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Als
»Saladin
(1137/1138 -1193) das Licht der Welt erblickt und später als Sultan
In Ägypten die politische Weltbühne betritt, ist der »Islam längst
zu einer beherrschen Macht in großen Teilen der Welt geworden. Nach dem
Tod des »Propheten
Mohammed (570-632) hatte sich
der Islam bis nach Europa hin ausgebreitet. Unter »al-Walid
I. (reg. 705–715) hatte sich das muslimische Kalifenreich bis
nach Spanien ausgebreitet, dort das Reich der
Westgoten zerschlagen und stattdessen eine Provinz namens
»Al-Andalus
(Andalusien) gegründet. Im Osten expandierte das Reich bis zum
Indus
(Pakistan) und danach nach Usbekistan (damals »Transoxanien
). Das christliche, byzantinische Konstantinopel konnte sich indessen
717/18 erfolgreich der Belagerung durch das Kalifenreich widersetzen und
eine weitere Ausdehnung seines Einflusses nach West- und Mitteleuropa
wurde durch den Sieg der Franken unter Karl Martell in der
»Schlacht
von Tours und Poitiers im Jahr 732 vereitelt. Und doch
blieben Spanien und wichtige Festungen in der
»Provence im
heutigen Südfrankreich nach lange in der
Hand der Muslime. Doch nach einigen Jahrhunderten setzte der Niedergang des sarazenischen
Riesenreiches ein. Als der »byzantinische Kaiser
»Papst Urban II.
(1035-99) um Hilfe
bat und diesem von den Demütigungen der Pilger im Heiligen Land
berichtete, rief
der Papst am 27. November 1095 die
Christenheit auf, die heiligen Stätten von ihrer muslimischen Herrschaft zu
befreien. Das war der Aufruf zum
»ersten Kreuzzug
(1095-99), dem im folgenden Jahr
schon Tausende von Rittern folgten. Diese kamen nach langen und
strapazenreichen Märschen und Kämpfen, bei denen immer mal die mal die
andere Seite die Oberhand gewinnen konnte, am 7. Juni 1099 endlich am
Ziel, der Stadt
»Jerusalem, an.
Von dem ehemals fast 7.000 Rittern und Adligen, sowie dem etwa 22.000
Mann starken Fußvolk, die mit ca. 50.000 Pferden unterwegs waren,
erreichten etwa 14.000 kampffähige Männer, darunter ungefähr 1.500
Ritter die von den Muslimen besetzte und mit hohen Mauern bewehrte
Stadt. (vgl. Wikipedia, 13.2.2012) Erst nach dem Bau von ausgeklügelten
Belagerungsmaschinen (Belagerungstürmen, Rammböcken u. dgl. m.) gelang
es den christlichen Belagerern die Stadt einzunehmen (»Belagerung
von Jerusalem 1099). In der Stadt richteten sie nach sechswöchiger
Belagerung ein Blutbad unter den Juden und Muslimen Jerusalems, bei dem
nach arabischen Schätzungen zwischen 30.000 und 70.000 Menschen ermordet
worden sind. (vgl.
