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Zweiter Akt - 3. Szene

Text

Friedrich Schiller (1759-1805): Die Räuber

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Friedrich Schiller Biographie
Werke Dramatische Werke Die Räuber Didaktische und methodische Aspekte Überblick Gesamttext /Recherche/Leseversion) Entstehungsgeschichte des Dramas Stoffgeschichte Verschiedene Fassungen Schiller zu den "Räubern" Komposition des Dramas Handlungsverlauf Überblick Szenenschema Akte, Szenen und Konfigurationen Akte Erster Akt Szenenüberblick Aspekte der Aktanalyse Zweiter Akt Text Szenenüberblick Aspekte der Aktanalyse •  II / Erste Szene II / Zweite Szene  [ II / Dritte Szene Text  • Aspekte der Szenenanalyse Bausteine ] Bausteine Dritter Akt Vierter Akt Fünfter Akt Handlungsstränge Figurenkonstellation Einzelne Figuren Weitere Aspekte der Analyse Sprachliche Form Rezeptionsgeschichte Textauswahl • Bausteine Links ins Internet  ▪ Maria Stuart Lyrische Werke Sonstige Werke Bausteine Links ins Internet  Schreibformen Rhetorik Operatoren im Fach Deutsch
 

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Szenenschema
Szenenüberblick 2. Akt
Text: Zweiter Akt

Gesamttext /Recherche/Leseversion)

Zweiter Akt

Dritte Szene

Die böhmischen Wälder.

[2.3.1] Spiegelberg. Razmann. Räuberhaufen.

RAZMANN. Bist da? bists wirklich? So lass dich doch zu Brei zusammendrücken, lieber Herzensbruder Moritz! Willkommen in den böhmischen Wäldern! Bist ja groß worden und stark. Stern-Kreuz-Bataillon! Bringst ja Rekruten mit einen ganzen Trieb, du trefflicher Werber!

SPIEGELBERG. Gelt, Bruder? gelt? Und das ganze Kerl dazu! - Du glaubst nicht, Gottes sichtbarer Segen ist bei mir: war dir ein armer hungriger Tropf, hatte nichts als diesen Stab, da ich über den Jordan ging, und jetzt sind unserer achtundsiebenzig, meistens ruinierte Krämer, rejicierte1

Magister und Schreiber aus den schwäbischen Provinzen; das ist dir ein Korps Kerles, Bruder, deliziöse2 Bursche, sag ich dir, wo als einer dem andern die Knöpfe von den Hosen stiehlt und mit geladener Flinte neben ihm sicher ist - und haben vollauf und stehen dir in einem Renommee vierzig Meilen weit, das nicht zu begreifen ist. Da ist dir keine Zeitung, wo du nicht ein Artikelchen von dem Schlaukopf Spiegelberg wirst getroffen haben; ich halte sie mir auch pur deswegen - vom Kopf bis zun Füßen haben sie mich dir hingestellt, du meinst, du sähst mich; sogar meine Rockknöpfe haben sie nicht vergessen. Aber wir führen sie erbärmlich am Narrenseil herum. Ich geh letzthin in die Druckerei, geb vor, ich hätte den berüchtigten Spiegelberg gesehen, und diktier einem Skrizler3, der dort saß, das leibhafte Bild von einem dortigen Wurmdoktor4 in die Feder; das Ding kommt um, der Kerl wird eingezogen, parforce5 inquiriert6, und in der Angst und in der Dummheit gesteht er dir, hol mich der Teufel! gesteht dir, er sei der Spiegelberg - Donner und Wetter! Ich war eben auf dem Sprung, mich beim Magistrat anzugeben, dass die Canaille mir meinen Namen so verhunzen soll - wie ich sage, drei Monat drauf hangt er. Ich musste nachher eine derbe Prise Tobak in die Nase reiben, als ich am Galgen vorbeispazierte und den Pseudo-Spiegelberg in seiner Glorie da paradieren sah - und unterdessen dass Spiegelberg hangt, schleicht sich Spiegelberg ganz sachte aus den Schlingen und deutet der superklugen Gerechtigkeit hinterrücks Eselsohren, dass 's zum Erbarmen ist.

RAZMANN (lacht). Du bist eben noch immer der alte.

