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Szenenschema
• Szenenüberblick 2. Akt
• Text: Zweiter Akt
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Gesamttext
/Recherche/Leseversion)
Zweiter
Akt
Erste
Szene
[2.1.1] FRANZ VON MOOR (nachdenkend in
seinem Zimmer). Es dauert mir zu lange - der Doktor will, er sei im Umkehren
- das Leben eines Alten ist eine Ewigkeit! - Und nun wär freie, ebene Bahn bis
auf diesen ärgerlichen zähen Klumpen Fleisch, der mir, gleich dem unterirdischen
Zauberhund in den Geistermärchen, den Weg zu meinen Schätzen verrammelt.
Müssen denn aber meine Entwürfe sich unter das eiserne Joch des Mechanismus
beugen? - Soll sich mein hochfliegender Geist an den Schneckengang der
Materie ketten lassen? - Ein Licht ausgeblasen, das ohnehin nur mit den
letzten Öltropfen noch wuchert - mehr ists nicht - Und doch möcht' ich das nicht
gern selbst getan haben, um der Leute willen. Ich möchte ihn nicht gern getötet,
aber abgelebt. Ich möcht' es machen wie der gescheite Arzt, nur umgekehrt. -
Nicht der Natur durch einen Querstreich den Weg verrannt, sondern sie in ihrem
eigenen Gange befördert. Und wir vermögen doch wirklich die Bedingungen des
Lebens zu verlängern, warum sollten wir sie nicht auch verkürzen können?
Philosophen und Mediziner lehren mich, wie treffend die Stimmungen des Geists
mit den Bewegungen der Maschine zusammenlauten. Gichtrische Empfindungen werden
jederzeit von einer Dissonanz der mechanischen Schwingungen begleitet -
Leidenschaften misshandeln die Lebenskraft - der überladene Geist drückt
sein Gehäuse zu Boden - Wie denn nun? - Wer es verstünde, dem Tod diesen
ungebahnten Weg in das Schloss des Lebens zu ebenen? - den Körper vom Geist aus
zu verderben - ha! ein Originalwerk! - wer das zustand brächte? - Ein Werk ohne
Gleichen! - Sinne nach, Moor! - Das wär eine Kunst, dies verdiente, dich zum
Erfinder zu haben. Hat man doch die Giftmischerei beinahe in den Rang einer
ordentlichen Wissenschaft erhoben und die Natur durch Experimente gezwungen ihre
Schranken anzugeben, dass man nunmehr des Herzens Schläge jahrlang vorausrechnet
und zu dem Pulse spricht: bis hieher und nicht weiter!1
- Wer sollte nicht auch hier seine Flügel versuchen?
Und wie ich nun werde zu Werk gehen müssen, diese süße, friedliche Eintracht der
Seele mit ihrem Leibe zu stören? Welche Gattung von Empfindnissen ich werde
wählen müssen? Welche wohl den Flor des Lebens am grimmigsten anfeinden? Zorn?
- dieser heißhungrige Wolf frisst sich zu schnell satt - Sorge? - dieser
Wurm nagt mir zu langsam - Gram? - diese Natter schleicht mir zu träge -
Furcht? - die Hoffnung lässt sich nicht umgreifen - was? sind das all die
Henker des Menschen? - Ist das Arsenal des Todes so bald erschöpft? - (Tiefsinnend.)
Wie? - Nun? - Was? Nein! - Ha! (Auffahrend.) Schreck! - Was kann
der Schreck nicht? - Was kann Vernunft, Religion wider dieses Giganten eiskalte
Umarmung? - Und doch? - Wenn er auch diesem Sturm stünde? - Wenn er? - O so
komme du mir zu Hilfe Jammer, und du Reue, höllische Eumenide,
grabende Schlange, die ihren Fraß wiederkäut und ihren eigenen Kot wieder
frisst; ewige Zerstörerinnen und ewige Schöpferinnen eures Giftes! und du,
heulende Selbstverklagung, die du dein eigen Haus verwüstest und deine
eigene Mutter verwundest - Und kommt auch ihr mir zu Hilfe wohltätige Grazien
selbst, sanftlächelnde Vergangenheit, und du mit dem überquellenden
Füllhorn blühende Zukunft, haltet ihm in euren Spiegeln die Freuden des
Himmels vor, wenn euer fliehender Fuß seinen geizigen Armen entgleitet - So
fall' ich Streich auf Streich, Sturm auf Sturm, dieses zerbrechliche Leben an,
bis den Furientrupp zuletzt schließt - die Verzweiflung! Triumph!