Wikipedia,
13.2.2012). Jedenfalls sollen dem Massaker so viele Menschen um
Opfer gefallen sein, dass nach Berichten von »Raimund
von Aguilers "die Männer in Blut
bis zu ihren Knien und ihrem Zaumzeug hinauf (ritten)". Nach der Eroberung von Jerusalem, mit der erste Kreuzzug endete,
gründeten die Kreuzritter nach französischem Vorbild das
»Königreich
Jerusalem und machten Gottfried von Bouillon zu ihrem
Oberhaupt. Als dieser ein Jahr später stirbt, wird sein Bruder Balduin
als sein Nachfolger in der
»Geburtskirche von
»Bethlehem zum König von
Jerusalem gewählt. Seine Blütezeit erreichte der Kreuzfahrerstaat in den
folgenden Jahrzehnten, die vor allem von den geistlichen
»Ritterorden der
»Johanniter
und
»Templer geprägt waren. Mit dem Aufstieg Saladins zur
Macht, sollte dieser kurzen Blüte des Kreuzfahrerstaates aber schon bald
ein Ende gesetzt werden. »Saladin
(1137/1138 -1193), ein Name der von Salah ed-Din (Wahrheit des
Glaubens) abgeleitet worden ist, hieß eigentlich
El-Malik en Nasir Salah ed-Din Jussuf wurde 1138 in Takrid, etwa 150
Kilometer nordwestlich von »Bagdad,
geboren. Seine religiösen Grundüberzeugungen, die ihn ein Leben lang
prägten, wurden in seiner Kindheit in einem Kloster der
»Sufis gelegt,
die eine mystisch-asketische Glaubensrichtung vertraten. Sein Vater übte
das Amt des Gouverneurs in Baalbek aus, wo Saladin seine Kindheit und
Jugend verlebte. Als Saladin 16 Jahre alt ist, geht er mit seinem Vater
ab des Hof von Nur ed-Din, der von D amaskus
aus über »Syrien herrschte. Erste militärische Erfolge feiert er
gemeinsam mit seinem Onkel Schirkuh, der ein Expeditionskorps von 8000 Kriegern gen Süden
anführt, um das strategisch wichtige, fruchtbare Niltal vor den
heranrückenden Kreuzritter zu schützen. In Kairo bereitet man den Syrern
nach dem Sieg einen triumphalen Empfang, was den dort herrschenden
ägyptischen Wesir Schawar, der um seine eigene Macht fürchtete, auf die
Idee kommen ließ, Schirkuh und seine leitenden Offiziere ermorden zu
lassen. Das Komplott fliegt jedoch auf, Saladins Gefolgsleute können
Schawar ergreifen und "übergibt ihn den Eunuchen, die untereinander
wetteifern, dem Wesir den Kopf abschlagen zu dürfen, um ihn auf dem
Basar zu zeigen." (Ernst Bartsch, Saladin, in: Die Zeit, 9 (1994) v.
26.2.93). Schon bald danach ist Saladin im Alter von 32 Jahren, als sein
Onkel Schirkuh schon zwei Monate später stirbt, selbst Wesir und damit
"(beginnt) für den Islam (...) eine neue glanzvolle Epoche, für den
Kreuzfahrerstaat ein Zeitalter des Niedergangs. Rein äußerlich fehlt
ihm, der als "relativ klein und zartknochig" (ebd.) beschrieben
wird, das, was gemeinhin eine majestätische Erscheinung ausmacht, aber
er kann exzellent reiten und vor allem hervorragend mit Lanze und
Schwert umgehen. Sein Ruf ist untadelig, man sagt, er sei "gütig
und gerecht, aber auch kühn und entschlossen" (ebd.)
In Ägypten räumt er auf mit einer korrumpierten Verwaltung und beendet
das System einer Intrigenwirtschaft, die nur einigen wenigen in die
Hände spielte. Und natürlich schafft sich Saladin damit auch eine Menge
Feinde, die einen Aufstand gegen ihn organisieren. Doch Saladin behält
mit seinen erfahrenen syrischen Truppen die Oberhand und kann danach