SPIEGELBERG. Das bin ich, wie du siehst, an Leib und Seel. Narr! einen Spaß muss ich dir doch erzählen, den ich neulich im Cäcilien-Kloster angerichtet habe. Ich treffe das Kloster auf meiner Wanderschaft so gegen die Dämmerung, und da ich eben den Tag noch keine Patrone verschossen hatte - du weißt, ich hasse das diem perdidi7 auf den Tod - so musste die Nacht noch durch einen Streich verherrlicht werden, und sollts dem Teufel um ein Ohr gelten! Wir halten uns ruhig bis in die späte Nacht. Es wird mausstill. Die Lichter gehen aus. Wir denken, die Nonnen könnten jetzt in den Federn sein. Nun nehm ich meinen Kameraden Grimm mit mir, heiß die andern warten vorm Tor, bis sie mein Pfeifchen hören würden, - versichere mich des Klosterwächters, nehm ihm die Schlüssel ab, schleich mich hinein, wo die Mägde schliefen, praktizier ihnen die Kleider weg, und heraus mit dem Pack zum Tor. Wir gehen weiter von Zelle zu Zelle, nehmen einer Schwester nach der andern die Kleider, endlich auch der Äbtissin - Jetzt pfeif ich, und meine Kerls draußen fangen an zu stürmen und zu hasselieren8, als käm der Jüngste Tag, und hinein mit bestialischem Gepolter in die Zellen der Schwestern - Hahaha! - da hättest du die Hatz sehen sollen, wie die armen Tierchen in der Finstere nach ihren Röcken tappten und sich jämmerlich gebärdeten, wie sie zum Teufel waren, und wir indes wie alle Donnerwetter zugesetzt, und wie sie sich vor Schreck und Bestürzung in Bettlaken wickelten, oder unter dem Ofen zusammenkrochen wie Katzen, andere in der Angst ihres Herzens die Stube so besprengten, dass du hättest das Schwimmen drin lernen können, und das erbärmliche Gezeter und Lamento, und endlich gar die alte Schnurre, die Äbtissin, angezogen wie Eva vor dem Fall - du weißt, Bruder, dass mir auf diesem weiten Erdenrund kein Geschöpf so zuwider ist, als eine Spinne und ein altes Weib, und nun denk dir einmal die schwarzbraune, runzligte, zottigte Vettel9 vor mir herumtanzen und mich bei ihrer jungfräulichen Sittsamkeit beschwören - alle Teufel! ich hatte schon den Ellbogen angesetzt, ihr die übrig gebliebenen wenigen Edlen vollends in den Mastdarm zu stoßen - kurz resolviert! entweder heraus mit dem Silbergeschirr, mit dem Klosterschatz und allen den blanken Tälerchen, oder - meine Kerls verstanden mich schon - ich sage dir, ich hab aus dem Kloster mehr denn tausend Taler Werts geschleift, und den Spaß obendrein, und meine Kerls haben ihnen ein Andenken hinterlassen, sie werden ihre neun Monate dran zu schleppen haben.

RAZMANN (auf den Boden stampfend). Dass mich der Donner da weg hatte!

SPIEGELBERG. Siehst du? Sag du mehr, als ob das kein Luderleben ist? und dabei bleibt man frisch und stark, und das Korpus10 ist noch beisammen und schwillt dir stündlich wie ein Prälatsbauch11 - ich weiß nicht, ich muss was Magnetisches an mir haben, das dir alles Lumpengesindel auf Gottes Erdboden anzieht wie Stahl und Eisen.

RAZMANN. Schöner Magnet du! Aber so möcht ich Henkers doch wissen, was für Hexereien du brauchst -

SPIEGELBERG. Hexereien? Braucht keine Hexereien - Kopf musst du haben! Ein gewisses praktisches Judicium12, das man freilich nicht in der Gerste frisst - denn siehst du, ich pfleg immer zu sagen: einen honetten Mann kann man aus jedem Weidenstotzen13 formen, aber zu einem Spitzbuben wills Grütz14 - auch gehört dazu ein eigenes Nationalgenie, ein gewisses, dass ich so sage, Spitzbubenklima, und da rat ich dir, reis du ins Graubünder Land15, das ist das Athen der heutigen Gauner.

RAZMANN. Bruder! man hat mir überhaupt das ganze Italien gerühmt.

