Der nachfolgende
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Parallelkonspekt
gibt eine Reihe von Anregungen zur Interpretation der
Kurzgeschichte »Vor
dem Finale« von
Jens Ludwig.
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Es ist nichts, nein, nichts. Dieser
Blick.
Sie nahm ihn mit, als sie von der Diele in die Küche wechselte. Jetzt gab es
kein Zurück. Wie immer eine kurze Pause, dann ging er ihr hinterher.
- Nein, ehrlich, was soll denn sein?
- Ach, nichts.
- Also doch.
- Also was?
Das Geschirr schepperte in den Geschirrspüler. Er griff nach einem Topf,
bugsierte ihn an ihr vorbei in die Spüle. So.
- Ich sage doch, es ist nichts.
- So? |
I. In der Küche
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Blick(e) - nonverbales
Verhalten spielt in der Beziehung der beiden eine große Rolle
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kein echtes Gespräch
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Mann rechtfertigt sich vor
seiner Frau bzw. Lebensgefährtin, die ihn offenbar streng bzw.
eifersüchtig mustert
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zu einer solchen Situation
kommt es nicht zum ersten Mal
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Mann versucht sich weiter
gegen die unausgesprochenen Vorwürfe zur Wehr zu setzen
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Frau ist offenbar sehr
aufgeregt, geht mit dem Geschirr nicht sonderlich sorgsam um
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nonverbal wird die
Vorwurfshaltung der Frau von dem Mann kommentiert (Topf in Spüle),
zugleich beteiligt er sich an der Hausarbeit, will sie positiv stimmen?
- demonstrative Geste: So
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erneute Rechtfertigung und
weiterer Ausdruck von Zweifel, der zugleich einen Vorwurf signalisiert
durch die Frau
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Sie schob sich an ihm vorbei zurück in die Diele, machte sich an der
Garderobe zu schaffen, den Rücken wie ein Schild getragen. Kein günstiger
Moment, um es ihr zu sagen, dann halt später. An mir liegt’s nicht, oder
vielleicht einen Tick mehr Selbstoffenbarung?
- Männer sind Schweine!
Ihr rechter Arm ragte seitwärts vom Rücken in den Raum, die Hand zur Faust
geballt. Was denn jetzt? Eine erstklassige Inszenierung: Rücken mit Faust
oder so ähnlich.
- Männer sind Schweine! |
II. In der Diele (an der Garderobe)
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Vergleich; nonverbales Signal der Körperhaltung, das signalisiert,
dass die Frau verletzt ist und sich selbst schützen will, um nicht von
hinten Angriffen schutzlos ausgeliefert zu sein
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Mann kann offenbar nicht genau sehen, was die Frau an der Garderobe
tut (Rücken der Frau verdeckt dies)
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Mann hat ein Problem, das er nicht anspricht, weil er die Situation
für ungünstig hält, zögert aber ein wenig
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Frau erhebt einen allgemeinen Vorwurf und hält etwas in ihrer
geschlossenen Faust, demonstrative Geste
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Mann hält das Ganze für eine der (üblichen) Inszenierungen, d. h.
Übertreibungen seiner Frau und macht sich innerlich darüber lustig
-
Frau spürt das und wiederholt ihren Vorwurf
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Sie drehte sich um, tat einen Schritt hin zur geöffneten Küchentüre und
schlug mit ihrem steinernen Blick auf ihn ein. Er versuchte es noch einmal,
mit anderer Betonung.
- Liebling, es ist echt nichts, ich weiß überhaupt nicht, was du hast.
Noch ein Schritt und die Faust fuchtelte vor seinem Gesicht. O Gott, ich
hab’s vergessen, schon gut!
- Sag, mal, wie war’s heute bei dir?
Ihre Augen funkelten zornig, als sie ihn anfauchte.
- Ich hab’s gewusst, ich hab’s ja gewusst. Männer sind Schweine! Und du, du
bist …
- Jetzt reicht’s aber wirklich. Was soll denn das Theater? Seine grobe Hand
hatte sich schon fest um ihr Handgelenk mit der geballten Faust geschlossen.
Sie drohte mit einem Kniestoß, so dass er sich zur Seite wandte und ihr
dabei etwas den Arm verdrehte.
- Au, au … verdammt, lass mich los!
- Nur wenn du mit deinem Gerappel aufhörst, klar? Hat sie was in der Hand?
Keine Ahnung. Moment.... Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, während er gekonnt dem einen oder anderen
Kniestoß auswich. Das Kondom, klar!
- Männer sind also Schweine?
- Genau, und du, - du bist auch eines!
Als er sie losließ und ein wenig zurückstieß, hatte er schon begonnen das
Ganze zu genießen.
- Ein klassischer
Syllogismus, gell?
Deduktiver Fehlschluss,
Liebling!
- Typisch, dass du jetzt wieder so kommst. Das zieht nicht, nicht mehr!
- Was mache ich denn? Immer noch sexy, wenn sie sich so
aufregt. Mal sehen. Er ließ los.
- Wenn du ein schlechtes Gewissen hast, meine ich.
Ihr Blick gab nicht einen Zentimeter nach. Ihre Faust streckte sich ihm
entgegen und öffnete sich zum großen Finale.
- Das hier meine ich, genau das! Da staunst du?
Er hätte es ihr gleich sagen können, aber jetzt, nur noch einen Moment und
dann das echte Finale, wie früher.
- Heute ist
Christopher-Street-Day,
Liebling?