unumschränkt über Ägypten herrschen. Als im Jahr 1174 der Herrscher Syriens, Sultan Nur ed-Din stirbt, mischt
sich Saladin in die in Syrien ausbrechenden Machtkämpfe ein. An der
Spitze von 700 kurdischen Reitern zieht er unter dem Jubel der
Bevölkerung in Damaskus ein und kann nach langwierigen, aber
erfolgreichen Kämpfen die Macht in Syrien an seinem Bruder Turan
Schah übergeben, während er nach Kairo zurückkehrt. Als Herrscher stellt er sich in religiösen Fragen eindeutig gegen die
ebenfalls muslimischen
»Schiiten, die für ihn Ketzer darstellen, und wird dafür sogar vom
Kalifen von Bagdad als Sultan von Ägypten anerkannt. Sein erfolgreicher
Aufstieg zur Macht ist damit abgeschlossen und "als Herrscher Ägyptens,
Syriens und des Jemen kann er nun das Königreich Jerusalem in die Zange
nehmen." (ebd) So dauert es kaum 3 Jahre, ehe er 1177 diesen
Kreuzritterstaat mit seiner Festung
»Askalon angreift,
die erst 1153 von der Kreuzfahrern erobert worden war. (»Belagerung
von Askalon). Dort bietet der
gerade erst sechzehn Jahre gewordene und an Lepra erkrankte König
Balduin IV. den Angreifern mit 500 Rittern die Stirn in einem
aussichtslos scheinenden Kampf. Doch was danach kommt, hat den
Ruhm der Kreuzritter weithin verbreitet und das Image Saladins erstmals
ernsthaft beschädigt. Denn nach ihrem Ausbruch aus der belagerten
Festung, jagt das Ritterheer, "angeführt von König Balduin in einer
Sänfte" (ebd.), die Truppen Saladins auseinander und dann vor sich her,
über die Berge Judäas, durch die Schluchten des Sinai-Gebirges und ohne
Lebensmittel hinein in die Wüste. Nur 100 Gefolgsleute und Saladin
selbst kommen davon. In Kairo hält man Saladin inzwischen schon für tot
und der Kampf um seine Nachfolge und die Aufteilung ist schon in vollem
Gange als der Sultan und seine ehemaligen Lehnsleute waren auch nach der
Wiederankunft des offensichtlich geschwächten Herrschers in Kairo
nicht bereit, so ohne weiteres kleinbeizugeben.

Und auch die Auseinandersetzungen mit den Christen in Jerusalem waren
trotz eines Waffenstillstandes mit dem König von Jerusalem keineswegs zu
Ende. Und dieser hatte offenbar auch seine Ritterschar nicht eben im
Griff. Denn Rainald von Chàtillon, ein offensichtlich mächtiger
und skrupelloser Ritter, überfiel trotz des
Waffenstillstandes eine große Karawane und hielt sich an deren
mitgeführten Gütern und Menschen, die meist die Sklaverei erwartete, schadlos. Saladin forderte daraufhin als
Wiedergutmachung eine Entschädigung und die Herausgabe der Gefangenen.
Als diese Forderung von Chátillon spöttisch zurückgewiesen wurde,
standen die Zeichen endgültig auf Krieg zwischen Saladin und dem
Kreuzfahrerstaat in Jerusalem. 1187 waren die Truppen für das große Heer
Saladins aufgestellt und bereit zum Angriff. In Jerusalem hatte
inzwischen ein Machtwechsel stattgefunden. Statt Balduin IV, der seiner
Lepraerkrankung mit 24 Jahren erlag, herrschte nun sein Schwager Guido
von Lusignan, der sich mit aller Macht und Kraft auf die endgültige
kriegerische Auseinandersetzung vorbereitete, auch wenn er selbst kaum
Kriegserfahrung mitbrachte. Gemeinsam mit dem Kriegsrat entschied man
sich dafür, die Entscheidung in einer offenen Feldschlacht zu suchen.