Triumph! - Der Plan ist fertig - schwer und kunstvoll wie keiner - zuverlässig -
sicher - denn (spöttisch) des Zergliederers Messer findet ja keine Spuren
von Wunde oder korrosivischem Gift.
(Entschlossen.) Wohlan denn!
[2.1.2 ] (Hermann tritt auf.) Ha! Deus
ex machina! Hermann!
HERMANN. Zu Euren Diensten,
gnädiger Junker!
FRANZ (gibt ihm die Hand). Die du
keinem Undankbaren erweisest.
HERMANN. Ich hab Proben davon.
FRANZ. Du sollst mehr haben mit
nächstem - mit nächstem, Hermann! - Ich habe dir etwas zu sagen, Hermann.
HERMANN. Ich höre mit tausend
Ohren.
FRANZ. Ich kenne dich, du bist
ein entschlossner Kerl - Soldatenherz - Haar auf der Zunge! - Mein Vater hat
dich sehr beleidigt, Hermann!
HERMANN. Der Teufel hole mich,
wenn ich's vergesse!
FRANZ. Das ist der Ton eines
Mannes! Rache geziemt einer männlichen Brust. Du gefällst mir, Hermann. Nimm
diesen Beutel, Hermann. Er sollte schwerer sein, wenn ich erst Herr wäre.
HERMANN. Das ist ja mein ewiger
Wunsch, gnädiger Junker; ich dank' Euch.
FRANZ. Wirklich, Hermann?
wünschest du wirklich, ich wäre Herr? - aber mein Vater hat das Mark eines
Löwen, und ich bin der jüngere Sohn.
HERMANN. Ich wollt', Ihr wär't
der ältere Sohn, und Euer Vater hätte das Mark eines schwindsüchtigen Mädchens.
FRANZ. Ha! wie dich der ältere
Sohn dann belohnen wollte! wie er dich aus diesem unedlen Staub, der sich so
wenig mit deinem Geist und Adel verträgt, ans Licht emporheben wollte! - Dann
solltest du, ganz wie du da bist, mit Gold überzogen werden und mit vier Pferden
durch die Straßen dahinrasseln, wahrhaftig! das solltest du! - Aber ich
vergesse, wovon ich dir sagen wollte - hast du das Fräulein von Edelreich schon
vergessen, Hermann?
HERMANN. Wetter Element! was
erinnert Ihr mich an das?
FRANZ. Mein Bruder hat sie dir
weggefischt.
HERMANN. Er soll dafür büßen!
FRANZ. Sie gab dir einen Korb.
Ich glaube gar, er warf dich die Treppen hinunter.
HERMANN. Ich will ihn dafür in
die Hölle stoßen.
FRANZ. Er sagte: man raune sich
einander ins Ohr, du seist zwischen dem Rindfleisch und Meerrettich gemacht
worden, und dein Vater habe dich nie ansehen können, ohne an die Brust zu
schlagen und zu seufzen: Gott sei mir Sünder gnädig!
HERMANN (wild). Blitz,
Donner und Hagel, seid still!
FRANZ. Er riet dir, deinen
Adelbrief im Aufstreich zu verkaufen und deine Strümpfe damit flicken zu lassen.
HERMANN. Alle Teufel! ich will
ihm die Augen mit den Nägeln auskratzen.
FRANZ. Was? du wirst böse? was
kannst du böse auf ihn sein? was kannst du ihm Böses tun? was kann so eine Ratze
gegen einen Löwen? Dein Zorn versüßt ihm seinen Triumph nur. Du kannst nichts
tun, als deine Zähne zusammenschlagen und deine Wut an trocknem Brote auslassen.
HERMANN (stampft auf den Boden).
Ich will ihn zu Staub zerreiben.
FRANZ (klopft ihm auf die
Achsel). Pfui, Hermann! du bist ein Kavalier. Du musst den Schimpf nicht auf
dir sitzen lassen. Du musst das Fräulein nicht fahren lassen, nein, das musst du
um alle Welt nicht tun, Hermann! Hagel und Wetter! ich würde das Äußerste
versuchen, wenn ich an deiner Stelle wäre.
HERMANN. Ich ruhe nicht, bis ich
ihn und ihn unterm Boden hab.
FRANZ. Nicht so stürmisch,
Hermann! Komm näher - du sollst Amalia haben.
HERMANN. Das muss ich, trutz dem
Teufel! das muss ich!
FRANZ. Du sollst sie haben, sag
ich dir, und das von meiner Hand. Komm näher, sag ich - du weißt vielleicht
nicht, dass Karl so gut als enterbt ist?
