Viele Dramen der ▪
geschlossenen
Form folgen einem Bausprinzip, das seinen einzelnen Akten (Aufzügen)
eine bestimmte Funktion zuweist.
Diese Komposition des Dramas gibt dem
Zuschauer, der diesen Bauplan kennt, ein Hilfsmittel an die Hand, mit dem er
die z. B. die Vorgeschichte des Dramas erfassen und die Szenen (Auftritte)
in den Handlungszusammenhang einordnen kann.
▪
Freytag:
Die Technik des Dramas
Für den drei- bzw. den fünfaktigen Dramenaufbau hat »Gustav
Freytag (1816-1895) die Funktion der Akte bestimmt, woraus sich die Vorstellung einer
axial-symmetrischen Ausgewogenheit in einer pyramidalen Struktur des Dramas
ergibt, die immer wieder zur Analyse des Aufbaus von Theaterstücken
herangezogen wird.
▪
Die
Komposition der Fabel im Drama der geschlossenen Form
Dürrenmatts
Drama "▪ Der Besuch der alten Dame" weist drei
▪ Akte auf und lässt sich unter
dem Blickwinkel ihrer Funktion für die Dramenhandlung ebenfalls als
Komposition mit einer pyramidalen Struktur darstellen.
Dabei sind die Akte
nicht formal in Szenen gegliedert, aber durch die auf offener Bühne
vorgenommenen Veränderungen am Bühnenbild und/oder der Dekoration kommen in
jedem der drei Akte szenische Zäsuren vor.
Ein weiterer szenischer
Einschnitt wird im 2. Akt dadurch geschaffen, dass der Schauplatz, Alfred Ills Laden,
ohne weitere Veränderungen am Bühnenbild in die Polizeistation übergeht.
Der ▪ Handlungsverlauf des Dramas kann als ein in zwei unterschiedlichen
Handlungssträngen verlaufender Prozess aufgefasst werden. (vgl.
Wahl 2009, S.86).
Die beiden Handlungsstränge laufen anfangs parallel
zueinander, weichen aber im Verlauf der dramatischen Handlung immer mehr
voneinander ab.
Mit ihrem
vermeintlich "guten Ende" - die Güllener erhalten nach Erledigung des
Mordauftrags an ▪ Alfred Ill die von
Claire Zachanassian versprochenen
Milliarden konstituiert sich, wie
Wahl (2009,
S.88) betont, "zumindest vordergründig" eine
Komödienhandlung. Dass das Happy End mehr als "klemmt",
tut dabei also wenig zur Sache.
-
Der zweite Handlungsstrang, der ▪
Alfred Ills Entwicklung zu einem "mutigen
Menschen" (Dürrenmatt, Theater-Schriften, S.123) darstellt, endet als
"Privathandlung" (Wahl
2009, S.88) in der Katastrophe, der Ermordung Alfred Ills durch das
Güllener Kollektiv.
Beide Handlungsstränge sind natürlich in vielfältiger Hinsicht
miteinander verwoben und aufeinander bezogen.
▪
Alfred Ills Entwicklung
und die Entwicklung des Güllener Kollektivs
Während indessen Ill durch das
Angebot ▪ Claire Zachanassians in der Angst um das eigene Leben zu einer
"Bewusstwerdung seiner selbst" (Mayer
51991, S.57) gelangt, macht er aus der "vorherrschenden
Komödienstruktur des Güllener Welttheaters" (ebd.)
eine "tragische Komödie".
Dabei
beruht das
Tragikomische des Stückes "auf der Kreisbewegung
zweier gegenläufiger Geschichten: hier die lächerliche
Groteske von der Käuflichkeit der Moral einer ganzen
Stadt, dort die exemplarische Demonstration der
Entwicklung des sittlichen Bewusstseins in einem
Einzelnen. Beide werden, die eine in absteigender, die
andere in aufsteigender Richtung in Gang und zu Ende
gebracht" von der reichsten Frau der Welt. (Hauptwerke
der deutschen Literatur 91974, S. 456)
Im Gegensatz zu der von
Mayer (51991,
S.57) vertretenen Auffassung, dass "Ill als Beispiel des 'mutigen
Menschen' [...] eine letztlich unbefriedigende tragische Enklave"
darin ist, sehen wir im Anschluss an
Wahl (2009,
S.86ff.) darin zwei unterschiedliche Handlungsstränge, welche die besondere
Struktur dieser tragischen Komödie ausmachen.
Für größere Darstellung bitte an*klicken*tippen!