Was immer waffenfähig war, wurde zusammengetrommelt, so dass am Ende
eine 18 000-Mann-Heer daraus wurde, welches in der Nähe von Nazareth in
einem wasserreichen Gebiet kampierte. Es ist der 1. Juli, an dem Saladin
mit seinen Truppen den Jordan überschreitet. König Guido führt seine
Truppen trotz der Warnungen einiger Ratgeber an einem heißen
Hochsommertag in ein wasserarmes Gebiet, um Saladin entgegenzutreten. In
der Gluthitze und ohne jeglichen Schatten sind die mitgeführten
Wasservorräte schnell aufgebraucht, als die muslimische Reiterei zum
Angriff bläst und die Schlacht beginnt. Obwohl der See Genezareth mit
seinem blauen Wasser nicht fern ist, können die Kreuzritter nicht dahin
durchbrechen. Dennoch bleibt der Kampf lange unentschieden und ist erst
nach sechs Stunden zu Ende. Das
»Schlachtfeld von Hattin ist übersät
mit
toten und verletzten Rittern. Saladin hält als Sieger persönlich Gericht
über die gefangenen Anführer der Ritter. Ernst Bartsch (ebd.) schildert die Vorgänge: "Dem durstigen König von Jerusalem reicht er einen mit
Schnee des Berges Hermon gekühlten Trunk. Als dieser den Becher an den neben ihm
stehenden Rainald von Chàtillon weiterreichen will, tritt Saladin
dazwischen , hält dem raubgierigen Ritter noch einmal mit Hilfe eines
Dolmetschers seine Schandtaten vor und streckt ihn dann mit dem
Krummsäbel nieder. Wenig später werden mehr als 200 gefangenen
Ordensrittern von den siegestrunkenen muslimischen Soldaten die Köpfe
abgeschlagen, ohne dass Saladin eingreift. In Damaskus, wohin die
überlebenden Gefangenen gebracht werden, sinkt der Preis auf dem
Sklavenmarkt." Trotz seines eindeutigen militärischen Erfolges hält Saladin indessen
kein Blutgericht über die Kreuzfahrerstädte und -burgen in und um
Jerusalem herum ab. Ihre Bewohner dürfen meist einfach frei abziehen
oder müssen dafür ein Lösegeld entrichten. Zwei Monate später spitzt
sich die Lage aber zu, als Saladin mit seinen Truppen vor Jerusalem
steht, deren Bewohner sich weigern, die Stadt zu übergeben. Saladin
droht ihnen mit der gewaltsamen Erstürmung und damit, ein Blutbad unter
den Einwohnern anzurichten. Wie sich die Lage weiter entwickelte, hat
Bartsch wie folgt zusammengefasst. Danach habe der christliche
Befehlshaber der Stadt, Balian von Ibelin, Saladin wie folgt
geantwortet: "Glaubt nicht, dass es der Stadt an Verteidigern gebricht.
Wir werden uns in jedem Viertel verschanzen. Wir haben fünftausend
Geiseln. Sie werden zur selben Zeit von unserer Hand sterben wie unsere
Frauen und Kinder. Wenn ihr uns zum Äußersten treibt, werdet ihr uns nur
in unserem Entschluss bestärken ... Wenn Gott uns jetzt den Sieg
versagt, so wissen wir doch, dass er uns ein rühmliches Ende bescheren
wird und die Vergebung für alle Gräuel, die diese Stätte entweihen."
(ebd.) Trotz der eskalierten Lage, einigen sich beide Seiten am Ende auf eine
bemerkenswerte Kapitulationsvereinbarung, die allen Christen den Abzug
gegen ein geringes Lösegeld ermöglichte und damit das drohende Blutbad
hüben und drüben verhinderte. Ein paar Tage später, am 2. 10. 1187,
ziehen die Besiegten, geführt von Heraklius, dem Patriarchen von
Jerusalem, gefolgt von Priestern und Mönchen, die den Kirchenschatz der
Grabeskirche mit sich tragen, in einem langen Zug aus der Stadt. Und:
Jerusalem fällt - von einigen Auseinandersetzungen um die Stadt
abgesehen - kampflos in die Hand Saladins, (vgl.
ebd.)
