Die Frage, worum es in der
▪
Kurzgeschichte ▪»Die
Tochter« von ▪
Peter
Bichsel geht, führt zwangsläufig auch zu der Frage, welches
Thema die Geschichte
gestaltet.Mit dem Thema bzw. der Thematik ist das so eine Sache: Egal,
ob es sich um Sachtexte
(auch:
pragmatische,
expositorische oder
nichtfiktionale Texte bzw.
Gebrauchstexte)
oder literarische Texte (auch:
fiktionale Texte) handelt, niemals ist das Thema eine objektive Größe. Ebenso
wenig
besitzt es eine bestimmte Gestalt. (vgl.
Brinker
1985/2001, S. 55; vgl.
Lahn/Meister 2013, S.206)
Weil das Thema keine objektiv
feststellbare Gegebenheit eines Textes darstellt, kann man es im
Allgemeinen auch nicht ohne Weiteres "im" Text finden. Was ein
Rezipient für das Thema eines Textes hält, ist nämlich sehr
subjektiv und hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Dazu
zählen u. a. Horizont, Wissen, Bedürfnisse, Wertvorstellungen
und Leseerfahrungen. (vgl.
Lahn/Meister 2013, S.206)
Wie ein Leser auch immer zu seiner Vorstellung vom Thema
eines Textes kommt, es ist stets ein individueller mentaler
Vorgang, dessen Ergebnisse nicht richtig oder falsch sind. Wer
also mitgeteilt bekommt, was ein anderer für das Thema oder die
Hauptthemen eines Textes hält, kann das Gesagte
bestenfalls im Hinblick auf seine Plausibilität bewerten. So ist
es durchaus legitim zu sagen, ob, wie weit und warum einem das,
was der andere als Thema angibt, einleuchtet oder nicht.
Am besten ist also, wenn Ausführungen über das Thema des
Textes mit auf den Text bezogenen und nachvollziehbaren Aussagen
gestützt werden. Diese sollten auf nachweisbaren Textindizien und/oder
dem historischen Kontext beruhen, in dem sie oder der Text als
Ganzes stehen.
Ein Rezipient oder eine Rezipientin kann bei der Lektüre den
Text in einen übergreifenden thematischen Zusammenhang stellen
oder nicht. Tut er/sie es, "beginnt es zu wirken. Denn Sehen,
Wahrnehmen und auch Lesen sind aktive und konstruktive Vorgänge,
in denen das aufnehmende Bewusstsein das Aufgenommene (nach
vertrauten Mustern, Vorbildern, Schemata) strukturiert" (Lahn/Meister
2013, S.206) und ihnen auf deren Grundlage Bedeutung
zuschreibt. Insofern kann also jede/r für sich allein, an
bestimmte Textelemente anknüpfen, die gewonnenen Erkenntnisse
verallgemeinern und in abstrahierter Form in einen
übergreifenden (thematischen) Zusammenhang bringen.
Richtig oder unrichtig, wahr oder falsch gibt es also bei der
Festlegung auf ein bestimmtes Thema nicht. Allenfalls kann man von
einem
plausiblen Thema sprechen und zwar dann, wenn das, was von einem
dazu gesagt wird, von anderen nachvollzogen und ggf. sogar geteilt
werden kann.
Und: Auf ein einziges Thema lässt sich ein Text wie Bichsels
Kurzgeschichte ohnehin kaum festlegen. Dennoch kann man den Versuch
unternehmen, eines der für einen in Frage kommenden Themen zum
Hauptthema des Textes zu machen.
Dabei kann man, sofern man überhaupt reflektiert dabei vorgehen
will, drei Verfahren anwenden: