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Kritik des Modells: "Mehr als wir
glauben, fliegen wir per Autopilot." (Myers)
Das Eisbergmodell des Bewusstseins geht auf den Begründer der
Psychoanalyse
»Sigmund Freud (1856 -1939)
zurück und ist Teil seiner
allgemeinen Theorie der Persönlichkeit. Das menschliche
Bewusstsein ist danach gut zu verstehen, wenn man es mit einem im Meer
treibenden Eisberg vergleicht.
Was Freud an seinen Patienten beobachtete,
ließ ihn annehmen, dass das, worauf wir in unserem Verhalten in täglichen
Situationen bewusst zurückgreifen, gerade mal 10 bis 20% dessen ausmacht, was
unser Handeln bestimmt.
Damit zog er einen Schlussstrich unter bis dahin
geltende Auffassungen, die menschliches Verhalten allein auf bewusstes
Denken und rationales Handeln zurückführen wollten.
Diese 10 – 20% liegen, um
im Bild des Eisbergmodells zu bleiben, "über Wasser“, während die
restlichen 80 – 90 % unter der Wasseroberfläche verborgen liegen.
Das Unbewusste
Was sich
aber unter Wasser abspielt, hat einen großen und in vielem gar bestimmenden
Einfluss auf das, was sich über Wasser ereignet.
Anders ausgedrückt: Die im
Unterbewusstsein liegenden Ängste, verdrängten Konflikte, traumatischen
Erlebnisse, Triebe und Instinkte sind, so nahm Freud an, in Schichten
übereinander angeordnet, die zum Teil näher, zum Teil weiter weg von der
"Wasseroberfläche" liegen. Dort könnten sie als Verhalten beobachtet
werden kann.
Diese Schichten sind von früheren Entwicklungsphasen abhängig
und beeinflussen die jeweils darüber liegende Schicht. Zugleich hängt es von
den Erfahrungen des Einzelnen ab, welche Dynamik sich im Rahmen dieser
Beeinflussung entfaltet.
Der ewige Kampf zwischen Es und Über-Ich
Das Eisbergmodell stützt sich auf Freuds
allgemeine Theorie der
Persönlichkeit.
Danach liegen in der Psyche des Menschen stets zwei
Teile seiner Persönlichkeit im Kampf miteinander: Das so genannte
Es als Instanz der Triebe, Wünsche und der Bedürfnisse
und das so genannte
Über-Ich, eine Instanz, die
für Wert- und Normvorstellungen und moralische Prinzipien zuständig ist.
Das
Es, das das Lustprinzip verkörpert, steht
also in direkter Opposition zum Über-Ich, das das so genannte
Moralitätsprinzip repräsentiert.
Eine
weitere psychische Instanz, das
Ich genannt, hat
dafür zu sorgen, dass der Kampf zwischen Es und Über-Ich nicht dazu führt,
dass der einzelne psychisch und physisch zugrunde geht. Das Ich ist die
Instanz des bewussten Lebens, die für die bewusste Auseinandersetzung mit
der Realität zuständig ist. Das Ich vertritt das
Realitätsprinzip.

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Die Beziehungsdynamik zwischen den psychischen Instanzen
Im Eisbergmodell wird verdeutlicht, welche Dynamik zwischen den drei
psychischen Teilen der Persönlichkeit besteht.
Das (bewusste) Ich
"entscheidet darüber, was wohin führt und welche Dinge in der als wirklich
erlebten Wahrnehmungswelt realisierbar sind.“ (Ruch/Zimbardo
1974, S. 367)
Es ist dabei aber in ganz entscheidendem Maße von
der Dynamik abhängig, was sich "unter der Wasseroberfläche" als Trieb- bzw.
Es-Ansprüche, als emotionale (Ur-)Erfahrungen oder verdrängte Konflikte
übereinander aufgeschichtet hat. Dabei ist natürlich die Ordnung des
Unterbewussten mit über- und untergeordneten Schichten.