Die Eroberung Jerusalems war der "größte militärische Erfolg, der dem Islam unter seiner Führung
beschieden war und beschieden sein konnte" und " für Saladin und für seine
Glaubensgenossen in erster Linie ein religiöser Sieg; wie kein anderer
Erfolg es vermocht hätte, verbreitete die Wiedergewinnung Jerusalems
Freude in der ganzen islamischen Welt." (Grotzfeld
1978, S. 484ff.) Doch damit waren die kriegerischen Auseinandersetzungen noch nicht zu
Ende. Denn sobald die Nachricht vom Fall Jerusalems die Christen des
Abendlandes erreicht hatte, rüstete man zum dritten Kreuzzug. Dieses Mal
machten sich die wichtigsten Könige Europas auf den Weg. Außer den
Königen von Frankreich und England, die sich im Vorfeld versöhnt hatten,
entschloss sich auch der greise deutsche Kaiser
»Friedrich I. Barbarossa (1122-1190)
mit seinem Sohn, dem Herzog
»Friedrich von Schwaben (1167-1191), bei dem Unternehmen
"Befreiung Jerusalem" mitzumachen. Was da auf Saladin zukam, war eine
Auseinandersetzung mit den Mächtigen des Abendlandes. Doch der dritte
Kreuzzug fand eine unerwartete Wendung zugunsten Saladins. Auf dem Weg
ins Heilige Land ertrank Kaiser Barbarossa am 10. Juni 1190 und
danach löste sich das deutsche Kreuzfahrerheer binnen kurzer Frist auf.
Nur ein kleiner Haufen unter Führung Friedrichs von Schwaben zog weiter
nach Palästina. Inzwischen standen die Kreuzfahrerheere von König
»Philipp II. von
Frankreich (1165-1223) und dem englischen König »Richard I. Löwenherz
(1157-1199) in Sizilien
bereit, nach Palästina einzuschiffen. In Palästina tobte währenddessen
der Kampf um die Seefestung Akkon, die von den Christen zwar belagert
worden war, das Belagerungsheer aber wiederum von den Truppen Saladins
eingeschlossen worden war. Als die französische Flotte in Akkon ankam,
traf sie auf eine christliche Truppe mit einer nur geringen Kampfmoral,
die ein wenig zu heben, erst dem "rotblonden Draufgänger Richard
Löwenherz und seinen berühmten Langbogenschützen" (Bartsch
1994) gelang.
(»Belagerung
von Akkon) Doch gegen den Nachschub, den Saladin aus Ägypten, Mesopotamien, Marokko
und sogar aus Spanien heranbrachte, konnten
die
neuen englischen und französischen Truppen zunächst keine Wende
herbeiführen. Aber auch Saladins Versuche, den Belagerungsring um die
Stadt Akkon endgültig aufzubrechen, misslangen. Am Ende blieb Akkon
nichts anderes mehr übrig, als vor Richard Löwenherz zu kapitulieren.
Dieser ließ nach seinem Einzug in die Stadt 3000 Muslime ermorden. Seine
Versuche, danach auch Jerusalem zu erobern, scheitern kläglich, und als Richard
Löwenherz später, kurz nach dem
dreijährigen Waffenstillstand von 1192,
das Heilige Land frustriert verlässt, hat er Jerusalem, dessen Befreiung
das Ziel des ganzen Unternehmens gewesen war, nicht einmal gesehen.
Stattdessen bot er nach seinen erfolglosen Aktionen gen Jerusalem
Saladin einen Waffenstillstand an, den dieser, ebenfalls kriegsmüde
geworden, annahm. Erstaunliches tat sich in der langen Zeit der
Verhandlungen um die Bestimmungen des Waffenstillstandsvertrages, der am
4.9.1192 für die Dauer von 3 Jahren unterzeichnet wurde: Richard
Löwenherz und Saladins Bruder Malik el-Adil freundeten sich an, wie
Bartsch zu berichten weiß: "Immer häufiger sitzen die beiden Freunde in
Richards Prunkzelt und schmieden Zukunftspläne. Richard möchte den
gutaussehenden Malik el-Adil mit
seiner Schwester Johanna, der verwitweten Königin von Sizilien,
verheiraten; gemeinsam sollen sie die Herrschaft über das Königreich
Jerusalem ausüben. Doch Johanna weist das Anerbieten zurück, und
Saladin, um Rat gefragt, winkt ab." Als der Waffenstillstandsvertrag in
Kraft tritt, bleibt dem Kreuzfahrerstaat noch ein schmaler
Küstenstreifen zwischen Jaffa und Tyrus, ungefähr das Gebiet, das der
heutige Staat Israel in den Grenzen vor 1967 umfasst. Die Christen
erhalten den garantierten Zugang zu ihren heiligen Stätten.
