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Karl Frenzel (1827-1914) äußerte sich in einem
Überblicks-Artikel der Deutschen Rundschau (1881) über Ibsens Drama:
"Was will er mit seiner »Nora« beweisen? Daß die Gesetze, die
jede Urkundenfälschung bestrafen ungerecht sind? Welch' eine
Thorheit! Das Gesetz ist durchaus in seinem Recht und die Strafe von
einem oder von acht Tagen Gefängniß, zu der Nora Helmer verurtheilt
werden würde, ohne den geringsten Schaden an ihrer Ehre zu nehmen,
da jeder Richter hervorheben würde, daß sie nur formell gefehlt hat,
steht in keinem Verhältniß zu den Folterqualen, die Nora und wir
durch drei Acte erleiden müssen: Alles in Erwartung der
fürchterlichen Entscheidung! Wehrt der Dichter aber diese Erklärung
ab und behauptet, er habe in Nora eine große, unverstandene
Frauenseele, das innere Unglück einer dem äußeren Schein nach
glücklichen Ehe zeigen wollen, so hat er sich durchaus in dem
Eindruck getäuscht, den ich von seiner Nora empfange.
[...] Und dies Verlassen ihres Mannes, ihrer unerwachsenen Kinder
soll nicht unsittlich, soll tragisch sein? [...] Ibsens Nora stellt
den Begriff der Pflicht einfach auf den Kopf; während sie die
verkörperte Eigensucht ist, hält sie sich für die verkörperte
hingebende Liebe- Den schlimmsten Fehler aber finde ich, daß die
zwei Seiten, aus denen Nora's Natur besteht, sich nicht
zusammenreimen lassen. Wer so denkt und redet, wie die Nora der
letzten Scene, tänzelt und ruschelt und spielt nicht das Kätzchen,
wie die Nora der ersten. Mögich, daß unser Dichter ein Modell zu
seiner Nora kennt, aber er hat nichts gethan, um ihr Abbild auf der
Bühne, im Rahmen der DIchtung, wahrscheinlich zu machen." (aus: Karl
Frenzel, Die Berliner Theater, in: Deutsche Rundschau (26) 19881,
S.308f., zit. n.:
Keel 1990, S.51)
Hugo Wittman (geb. 1839) rezensierte die österreichische
Erstaufführung im September 1881 in der Neuen Freien Presse, dem
liberalen "Weltblatt" Wiens, die Aufführung des Stücks mit den
Worten:
"Wir haben im Laufe der Zeit viel mißrathene Frauengestalten über
die Bühne hinken sehen, aber eine so unausstehlich verschrobene und
geistig verkrüppelte Person wie diese Nora des norwegischen Dichters
ist uns selten vorgekommen. Bei anderen Mißgeburten kann man
wenigstens errathen, was ihr unglückseliger Erzeuger eigentlich
gemeint hat. die dramatische Absicht schlägt durch, wenn auch die
dramatische Kunst versagt. Die arme Nora aber lässt vollständig im
Unklaren, ob wir in ihr eine Verschwenderin oder eine
haushälterische Frau, ein leichtsinniges Ding oder die Tugend
selber, eine Puppe oder eine Heldin zu sehen haben. in Gewebe von
Unmöglichkeiten und Unwahrheiten spinnt sich um dieses in das Nichts
puffende Räthsel [...] (zit. n.
Keel 1990, S.53)
Dieses Werk ([Aufführungskritiken von Karl Frenzel (1881) und Hugo Wittmann (1881) zu Ibsens "Nora" ], von
Karl Frenzel, Hugo Wittmann), das durch Gert Egle gekennzeichnet wurde, unterliegt keinen bekannten urheberrechtlichen Beschränkungen.
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
04.03.2024