SPIEGELBERG. Ja, ja! man muss niemand sein Recht vorenthalten, Italien weist auch seine Männer auf, und wenn Deutschland so fortmacht, wie es bereits auf dem Weg ist, und die Bibel vollends hinausvotiert16, wie es die glänzendsten Aspekten hat, so kann mit der Zeit auch noch aus Deutschland was Gutes kommen - überhaupt aber, muss ich dir sagen, macht das Klima nicht sonderlich viel, das Genie kommt überall fort, und das Übrige, Bruder - ein Holzapfel, weißt du wohl, wird im Paradiesgärtlein selber ewig keine Ananas - aber dass ich dir weiter sage - wo bin ich stehen geblieben?

RAZMANN. Bei den Kunstgriffen!

SPIEGELBERG. Ja recht, bei den Kunstgriffen. So ist dein erstes, wenn du in die Stadt kommst, du ziehst bei den Bettelvögten, Stadtpatrollanten und Zuchtknechten17 Kundschaft ein, wer so am fleißigsten bei ihnen einspreche, die Ehre gebe, und diese Kunden suchst du auf - ferner nistest du dich in die Kaffeehäuser, Bordelle, Wirtshäuser ein, spähst, sondierst, wer am meisten über die wohlfeile Zeit, die fünf pro Cent, über die einreißende Pest der Polizeiverbesserungen schreit, wer am meisten über die Regierung schimpft, oder wider die Physiognomik eifert und dergleichen. Bruder! das ist die rechte Höhe! die Ehrlichkeit wackelt wie ein hohler Zahn, du darfst nur den Pelikan ansetzen - oder besser und kürzer: du gehst und wirfst einen vollen Beutel auf die offene Straße, versteckst dich irgendwo und merkst dir wohl, wer ihn aufhebt - eine Weile drauf jagst du hinterher, suchst, schreist und fragst nur so im Vorbeigehen: haben der Herr nicht etwa einen Geldbeutel gefunden? Sagt er ja, - nun so hats der Teufel gesehen: leugnet ers aber: der Herr verzeihen - ich wüsste mich nicht zu entsinnen, - ich bedaure (aufspringend) Bruder! Triumph, Bruder! Lösch deine Laterne aus, schlauer Diogenes18! - du hast deinen Mann gefunden.

RAZMANN. Du bist ein ausgelernter Praktikus19.

SPIEGELBERG. Mein Gott! als ob ich noch jemals dran gezweifelt hätte - Nun du deinen Mann in dem Hamen hast, musst dus auch fein schlau angreifen, dass du ihn hebst!20 - Siehst du, mein Sohn! das hab ich so gemacht: - Sobald ich einmal die Fährte hatte, hängt ich mich meinem Kandidaten an wie eine Klette, saufte Brüderschaft mit ihm, und notabene21! zechfrei musst du ihn halten! da geht freilich ein Schönes drauf, aber das achtest du nicht - - du gehst weiter, du führst ihn in Spielkompanien und bei liederlichen Menschern ein, verwickelst ihn in Schlägereien und schelmische22 Streiche, bis er an Saft und Kraft und Geld und Gewissen und gutem Namen bankrott wird; denn incidenter23 muss ich dir sagen, du richtest nichts aus, wenn du nicht Leib und Seele verderbst - Glaube mir, Bruder! das hab ich aus meiner starken Praxi wohl fünfzigmal abstrahiert24, wenn der ehrliche Mann einmal aus dem Nest gejagt ist, so ist der Teufel Meister - der Schritt ist dann so leicht - o so leicht, als der Sprung von einer Hure zu einer Betschwester. - Horch doch! was für ein Knall war das?

RAZMANN. Es war gedonnert, nur fortgemacht!

SPIEGELBERG. Noch ein kürzerer, besserer Weg ist der, du plünderst deinem Mann Haus und Hof ab, bis ihm kein Hemd mehr am Leibe hebt, alsdann kommt er dir von selber - lern mich die Pfiffe25 nicht, Bruder - frag einmal das Kupfergesicht dort - Schwere Not! den hab ich schön ins Garn gekriegt26 - ich hielt ihm vierzig Dukaten hin, die sollt er haben, wenn er mir seines Herrn Schlüssel in Wachs drücken wollte - denk einmal! die dumme Bestie tuts, bringt mir, hol mich der Teufel! die Schlüssel und will jetzt das Geld haben - Monsieur, sagt ich, weiß Er auch, dass ich jetzt diese Schlüssel gerades Wegs zum Polizeilieutnant trage und Ihm ein Logis am lichten Galgen miete? - Tausendsakerment! da hättest du den Kerl sehen sollen die Augen aufreißen und anfangen zu zappeln wie ein nasser Pudel - - »Um's Himmels willen, hab der Herr doch Einsicht! ich will - will -« Was will Er? will Er jetzt gleich den Zopf hinaufschlagen27 und mit mir zum Teufel gehn? - »O von Herzen gern, mit Freuden« - Hahaha! guter Schlucker28, mit Speck fängt man Mäuse - Lach' ihn doch aus, Razmann! hahaha!