Knapp ein halbes Jahr nach der Unterzeichnung des
Waffenstillstandsabkommens starb Saladin am 4.3.1193 in Damaskus. Saladin ist nach Ansicht von
Grotzfeld
(1978, S. 484ff.) zeit seines Lebens
nicht unbedingt ein
überragender und gerissener militärischer Führer gewesen, und so seien
es eben "andere Kriterien, an denen er zu messen ist. Sein ganzes Handeln muss
aus seiner tiefen Gläubigkeit, seinem Verwurzeltsein im Islam
verstanden
werden. [...] Als Streiter wollte er den Islam stark machen und die
Gläubigen schützen." Sein Ruf in der islamischen Welt weit über
seinen Tod hinaus beruht nicht zuletzt darauf sich Saladin um
muslimische Pilger ebenso kümmerte wie "um alle Personengruppen, die einer Unterstützung
bedurften: Gelehrte und Studierende aus der Fremde, Arme und Waisen. [...] Wenn
Saladin Audienz hielt, war der Andrang der Bittsteller groß und
keiner ging weg, ohne Hilfe erhalten zu haben. Dem Schutz und dem
materiellen wie geistigen Wohl seiner Untertanen galt auch Saladins
umfangreiche Bautätigkeit. Er plante und begann die Zitadelle in Kairo,
ließ große öffentliche Anlagen und Bauten allenthalben errichte, vor
allem natürlich in Ägypten: Kanäle, Dämme, Moscheen, Schulen,
Hospitäler. [...] Um die neuerbauten Moscheen, Schulen und anderen
Einrichtungen zu unterhalten, wandelte Saladin seine eigenen Besitzungen
in Stiftungen um und ordnete sie jeweils den einzelnen Einrichtungen zu.
So gab er seinen Besitz zum Wohle vieler, die es ihm mit echter Zuneigung
dankten. Sie liebten Saladin, der gerecht, gütig und selbstlos war, der
das Reich geeint, der Feinde vertrieben hatte; den Herrscher, in dem sie
[...] die Forderungen und Ideale des Islam erfüllt sahen, In den
Berichten über seine letzten Lebensmonate, namentlich über die
triumphale Rückkehr nach Damaskus im Januar 1193 nach dem Friedensschluss
mit den Franken, erscheint Saladin so als die
charismatische Gestalt, als
die er auch von der islamischen, insbesondere der arabischen Welt durch
die Jahrhunderte bewundert und verehrt wurde. Das große Reich, das Saladin vereinen konnte, ist bald wieder zerfallen,
das Beispiel des guten Herrschers hat nicht unbedingt Schule gemacht. Doch
die Idee ist geblieben. Saladin hat Maßstäbe gesetzt, die immer
Gültigkeit haben." (ebd.), Die
Machtkämpfen um seine Nachfolge, um die sich seine 17 Söhne, 35 Neffen,
der Gatte seiner Tochter und einige seiner Brüder stritten, setzten
seinem Reich bald ein Ende, so dass es bald in mehrere Teile zerfiel. Sein
»Mausoleum
befindet sich heute unmittelbar vor der »Umayyaden-Moschee
in der syrischen Hauptstadt Damaskus.
Aber auch im europäischen Abendland geriet Saladin nicht in
Vergessenheit und das Bild, das man sich dort von ihm machte, fand
Eingang in die europäische Literatur. Als erster Dichter hat ihm
»Wolfram von Eschenbach (ca.1160/80 - ca. 1220) in der zwischen 1217
und 1200 entstandenen Reimerzählung
»Willehalm ein Denkmal für allgemeine Menschlichkeit gesetzt, die
über den Religionen liegt, und auch der Florentiner Gelehrte
»Dante
Aligheri (1265-1321),
der wohl bekannteste Dichter des Mittelalters, reihte ihn unter die
rechtschaffenen heidnischen Seelen im
Limbus ein (lat.
