Der Pfarrer Michael Lebhardt zu Kutzenhausen
berichtet 1635 an seine geistliche Obrigkeit, den Generalvikar des
Bistums Augsburg von einem Besuch in dem Pfarrdorf Agawang:
„Vor weihenächten sein (sind) in einem Hauß zue
Agawang Lenhart (Leonhard) Weber uff dem khirchberg (zur Pfarre
gehörig), 4 personen hunger(s) gestorben, zue denen nach und nach noch
andere 5 khommen, weilen ich aber erfaren, daß sie sie und ein(e) so
lange Zeit, theils unvergraben (nicht begraben) gelegen, in bedenkhen
(indem) kheiner dem andern mehr waß zu lieb thuet, ja (sich) weder
(etwas) schaffen noch bietten (gebieten) laßet, auch die Christliche
lieb unter den Menschen gar erlischt, besonders wo wie in Ag(a)wang kein
Pfarrer mehr vorhanden, (es) gar ellendigkhlich zue geth, bin ich den
lezsten Jener nacher Agawang (ge)gangen, (woselbst ich) daß h. Meßopfer
verrichtet; nach vollendten (vollendetem) gottesdienst aber (habe ich)
dem Undervogt, schuelmaister, und Vierer (Führer-Gemeinde-Vorsteher) Im
Namen Ihr Hochwirden und G(naden) Heren Thumbprobst(s) alß dero
Obrigkeit ernstlich befohlen, daß sie eilendts, weil Ich vorhanden
(wäre), ein grueb (ein Grab), die verstorbenen Cörper, einem andern
Uebel vorzukommen, an (in) Ihr(e) ruhe zu ordnen, (zu) machen (hätten).
Darauf sie wol zufrieden, (und) die grueb angefangen, sprechent (sie
erzählten): es seyen nur noch die vier personen in dem vorbesagten hauß
zuer erden zestatten vorhanden, die übrige(n) habe man in einem hauß auf
dem khirchberg, darinnen Elß(e) Millerin wittib und Christina Reglerin
wohnet verzehrt und geeß (gegessen), über welches Ich ser erschrockhen
samt dem schuelmaister, die sach recht zu erkhundigen, dem hauß
zugeeilet: - in dem ich aber zu der Thir hinein will, tragen 2
weibsbilder ein scheffle (ein Schäffchen) voller Menschen eingeweidt
(Eingeweide) gegen mir herauß; ab welchem ich ser erschrockhen gefragt?
was sie da machen? geben sie zuer (zur) antwordt, eß sey hallt ein
ellendt, darauf ich gleich gesagt, eß ist ja freylich ein ellendt über
alle ellendt, daß ihr Gottloße Leuth so kheckh und vermeßen seyet, und
darfft diese todte Cörper, schon so längst verstorben, eßen, sie sagte:
»es hats der große unleidige (unleidliche) hunger gethan«. Weilen ich
aber gesechen, daß sie noch allermaßen hatten wohl gehen, und etwan, wie
andere thun, sich mit Heutragen nach der Stadt Lenger erhalten khenden
(länger ihren Unterhalt hätten finanzieren können), hab ich sie mit
einem Stecken wohl zerklopfet, Ihne(n) auch ernstich anbefohlen, die 4
noch übrige(n) Leiber (Leichname), sampt den uff das khleinst
zerhackhten Menschenbainer (Gebeine), bei anderhalb Metzen in einem
seckhle (Säckchen) auff den khirchhoff zue tragen. Nach verrichter sach
hab ich sie laßen in des vogtshauß khommen, erforschet wieviel sie
menschen verzerht, und ob sie Alles davon geeßen haben? sagten sie
einhellig, sie haben zwo weiber mit namen Barbara Mayrinn und Maria
Weldeßhoverin, so vor 14 Tagen gestorben, samt 2 Mennern, alß
Gregorithüringer am 5ten Tag nach seinem tod auffein mal und sitzend
verzerth. Item Jacob khreiner, welcher 5 ganzer Wochen in seinem hauß
unvergraben gelegen, auf zweimal hingericht (zur Speise hergerichtet).
Ich fragt€ darüber, wie es Ihnen gschmeckht und vorkhommen were (wäre):
(sie) antworteten, »es habe ihnen wohlgeschmeckht, und sey das beste an
Ihnen gewesen, daß Hürn (Hirn), Herz und (die) Nieren«. Gleichwohl sie
bitter weinendt die hendt (Hände) aufgehoben, (und) solcheß die Zeit
ihres Lebens nit mer zu thuen versprochen (!). Zu diesen oberzelten
personen haben sich in der Nachbarschaft noch zwei andere Apell(onia)
und Anna thüringer in Wittfrauen gesellet und mitgehalten.
Quarum una nempe Appolonia Gregorium Thüringer
maritum suum devorare non exhorruit.
Dieses hab(e) ich E. H. und G. anzufuegen nit versweigen khönden
(können) etc. Actum Kuzenhausen den 3. Febr. 1635
E. H. W. G.
underthenigister Gehorsamer
Michael Lebhardt Plebanus