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Hinführung: Der
mittellose Student Raskolnikow sucht in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts in St. Petersburg eine Pfandleiherin auf, um
herauszufinden, wann die beste Gelegenheit ist, die alte Frau zu
ermorden. |
"Was wünschen Sie?" fragte die Alte in scharfem
Ton, nachdem sie ins Zimmer getreten war und, wie vorher, sich gerade vor
ihn hingestellt hatte, um ihm genau ins Gesicht blicken zu können.
"Ich bringe ein Stück zum Verpfänden. Da ist es!"
Er zog eine alte, flache silberne Uhr aus der Tasche. Auf dem hinteren
Deckel war ein Globus dargestellt. Die Kette war von Stahl.
"Das frühere Pfand ist auch schon verfallen. Vorgestern war der Monat
abgelaufen."
"Ich will ihnen für noch einen Monat Zinsen zahlen. Haben Sie noch
Geduld."
"Es ist bei mir, Väterchen, ob ich mich noch gedulden oder Ihr Pfand
jetzt verkaufen will."
"Was geben Sie mir auf die Uhr, Aljona Iwanowna?"
"Sie kommen immer nur mit solchen Trödelsachen, Väterchen. Die hat ja
so gut wie gar keinen Wert. Auf den Ring habe ich Ihnen das vorige Mal
zwei Scheinchen gegeben; aber man kann ihn beim Juwelier für anderthalb
Rubel neu kaufen."
"Geben Sie mir auf die Uhr vier Rubel; ich löse sie wieder aus; es ist
ein Erbstück von meinem Vater. Ich bekomme nächstens Geld."
"Anderthalb Rubel, und die Zinsen vorweg, wenn es Ihnen so recht
ist." "Anderthalb Rubel!" rief der junge Mann.
"Ganz nach Ihrem Belieben!"
Mit diesen Worten hielt ihm die Alte die Uhr wieder hin. Der junge Mann
nahm sie und war so ergrimmt, dass er schon im Begriff stand wegzugehen;
aber er besann sich noch schnell eines andern, da ihm einfiel, dass er an
keine andre Stelle gehen konnte und dass er auch noch zu einem andern
Zweck gekommen war.
"Nun, dann geben Sie her!" sagte er in grobem Ton. (S.12 f.)
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Hinführung:
Raskolnikow hat seine Schuld im Strafprozess gestanden und damit
seinen Seelenfrieden gefunden. |
"Alles dies diente als starke Stütze für die
Schlussfolgerung, dass
Raskolnikow mit einem gewöhnlichen Mörder, Räuber und Dieb
nicht auf eine Stufe gestellt werden könne, sondern dass hier denn doch
etwas anderes vorliege. Zum größten Verdruss derjenigen, die diese
Ansicht vertraten, machte der Verbrecher selbst so gut wie gar keinen
Versuch sich zu verteidigen; auf die ausdrückliche Frage, was ihn denn
eigentlich zu dem Mord und dem Raub veranlasst habe, antwortete er mit größter Klarheit und überraschender Offenheit, die
Ursache seiner ganzen Handlungsweise
sei
seine üble Lage gewesen, seine völlige Armut und
Hilflosigkeit und der Wunsch, sich die ersten Schritte auf seiner Laufbahn
mit Hilfe von wenigstens dreitausend Rubeln zu ermöglichen, die er bei
der Getöteten zu finden gehofft habe. Den Entschluss zum Mord habe er
infolge seines leichtsinnigen, kleinmütigen Charakters gefasst; überdies
habe er sich auch noch infolge von Entbehrungen und Misserfolgen in
gereizter Stimmung befunden. Und auf die Frage, was ihn denn zu der
Selbstanzeige bewogen habe, erwiderte er offen, dass dies eine Wirkung
aufrichtiger Reue gewesen sei.
Das alles machte schon beinahe den Eindruck allzu großer
Derbheit.
Das Urteil fiel milder aus, als nach der Schwere des verübten Verbrechens
eigentlich zu erwarten gewesen war... (S. 780)
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