Die Lebensphase der Pubertät (=sexuelle
Reifung) und ▪
Adoleszenz (Jugendalter zwischen 10. - 21.
Lebensjahr) stellt einen Zeitraum bio-psycho-sozialer Umstellung dar. Es
ist, wenn auch ▪
keineswegs immer und überall, jene Zeit, "in der die Kinder wachsen und die Erwachsenen schwierig
werden", wie es in einer Jugendzeitschrift einmal geheißen
hat.
Indessen geht es in der Jugendphase keineswegs nur um das Erlangen von
Unabhängigkeit von den Eltern.
Was Jugendliche in dieser Lebensphase
bewältigen müssen, wird im Konzept der ▪
Entwicklungsaufgaben
( ▪
persönliche
Aufgaben, ▪
Beziehungsaufgaben,
▪
sozioinstitutionelle Aufgaben) beschrieben, die zusammen genommen
ein komplexes Entwicklungsprogramm darstellen, das natürlich weit mehr
als die Prozesse der biologischen Reifung umfasst.
Jugend ist, darin
sieht Helmut
Fend (2003,
S.129) den eigentlichen Paradigmenwechsel in der Entwicklungspsychologie
des Jugendalters, ein soziales Konstrukt, das in Beziehung zu den
endogenen Vorgaben bei der biologisch bedingten Funktionsreifung zu
betrachten ist. (vgl.
ebd., S.101)
In der Wahrnehmung der Adoleszenz spielt dabei die biologische
Funktionsreifung in der
▪
Pubertät,
mit ihren äußerlich sichtbaren
▪ Änderungen des Körperbildes
eine ganz zentrale Rolle.
In einem Zeitungsartikel findet sich dazu eine
anschauliche Beschreibung: "Von Hormonen geflutet, macht der jugendliche Körper eine enorme Wandlung
durch, und das nicht immer nur zum Positiven. Wie auf ein geheimes
Kommando sprießen plötzlich Härchen und Pickel, werden Stimmen krächzend
und Arme zu lang, die Sexualität erwacht. Allein diese Veränderungen
sorgen bei vielen Teenagern für Unsicherheit und unbeholfenes Benehmen.
Und das ausgerechnet in einem Alter, in dem das coole Auftreten wichtiger
ist denn je." (Hettinger
2004)
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Drei Dimensionen der Jugendphase
Entwicklungspsychologisch betrachtet, lassen sich die
Besonderheiten der Jugendphase nach Helmut Fend
(2005, S.414f.) auf drei Dimensionen abbilden:
-
Ich-Welt-Bezug (Reflexion und
Wertbindung)
-
Soziale
Beziehungen (Fremdregulation und Selbstregulation)
-
Triebstruktur (Sicherheit und Freiheit, Bindung und Lösung)
Der Ich-Welt-Bezug
verändert sich in der Adoleszenz von dem naiven Verhältnis zu sich
selbst und zur Welt, das die Kindheit auszeichnet, zu einem darüber
reflektierenden Verhältnis.
Zum ersten Mal in seiner Entwicklung setzt
sich der Heranwachsende damit "bewusst in ein Verhältnis zur Welt und
zu sich selbst. Er gewinnt eine weltanschauliche Position und nimmt
zu sich selber erstmals bewusst Stellung. Dies äußert sich in einer
neuen Identität, in in einem neuen Verhältnis zu Bezugspersonen,
zum eigenen Körper und zur Sexualität, einer neuen Beziehung zu sich
selbst, zu Leistung und Beruf sowie in einer neuen Orientierung
gegenüber Politik, Beruf, Natur, Religion und Kultur. Diese
Identitätsarbeit erhält im Alltag die Erscheinungsform der Bewältigung
altersspezifischer Entwicklungsaufgaben." (Fend
2005, S.414, Hervorh. d. Verf.)
Was
sich dabei unter idealtypischen Beziehungen vollzieht, kommt einem von
außen häufig vor wie ein "Sich-zurück-Ziehen" oder "Verschlossen-Werden"
des Jugendlichen, ist aber bei genauerem Hinsehen das Ergebnis
davon, dass in dieser Lebensphase zwei bis dahin nicht vorhandene
Differenzierungen einsetzen.
So lernt der Jugendliche immer deutlicher
den Unterschied zwischen dem realen und idealen Ich kennen und erfährt
in erheblich stärkerem Maße die Differenz zwischen seinem inneren
seelischen Befinden und dem Äußeren. (vgl.
ebd.)
Die neue Entwicklungsdynamik in der Adoleszenz
Als Folge des neuartigen selbstreferentiellen Bezugs und
den unterschiedlichen Seinsweisen des Selbst (ideales und reales Selbst)
(▪ Theorien des Selbst) und den verschiedenen Perspektiven, die bei der Betrachtung des eigenen
Selbst eingenommen werden können, entsteht in der Adoleszenz eine neue
Entwicklungsdynamik.
Sie ist gekennzeichnet durch
-
das Zusammenbrechen alter Sicherheiten bei der
Selbstdarstellung
-
der Notwendigkeit, neue Formen der
Selbstrepräsentation auszuprobieren
-
die Verarbeitung sozialer Rückmeldungen, die zu
neuen Selbstdefinitionen zwingen, zu Korrekturen und zum Aufbau
eigener Standpunkte
Zugleich tragen die zahlreichen biologischen und
kognitiven Veränderungen wie auch die Änderungen, die sich im
alltäglichen Leben daraus ergeben, dazu bei, dass das handelnde Ich
und das reflektierende Ich auseinander treten. Das führt so weit,
dass es einem kaum
Möglichkeiten gewährt, von außen hinter die Kulissen zu blicken.
Die Spannung, die zwischen dem besteht, was ein Jugendlicher tut bzw.
wie er sich nach außen gibt, und dem, was er in seinem Inneren
eigentlich ist, lässt auch die Notwendigkeit entstehen, "ein Idealbild
von sich zu entwickeln, um ein Gefühl für das Eigentliche des eigenen
Ich zu bekommen. Womit will man sich eins fühlen, was ist einem fremd?
Was ist das 'mögliche Selbst', was sind die Grenzen der eigenen
Fähigkeiten? (...)
Ichfindung und soziale Selbstdarstellung treten jetzt in einen
intensiven Dialog." (ebd.,
S.415, Hervorh. d. Verf.) (▪ Strategien
der Selbstdarstellung)
Dabei findet dieser Dialog an verschiedenen Orten statt
und hat längst schon in Interaktionen Eingang gefunden, die im Internet,
in den sozialen Netzwerken, stattfinden. (▪
Selbstdarstellung
in sozialen Netzwerken)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
27.08.2023
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