Die Schiedsrichterrolle des Ich
Im Allgemeinen gelingt es dem Ich im prinzipiellen Kampf zwischen Es und
Über-Ich eine Schiedsrichterrolle
zu übernehmen und bei einem auftretenden Konflikt "im allgemeinen einen
Kompromiss zu finden, der letztlich beide, wenigstens teilweise, zufrieden
stellt. Dabei kann es einen oder mehrere unbewusste
Abwehrmechanismen
benutzen. Da Freuds Denkkonzeption postuliert, dass jeder Trieb psychische
Energie besitzt, sucht jeder dieser Abwehrmechanismen ein Ventil für jene
Energie zu finden, von der die sozial unannehmbaren Impulse ausgehen.“ (ebd)
Und: Da ferner ein jeder Mensch Triebimpulse besitzt, die von der Gesellschaft nicht
akzeptiert werden, benutzt auch jeder, so Freuds Theorie, bis zu einem
gewissen Maße Abwehrmechanismen. Bei zu häufiger Anwendung können sie sich
jedoch zu
psychischen Störungen, früher, aber nicht wirklich gleichbedeutend »Neurosen
genannt, entwickeln.
Wenn jemand
"neurotisch" ist bzw. handelt, so jedenfalls das Alltagsverständnis des Begriffs, wirken
bestimmte Verhaltensweisen irgendwie zwanghaft, in jedem Falle aber seltsam
im Sinne von normabweichend.
Grundsätzlich führen solche psychischen
Störungen dazu, dass "zuviel Energie" verbraucht dafür verbraucht wird,
"um nicht akzeptierbare
Triebimpulse umzuleiten, zu verbergen und in andere Richtungen zu lenken, so
dass nur noch geringe Energiemengen für produktive Arbeit oder befriedigende
Beziehungen übrig bleiben.“ (ebd.
S.367)
Der Ablauf psychischer Prozesse
In der klassischen Psychoanalyse
werden drei Qualitäten des Psychischen unterschieden: Bewusstes,
Vorbewusstes und Unbewusstes.
Diese drei Qualitäten lassen sich indessen
nicht eindeutig den
Instanzen der menschlichen Psyche
zuordnen (Ich,
Über-Ich,
Es).
Lediglich das Es lässt
sich dem Unbewussten zuordnen. Über-Ich
und Ich enthalten dagegen Bewusstes (=
aktuell im Bewusstsein befindlich) ebenso wie Vorbewusstes (= zwar aktuell nicht bewusst, aber jederzeit
erinnerbar). Dazu muss man beachten, dass ein Gedanke oder ein Gefühl nicht
dauerhaft bewusst bleibt, sondern sich zu einem vorbewussten Eindruck
entwickeln oder dauerhaft ins Unbewusste absinken kann.
Realitätsprüfung psychischer Prozesse durch das Ich
Psychische
Prozesse durchlaufen stets eine Art Zensur, die von einem gesunden Ich
durchgeführt wird.
Um Wahrnehmungen, von denen Freud annimmt, dass sie nur
kurzfristig bewusst sind, ehe sie ins Unbewusste hinabsinken, wieder ins
Bewusstsein rücken zu können, müssen sie sich einer
Realitätsprüfung durch das Ich
unterwerfen.
Dies geschieht unter dem Einfluss von
Über-Ich und
Es. Während
das Über-Ich darauf bedacht ist, peinliche Erinnerungen möglichst zu
verdrängen, meldet das Es mit aller Energie seine Triebwünsche an und
fordert ihre unmittelbare Befriedigung.
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Gelangt das Ich bei seiner
Realitätsprüfung zu einem positiven Ergebnis wird das Ganze der Kontrolle
des Bewusstseins unterstellt und gelangt damit in den Bereich des
Vorbewussten, ohne damit schon unmittelbar einen Platz im aktuell - wirklich
bewussten - Bewusstsein einzunehmen.
-
Bei einem negativen Ergebnis der
Realitätsprüfung wird es vom
Ich verdrängt und verbleibt im
Unterbewusstsein.
"Das
Ich wacht aus Selbstschutz gegen die ständigen
Übergriffe aus Es und
Über-Ich über die Aufrechterhaltung dieser einmal
ausgesprochenen Zensur unter Aufbietung aller Kräfte wie ein Cerberus. Ein
ungeheuer aufreibender Prozess, aber es tut gut daran: dem Verdrängten ist
nämlich seinerseits ein starker Auftrieb zuzuschreiben, das
Es sucht
unablässig, verdrängte Eindrücke zu Lustbefriedigung oder Triebabfuhr zu
Bewusstsein zu bringen. Im (Angst-) Traum vor allem, da die Zensurgrenze im
Ich herabgesetzt ist, aber auch in der neurotischen Krankheit gelingt es
ihm, Verdrängtes kurzzeitig bewusstseinsfähig zu machen. " (von
Arndt 2005, 17.04.05)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
20.01.2025
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