»Simon
Dach (1605-1659) gehörte in seiner Geburtstadt
Königsberg,
in der in seiner Jugend in die
Domschule
gegangen war und später erst als Professor für Dichtkunst (1639) dann als
Rektor an der örtlichen
Albertus-Universität (1656) tätig war, zu einem Dichterkreis, der sich
die
Kürbishütte (Gesellschaft
der Sterblichkeit Beflissener)
nannte und sich zehn Jahre klang in der Hütte im Garten seines Freundes, des
Komponisten und Dichters
Heinrich Albert (1604-1651) traf, wo man gemeinsam musizierte und sich
Gedichte vortrug. Der Kürbis als Symbol der Vergänglichkeit (im Sommer
wächst er zu einer beachtlichen Größe, zerfällt aber im Herbst wieder) weist
in seiner Schönheit auf das Ende hin. (vgl.
Niefanger 32012,
S,142)
Diese Betonung der Vergänglichkeit hatte im Königsberg zu Zeiten Dachs
sicher auch den Hintergrund, dass in der Stadt im 17. Jahrhundert die Pest
gleich mehrfach gewütet hat. Dies war wohl auch der Grund dafür, das die
Lieder und Gelegenheitsgedichte (Casulacarmina)
der Kürbishütte sich oft um den Tod und seine Bedeutung drehten. Zudem
entsprach dies auch dem Bedürfnis vieler, die sich eine solche
Auftragsdichtung leisten konnten, die Beerdigungen ihrer Verstorben so zu
gestalten, dass das Sozialprestige der weiter lebenden Angehörigen in einem
Trauerfall sogar gesteigert werden konnte. So zog der Glaube an ein besseres
Jenseits eine soziale Praxis nach sich, bei der Beerdigungen namhafter
Bürgerinnen und Bürger angemessen, d. h. mit Gedichten feierlich begleitet,
ja dekoriert wurden. Für Gelegenheitsdichter wie Simon Dach war dies wohl
als ein "Glücksfall", weil ihm die Gelegenheitsgedichte, die immer populärer
wurden, ein Zusatzeinkommen einbrachte, vom den andere Dichter der Zeit nur
träumen konnten. Seine fast in Serie gehende Lyrikproduktion - er soll bis
zu vier Aufträge für Gelegenheitsgedichte pro Woche abgearbeitet haben,
begleiteten Bürger und auch Adelige von der Wiege bis zur Bahre mit
den von seiner gut betuchten Klientel in Auftrag gegebenen
Gelegenheitsgedichten (vgl.
Meid 2008, S.9)
Etliche der 1200 aus der Zeit von 1638 bis 1658 stammenden und bekannten
Einzeldrucke wurden von seinem Freund
Heinrich Albert (1604-1651) vertont und
sind, mit dem wohl bekanntesten Lied "Phyllis, O mein Liecht" heute noch auf
verschiedenen Musikproduktionen zu finden.
Im Text dieser Druckausgabe werden die Umlaute ä, ö, ü mit übergestelltem
e dargestellt.
Simon
Dach (1605-1659)
Christliches Ehrengedächtnis ... (1659)
Chriſtliches Ehrengedachtnis
Dem weiland Ehrenveſten Vornehmgeach-
ten und Kunſtreichen
Hn: Heinrich Dechant
Churfl. Brandenb. privilegirten Apo-
thecker in dem Kneiphoff Koͤnigsberg.
Welcher/ nach dem er gelebet
in dieſer Welt 40. Jahr ſieben Monat
1659. 3. Newjahrsmonat ſanfft und ſelig eingeſchlaf-
fen/ und den 10. bald darauff in dem Thum allhie/
ſeinem RhuKaͤmmerlein der Erden Chriſtlich
und ehrlich eingebracht worden.
Die Hochbetruͤbte Fraw Witwe und
andere Leidtragende zu troͤſten
Geſchrieben
Simon Dach.
WEm GOtt in
dieſem Leben/
So lang es wehren kan/
Geſundheit hat gegeben/
Wie wol iſt der daran.
Nur dieſer weis zu ſagen/
Er leb' in dieſer Welt.
Haupt Lunge Leber Magen
Sind wol bey ihm beſtelt.
Er geht in grawen Haaren
Sein Haͤupt gleicht einem Schnee/
Jſt ſchon von ſechzig Jahren/
Kein Finger thut ihm weh/
Er iſt von zehnmal ſieben/
Man ſieht es ihm kaum an/
Vnd wird von Luſt getrieben
Trotz einem jungen Mann.