für "Rand, Saum, Umgrenzung") , in der
katholischen Theologie so eine Art Vorhölle, wo die Seelen sind, die
eigentlich ohne eigenes Zutun und Verschulden vom Himmelreich
ausgeschlossen sind. Allerdings war es nicht gerade einfach, einem Heiden wie Saladin das Ideal
wahrer Menschlichkeit und Tugend zuzuschreiben. Denn solche
Zuschreibungen waren nach mittelalterlichem Verständnis christlichen Rittern vorbehalten. Indem die mittelalterliche Welt sich Saladin zum
edlen Ritter anverwandelte, war der Weg frei, ihn zu einem
"Beinahe-christlichen Ritter"
Grotzfeld
(1978, S. 483f.) zu stilisieren. Und doch haftete der ihm
zugeschriebenen Humanität stets ein Makel an. Wenn man seiner
Haltung auch Anerkennung zollte, so blieb Muslim eben Muslim und Heide eben
Heide. Um diesem Dilemma aus dem Weg zu gehen, man machte ihn eben schlicht "zu dem, was man anzuerkennen
gewohnt ist, zum Ritter, möglichst zum christlichen Ritter" (ebd.)
Diese Anverwandlung ist mit unserem modernen Verständnis von "echter
Humanität" indessen nicht ohne weiteres vereinbar.
Grotzfeld
(1978) ist daher beizupflichten, wenn sie schreibt, dass "echte
Humanität" eben die Bereitschaft voraussetzt, "den andern in seiner
Andersartigkeit anzuerkennen und zu tolerieren, Großes und Edles auch da
zu sehen, wo man bisher nur Schlechtes, Unedles zu sehen gewohnt war." Der
Saladin,
den
Lessing
im "Nathan"
gestaltet hat, soll dem historischen Saladin indessen nicht gerecht
werden, auch wenn er "den geschichtlichen Zügen in großen Strichen treu"
blieb und nur dort bei der "Folge historischer Ereignisse eingriff, wo
die Korrektur einigen dramatischen Nutzen mit sich brachte. Und so schrieb Lessing auch kein historisches Drama, sondern ein
Drama, dem es darum geht, den Gedanken religiöser Toleranz auf die Bühne zu
bringen. Dass er bei der Dramatisierung dieses Themas auf den Moslem Saladin
zurückgegriffen hat, erscheint
Grotzfeld
(1978) nach Lage der Dinge " fast
selbstverständlich", auch wenn Saladin in Wahrheit "so orthodox, so im
Islam verhaftet (war), dass er gegen eine andere Religion als solche
nicht - (in Lessings Sinn) - tolerant sein und die Christen als eine dem
Muslim ebenbürtige Religionsgemeinschaft anerkennen konnte." Dementsprechend
entspricht
die an Marin und Voltaire
angelehnte
Gestaltung und Charakterisierung der
Figur des Sultans in Lessings Drama auch genau "den
Forderungen für den Charakter des biedermännischen Helden im Bürgerlichen
Trauerspiel" (Barner
u. a. 1987, S.321ff.). (→Der Sultan im
Familienstück - Anmerkungen zum "Privat-Saladin" Lessings) Dass Lessing bei der Dramatisierung seines Toleranzthemas auf den Moslem
Saladin zurückgegriffen hat, erscheint
Grotzfeld
(1978) nach Lage der Dinge " fast selbstverständlich" , auch wenn
Saladin in Wahrheit "so orthodox, so im Islam verhaftet (war), dass er
gegen eine andere Religion als solche nicht - (in Lessings Sinn) -
tolerant sein und die Christen als eine dem Muslim ebenbürtige
Religionsgemeinschaft anerkennen konnte." Das tat dem Mythos des "edlen
Sultans", des "edlen Sarazenen" Saladin in Europa indessen keinen
Abbruch. Als Personifikation "der Idee der Versöhnung, der
Ritterlichkeit, des Edlen im Menschen, gleich welcher Religion"
(ebd.,
S.478) hat er das Denken über Humanität und Toleranz jedenfalls
nachhaltig beeinflusst.
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
04.11.2020
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