sprache mildern soll, wenn z. B. wie Fall einer mehr oder weniger klar betitelten "Multikulti-Hassgruppe" das Foto einer überaus glücklichen Familie, Aufforderungen zum Kampf gegen Multikulti in gewisser Weise entschärft oder, auch das ist natürlich nicht auszuschließen, sogar verstärkt. Es lohnt sich offenbar, wenn man sich, wie dies der NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel auf Facebook tut, schon mal "mit seiner pausbäckigen blonden Frau und den drei kleinen Kindern" zeigt, als vorbildlichen Familienvater in häuslicher Umgebung, während er draußen in der harten und rauen Wirklichkeit, den Hardcore-Rassisten, Antisemiten und Demokratiehasser gibt. (vgl. ebd., S.17, vgl. Speit 2008, S.172f.)
Wenn die eigenen Anhänger, wie im Fall des NPD-Pressesprechers Frank Franz, darüber abstimmen dürfen, welches Profilfoto auf seinem Facebook-Account erscheinen soll, dann ist das nicht nur eine Taktik, die eigenen Anhänger an sich zu binden, sondern auch die Verfolgung einer ganz modernen Marketingstrategie zu Propagandazwecken, welche die Pflege einer Marke in die Hände der Userinnen und User selbst legt. Dem entspricht auch die Strategie, auf Facebook mit "Fanpages" und Facebook-Gruppen immer wieder "gesellschaftliche Aufregungs-Themen" zu besetzen, zu der sich alle möglichen Nutzer mit dem einfachen Betätigen des Like-Buttons in Beziehung setzen und an den rechten Newsstream zum Thema andocken können. Themen, die auch in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden und häufig schon von sich aus einen gewissen Appellcharakter haben, machen die Erfolgsgeschichte dieses Vorgehens deutlich. Lauten sie nun "Es ist bereits Fünf vor Zwölf!!! Hört endlich auf mit dem Multikulti-Wahn!", "Stopp Kinderschänder" oder "Raus aus dem Euro", immer dienen sie neben der internen Abstimmung auch der Gewinnung neuer Anhänger, die sich offen vorgetragener rechtsextremistischer Agitation als wenig empfänglich zeigen. (vgl. Baldauf 2011b, S. 11-13)

Gert Egle, www.teachsam.de, 09.10.2012, zuletzt bearbeitet am: 21.12.2013

 

 


   Arbeitsanregungen:

  1. Arbeiten Sie heraus, worin sich die rechtspopulistischen von den rechtsextremen Parteien unterscheiden.

  2. Zeigen Sie, wie rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien in sozialen Netzwerken agieren. inwiefern verfolgen sie eine Doppelstrategie?
     

 

 

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