Da offtmals
junge Leute/
Kaum zehlen ihre Noht/
Sind aller Kranckheit Beute
Vnd lebendig faſt tod:
Hie ſchmeckt nicht tranck noch eſſen/
Vom Schlamm wird hie o Pein!
Stets Lung und Haupt beſeſſen/
Die Nieren von dem Stein.
Herr Dechant iſt geſchieden
Hin in die wahre Raſt/
Was war auch ihm hie nieden
Die Kranckheit nicht fuͤr Laſt!
Nur ſeyn von vierzig Jahren
Von Siechheit offt beſchwert
Bald Todes gar verfahren
Dieß iſt wol klagens wehrt.
Die ſchoͤnen Artzeneyen
Die Saͤffte kunten ihn
Vom Tode nicht befreyen
Jn ſeiner Officin:
Jn dieſem Laden eben
Wird uns der Mann entwand
Daraus er Krafft und Leben
Mir newlich zu geſand.
Was nuͤtzen ihm die Reiſen
Die er hat jung gethan?
Denn er ſich bald ließ weiſen
Hin auff die Tugend-bahn.
Erſt gieng er weg in Pohlen
Vnd fand Gelegenheit
Aus Moſcaw auch zu holen
Was nutzet mit der Zeit.
Bey Joachim Weſtphalen
Erlernt er hie die Kunſt
Die nachmals ihm die Stralen
Erworben vieler Gunſt:
So ihm geleuchtet haben
Als er nach Luͤbeck gieng
Vnd mehrte ſeine Gaben/
Als Hamburg ihm umbfieng.
Als ihn
Stockholm geſehen/
Er wieder die Begier
Sich ließ in Preuſſen wehen/
Vnd dient' Herr Pantzer/ dir.
Das groſſe Wien betretten
Den reichen Donaw-Strand
Mit ihren ſchoͤnen Staͤdten/
Auch Kaͤrntten dich erkant.
Jn Welſchland iſt gekommen/
Venedig/ Padua
Jn Augenſchein genommen
Vnd andre Plaͤtz' alda.
Er koͤmpt nach Hauſe wieder/
Jetzt iſt das zwoͤlffte Jahr/
Er leget kranck ſich nieder/
Vnd liegt ſchon auff der Bahr.
Worauff ſol man nun trawen/
Vnd was iſt unſer Schild
Wan wieder Tod und grawen
Kein Apothecke gilt?
So muſt' Herr Pantzer ſcheiden
Doch der war ſchwach und alt/
Herr Wild hatt' auch ſein Leiden
Vnd ſtarb auch eben bald.
Was? die die Artzeneyen
Verſchreiben ſterben hin/
Kein Kraut kan ſie befreyen
Vnd keine Medicin.
Wo iſt/ Herr Beckher blieben/
Herr Loͤſel / Kruͤger / Maß?
Auch die ſind auffgerieben/
O Tod/ durch deinen Fraß?
Was Athem hat mus ſterben/
Was ſorg' ich hierumb viel?
Jch mus den Tod erwerben
Der dinge letztes Ziel:
Dis ſol uns aber laben
Daß unſre Glieder blos
Der Leib nur wird begraben
Der Geiſt iſt frey und loß.
Vnd wenn wir
ſelig ſcheiden
Nimmt er den Himmel ein/
Da ewig mehr kein Leiden
Vnd keine Qual wird ſeyn.
Laß dieß euch Troſt gewehren/
Setzt dieſes/ wehrte Fraw/
Entgegen ewren Zehren/
Durchſuchet es genaw.
Er muſte nur erkalten/
Hie war ſein Stuͤndelein.
Jhr muͤſſt an GOtt euch halten
Der wird der ewre ſeyn.
Sich ewer ſtets anmaſſen
Durch Huͤlffe Schutz und Raht:
Noch keiner iſt verlaſſen
Der ihm vertrawet hat.
Dach, Simon: Christliches Ehrengedachtnis/ Dem ... Hn: Heinrich Dechant
Churfl. Brandenb. privilegirten Apothecker in dem Kneiphoff Königsberg.
Königsberg, 1659. In: Deutsches Textarchiv <
https://www.deutschestextarchiv.de/636092100 >, abgerufen am
14.07.2021.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.12.2023