- Christopher was?
- Ich musste halt da durch.
Ein paar Worte, dann war die Sache geklärt. |
III. Vor der Küchentüre
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Frau tief verletzt und straft
den Mann mit ihrem (steinernen) Blick
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Mann, der noch immer nicht
weiß, was los ist, will keine weitere Eskalation, will seine Frau auch
mit einem freundlicheren Ton beruhigen (Ansprache: Liebling)
-
Als die geschlossene Faust
seiner Frau vor seinen Augen fuchtelt, fällt ihm der wahrscheinliche
Grund für ihre Aufregung ein: ein Kondom in seiner Jacket.
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Nun beginnt er ein "Spiel"
mit seiner Frau, will er sie regelrecht vorführen, indem er vom Thema
ablenkt und Interesse am Verlauf ihres vergangenen (Arbeits-)Tages
heuchelt.
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Frau fühlt sich deshalb noch
stärker verletzt (wird sogar zornig) und will den Mann nun direkt mit
ihrem Vorwurf konfrontieren, ohne freilich ihre Beweggründe dafür
darzustellen
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Mann wird abwertend
("Theater", "Gerappel"); wird handgreiflich und
grob, behandelt die Frau wie ein Kind;
-
Mann erkennt, dass die Frau
das Kondom in der geschlossenen Faust verborgen hält
-
Mann zeigt überhebliches
Lächeln, während Frau vergeblich versucht, sich aus dem Griff des Mannes
zu befreien; zuletzt findet er Gefallen an der Aufregung seiner Frau
-
Mit der Äußerung von
Fremdwörtern, von denen die Frau offenbar nicht viel versteht, will er
sie nun seine intellektuelle Überlegenheit spüren lassen.
-
Doch die Frau durchschaut das
Spiel.
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Dennoch: Mann spielt weiter
und erregt sich an der Aufregung seiner Frau (sexy)
-
Frau will ihm mit der Öffnung
der Faust zeigen, worauf ihr Misstrauen und ihre Aufregung beruht
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Mann lässt durch die Art
seiner Erklärung, die Frau weiterhin zappeln (Fragespiel statt
unmittelbare Erklärung)
-
Seine Erklärung beruhigt
offenbar die Gemüter sehr schnell: auf einer Schwulendemo hat er das
Kondom (als Teilnehmer? Passant?) angeblich zugesteckt bekommen, das seine Frau in seiner Jacke gefunden
hatte.
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- Hast du die Post schon geholt, Schatz?
Es war keine gekommen. Dann bleibt ja noch Zeit.
- Kommst du? Dieser Blick, genau deswegen. |
IV. Irgendwo in der Wohnung
-
Mann erkundigt sich nach der Post, die offenbar eine Nachricht
bringt, die er seiner Frau (noch) verheimlicht.
-
Mann entscheidet sich, sein Problem (noch) nicht anzusprechen.
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Am Ende unklar, wer von den beiden den anderen zum Finale ruft
(womöglich aus dem Schlafzimmer wie früher am Ende solcher
Auseinandersetzungen: Versöhnung im Bett)
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(aus: Jens Ludwig, Geschichten kommen immer zurück.
Erzählungen, erstveröffentlicht Konstanz: teachSam, 2005)
Worterläuterungen:
*Syllogismus: Modell zur
Argumentationsanalyse, bei dem die Struktur von Argumentationen durch die
Zusammenstellung dreier Behauptungen dargestellt wird nach dem Muster:
Sokrates ist ein Mensch. Alle Menschen sind sterblich. Folglich ist auch
Sokrates sterblich. (vgl.
Dreigliedriger Syllogismus)
**Bei einem
deduktiven Fehlschluss
wird zwar ähnlich verfahren, der Schluss der gezogen wird, ist aber falsch,
wie das folgende Beispiel zeigt: Wenn die Schule aus ist, läutet es. - Es
läutet. ► Also ist die Schule aus. Jedermann weiß nämlich, dass es auch zu
„normalen“ Pausen läutet. (vgl.
Deduktiver Fehlschluss)
***Christopher-Street-Day:
Gemeinsamer Fest-, Gedenk- und Demonstrationstag der Lesben, der Lesben,
Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und von
Personen, die diese im Kampf um gesellschaftliche Anerkennung und
Gleichberechtigung unterstützen. Ziel der Aktionen, die in Österreich
Regenbogenparade und im englischsprachigen Raum Gay Pride bezeichnet werden,
ist es, öffentlich für die Rechte dieser Gruppen sowie gegen Diskriminierung
und Ausgrenzung zu demonstrieren. Mit Feiern und Demonstrationen wird damit
auch an Vorgänge in der New Yorker Christopher Street in Greenwich Village
am 27. Juni 1969 erinnert, wo Homosexuelle und andere sexuelle Minderheiten
erstmals öffentlich gegen Polizeiwillkür aufbegehrt haben
(„Stonewall-Rebellion“). Zu den Aktionen an solchen Tagen gehört auch häufig
das kostenlose Verteilen von Kondomen an Passanten, mit dem, im Zeichen von
AIDS, der Safer-Sex-Forderung
Ausdruck verliehen werden soll. (Transgender = Menschen, die sich mit dem anderen
als ihrem eigenen körperlichen Geschlecht identifizieren, oder die eine
Geschlechtsrolle ausfüllen, die von den ihnen von der Gesellschaft
zugewiesenen Geschlechtsrollen abweicht.) Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
04.03.2024
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