HERMANN (näher kommend).
Unbegreiflich! das erste Wort, das ich höre.
FRANZ. Sei ruhig und höre weiter!
du sollst ein andermal mehr davon hören - ja ich sage dir,
seit elf Monaten so
gut als verbannt. Aber schon bereut der Alte den voreiligen Schritt, den er
doch, (lachend) will ich hoffen, nicht selbst getan hat. Auch liegt ihm
die Edelreich täglich hart an mit ihren Vorwürfen und Klagen. Über kurz oder
lang wird er ihn in allen vier Enden der Welt aufsuchen lassen, und gute Nacht,
Hermann! wenn er ihn findet. Du kannst ihm ganz demütig die Kutsche halten, wenn
er mit ihr in die Kirche zur Trauung fährt.
HERMANN. Ich will ihn am Kruzifix
erwürgen.
FRANZ. Der Vater wird ihm bald
die Herrschaft abtreten und in Ruhe auf seinen Schlössern leben. Jetzt hat der
stolze Strudelkopf den Zügel in Händen, jetzt lacht er seiner Hasser und Neider
- und ich, der ich dich zu einem wichtigen großen Mann machen wollte, ich
selbst, Hermann, werde tiefgebückt vor seiner Türschwelle -
HERMANN (in Hitze). Nein,
so wahr ich Hermann heiße, das sollt Ihr nicht! wenn noch ein Fünkchen Verstand
in diesem Gehirne glostet, das sollt Ihr nicht!
FRANZ. Wirst du das hindern? Auch
dich, mein lieber Hermann, wird er seine Geißel fühlen lassen, wird dir ins
Angesicht speien, wenn du ihm auf der Straße begegnest, und wehe dir dann, wenn
du die Achsel zuckst oder das Maul krümmst - siehe, so stehts mit deiner
Anwerbung ums Fräulein, mit deinen Aussichten, mit deinen Entwürfen.
HERMANN. Sagt mir, was soll ich
tun?
FRANZ. Höre denn, Hermann, dass
du siehst, wie ich mir dein Schicksal zu Herzen nehme als ein redlicher Freund -
geh - kleide dich um - mach dich ganz unkenntlich, lass dich beim Alten melden,
gib vor, du kämest geraden Wegs aus Böhmen, hättest mit meinem Bruder dem
Treffen bei Prag beigewohnt - hättest ihn auf der Walstatt den Geist aufgeben
sehen -
HERMANN. Wird man mir glauben?
FRANZ. Hoho! dafür lass mich
sorgen! Nimm dieses Paket. Hier findest du deine Kommission ausführlich. Und
Dokumente dazu, die den Zweifel selbst glaubig machen sollen - Mach jetzt nur,
dass du fortkommst, und ungesehen! Spring durch die Hintertüre in den Hof, von
da über die Gartenmauer - die Katastrophe dieser Tragikomödie überlass mir!
HERMANN. Und die wird sein: Vivat
der neue Herr, Franciskus von Moor!
FRANZ (streichelt ihm die
Backen). Wie schlau du bist? - denn siehst du, auf diese Art erreichen wir
alle Zwecke zumal und bald. Amalia gibt ihre Hoffnung auf ihn auf. Der Alte
misst sich den Tod seines Sohnes bei, und - er kränkelt - ein schwankendes
Gebäude braucht des Erdbebens nicht, um übern Haufen zu fallen - er wird die
Nachricht nicht überleben - dann bin ich sein einziger Sohn - Amalia hat ihre
Stützen verloren und ist ein Spiel meines Willens - da kannst du leicht denken -
kurz, alles geht nach Wunsch - aber du musst dein Wort nicht zurücknehmen.
HERMANN. Was sagt ihr? (Frohlockend.)
Eh soll die Kugel in ihren Lauf zurückkehren und in dem Eingeweid ihres Schützen
wüten - rechnet auf mich! Lasst nur mich machen - Adieu!
FRANZ (ihm nachrufend).
Die Ernte ist dein, lieber Hermann! - Wenn der Ochse den Kornwagen in die
Scheune gezogen hat, so muss er mit Heu vorlieb nehmen. Dir eine Stallmagd, und
keine Amalia! (Geht ab.)
1Eine
Frau in Paris soll es durch ordentlich angestellte Versuche mit Giftpulver so
weit gebracht haben, dass sie den entfernten Todestag mit ziemlicher
Zuverlässigkeit voraus bestimmen konnte. Pfui über unsere Ärzte, die diese Frau
im Prognostizieren beschämt!
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/Recherche/Leseversion)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
14.11.2023