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Es ist immer das Gleiche, kaum hat jemand Erfolg,
schon wetzen allerorten Neider die Messer. Da geht es auch Richard
David Precht nicht anders. Da klingt ”rücksichtslose
Ranschmeiße” (Jens Chrisitian Rabe in der SZ v. 13.06.2008) schon
sehr nach Sozialneid und das “Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger
gelandet” einer Rezensentin namens anne60 auf
buecher.de, zumindest was das Niveau des von Precht selbst kokett
heruntergeredeten philosophischen Jugendbuchs für Erwachsene
angeht, kaum weniger vernichtend. Die Marke Precht (es wird wohl nicht
mehr lange dauern, dann wird sie wohl wie der Namenszug von Tommy
Hilfiger oder David Beckhams neben Unterhosen auch
Flip-Flops zieren, die irgendwo in Bangladesh mit Kinderarbeit
produziert werden) ist auf dem Vormarsch und zwar auf allen Kanälen.
Allein sein Bestseller
Wer bin – und wenn ja wie viele? schaffte
mit weit über 1 Million verkaufter Exemplare, in 32 Sprachen, wovon
Aristoteles, Kant, Descartes und Adorno
nur geträumt hätten. In den Bestsellern des Jahrzehnts schaffte diese
philosophische Reise sogar Platz 3, wahrscheinlich (aber ich
weiß es nicht) hinter den Kochbüchern von Tim Mälzer und den
Feuchtgebieten. Im Philosophischen Quartett des ZDF
konnte man Precht schon bewundern, wahrscheinlich auch bei Maybrit
Illner und in diversen Kochshows (das Dschungelcamp ist
selbst Precht zu unterirdisch), und wahrscheinlich erhält er bald eine
eigene Show (Charlotte Roche darf schließlich auch ran). Dass
sich dazu die Leserschar (die Kunden selbst sind schließlich heute die
Marke) auf einer Facebook-Seite des Buches (687 gefällt das, 24.3.2012)
selbst bei Kauflaune hält, nun gut. Die Dekalogie von Precht-Videos auf
YouTube aber ist da schon ein anderes Kaliber. Ihr
Marketingkonzept fast schon herkömmlichen Stils zielt mitten ins Herz
Videoclip-begeisterter User. Und das mit öffentlich-rechtlicher
Unterstützung. Bei wdr-Planet Schule gibt es im Internet unter
dem Titel Ich denke, also bin ich diese Videos auch frei Haus,
dazu allerlei Hintergrundinformationen und natürlich pdf-topgestylte
Unterrichtsmaterialien (Philosophische Gedanken mit Richard David
Precht) über Freiheit, Verantwortung, Das Gute, Krieg, Glück,
Eigentum, Leistung und Angst mit konkretem Lehrplanbezug
in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Da strahlt dann, wie könnte es anders sein, ein Konterfei
Prechts von einem Arbeitsblatt herunter, wenn die Schüler z. B.
aufgefordert werden, zum Thema Angst kreativ zu arbeiten und ihre
Gefühle, wenn ihnen dabei nicht zum Kotzen zumute wird, auszudrücken.
Die Themen Glück, Eigentum, Leistung und Angst hätten aber, so viel
Kritik muss an dieser Stelle auch inhaltlich sein, auch auf einer
philosophischen Reise das Leben etwas besser treffen können. Dazu hätte
Precht sich nur, sagen wir mal, der Jugendfreiheit wegen, an der eigenen
Nase packen müssen, als er ausgerechnet im Playboy-Interwiew
antwortete: natürlich interessiere ich mich für Frauen, wie jeder
andere gesunde Mann auch. Und an gleichem Ort an anderer Stelle:
Die Frauen kommen und gehen, aber die besten Kumpel bleiben.
Recht hat er, aber die Tür zu der alle beschäftigen Frage, wie viele
Männer bzw. Frauen dürfen oder sollen Adam und Eva gehabt haben, hält er
geschlossen. Da beschäftigt er sich lieber mit der Verurteilung des
modernen Walfanges und damit, dass es uns Menschen auch nicht gefallen
würde, in der Fischdose zu landen oder in Käfigen wie die Tiere gehalten
zu werden. Dabei hätte Precht, dem omnipräsenten Oswald Kolle
in schlichten philosophisch angehauchten Lebensangelegenheiten, ein
Blick ins Internet die Augen öffnen können. Bin 24 und hatte 17
verschiedene Männer, bekennt da alias123456878 und
rote paprika (28) setzt da mit ca.30 mir fallen die Namen nicht
immer ein noch im Forum von urbia.de eines drauf. Und die
Eltern.de – Community lässt sogar mal über die Frage abstimmen
(ein Foto des Babys, das dabei herausgekommen ist, sorgt dabei bisweilen
für zusätzliche Authentizität): Der wievielte Sexpartner durfte Papa
werden? Freimütig, aber etwas old-fashioned daherkommende
Statements wie das von mausezahn82: Mein Schatzi ist und bleibt der
einzige und da bin ich auch stolz drauf sind da wohl heute eher
selten. Männer wollen immer die ersten sein, vollzieht
aineshaw auf go feminin.de in einem Forumsbeitrag zur “bekannten
Frage: Mit wie vielen Männern hast du schon geschlafen?” den
nötigen Perspektivenwechsel. Auch die Elitepartner-Vermittlung
für Akademiker & Singles mit Niveau stellt die Frage (auf einem
ganz anderen, wohlelaborierten Niveau): “Ab wann kann man von
Promiskuität sprechen?“, die “Frederika” hochakademisch
mit erstens, zweitens, drittens und diversen Spiegelstrichen darunter zu
beantworten weiß: mehr als ein Sexualpartner pro Zyklus ist auf
jeden Fall promisk, heißt es da, mehr als sechs Partner pro
Jahr ebenso und wer mit 20 schon mehr als 5 Partner gehabt
hat, mit 30 mehr als 10, mit 40 mehr als 20 Partner ..
mir wird schwindelig. Und doch, auch wenn es die falsche geschlechtliche
Richtung ist, aus der es tönt (ich habe, der Einfachheit und
Verständlichkeit halber, das Geschlecht einfach geändert): Als 20ster
Partner würde ich mich schäbig, austauschbar und verglichen fühlen … Ich
will nicht nur Körper sein, sondern Person. Vielleicht wäre das
Problem, das alle Männer (was können wir denn schon dafür) bis ans
Lebensende umtreibt. auch einmal etwas für Daniel Precht. Kaum
auszumalen, wie viele Bücher darüber noch (einmal) zu schreiben wären,
wie viele Interviews zu geben, wie viele Arbeitsblätter für einen
Gender-sensitiven Unterricht sich da noch produzieren ließen, eine wahre
Gelddruckmaschine die Frage: Bin ich wirklich viele – und wenn ja der
wievielte?
http://ichdiscours.wordpress.com/2012/03/19/bin-ich-wirklich-viele-und-wenn-ja-der-wievielte/,
25.03.2012
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
12.01.2016
 Bin ich wirklich viele - und wenn ja der wievielte? von Gert Egle ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.
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