RAZMANN. Ja, ja, ich muss gestehen. Ich will mir diese Lektion mit goldenen Ziffern auf meine Hirntafel schreiben. Der Satan mag seine Leute kennen, dass er dich zu seinem Mäkler29 gemacht hat.

SPIEGELBERG. Gelt, Bruder? und ich denke, wenn ich ihm zehn stelle, lässt er mich frei ausgehen - gibt ja jeder Verleger seinem Sammler das zehnte Exemplar gratis30, warum soll der Teufel so jüdisch zu Werk gehn? Razmann! ich rieche Pulver -

RAZMANN. Sapperment! ich riechs auch schon lang. - Gib acht, es wird in der Näh was gesetzt haben! - Ja, ja, wie ich dir sage, Moritz, du wirst dem Hauptmann mit deinen Rekruten willkommen sein - er hat auch schon brave Kerl angelockt.

SPIEGELBERG. Aber die meinen! die meinen! - Pah -

RAZMANN. Nun ja! sie mögen hübsche Fingerchen haben - aber ich sage dir, der Ruf unsers Hauptmanns hat auch schon ehrliche Kerl in Versuchung geführt.

SPIEGELBERG. Ich will nicht hoffen.

RAZMANN. Sans Spaß! und sie schämen sich nicht, unter ihm zu dienen. Er mordet nicht um des Raubes willen, wie wir - nach dem Geld schien er nicht mehr zu fragen, sobald ers vollauf haben konnte, und selbst sein Drittteil an der Beute, das ihn von Rechtswegen trifft, verschenkt er an Waisenkinder, oder lässt damit arme Jungen von Hoffnung studieren. Aber soll er dir einen Landjunker schröpfen, der seine Bauern wie das Vieh abschindet, oder einen Schurken mit goldnen Borten unter den Hammer kriegen, der die Gesetze falschmünzt und das Auge der Gerechtigkeit übersilbert, oder sonst ein Herrchen von dem Gelichter - Kerl! da ist er dir in seinem Element und haust teufelmäßig, als wenn jede Faser an ihm eine Furie wäre.

SPIEGELBERG. Hum! Hum!

RAZMANN. Neulich erfuhren wir im Wirtshaus, dass ein reicher Graf von Regensburg31 durchkommen würde, der einen Prozess von einer Million durch die Pfiffe seines Advokaten durchgesetzt hätte; er saß eben am Tisch und brettelte32. - Wie viel sind unserer? frug er mich, indem er hastig aufstand; ich sah ihn die Unterlippe zwischen die Zähne klemmen, welches er nur tut, wenn er am grimmigsten ist - Nicht mehr als fünf! sagt ich - Es ist genug! sagt er, warf der Wirtin das Geld auf den Tisch, ließ den Wein, den er sich hatte reichen lassen, unberührt stehen - wir machten uns auf den Weg. Die ganze Zeit über sprach er kein Wort, lief abseitwärts und allein, nur dass er uns von Zeit zu Zeit fragte, ob wir noch nichts gewahr worden wären, und uns befahl, das Ohr an die Erde zu legen. Endlich so kommt der Graf hergefahren, der Wagen schwer bepackt, der Advokat saß bei ihm drin, voraus ein Reiter, nebenher ritten zwei Knechte - da hättest du den Mann sehen sollen, wie er, zwei Terzerolen33 in der Hand, vor uns her auf den Wagen zusprang! und die Stimme,. mit der er rief: Halt! - Der Kutscher, der nicht Halt machen wollte, musste vom Bock herabtanzen; der Graf schoss aus dem Wagen in den Wind, die Reiter flohen - Dein Geld, Canaille! rief er donnernd - er lag wie ein Stier unter dem Beil - und bist du der Schelm, der die Gerechtigkeit zur feilen Hure macht? Der Advokat zitterte, dass ihm die Zähne klapperten, - der Dolch stak in seinem Bauch wie ein Pfahl im Weinberg - Ich habe das Meine getan! rief er und wandte sich stolz von uns weg; das Plündern ist eure Sache. Und somit verschwand er im Wald -

SPIEGELBERG. Hum! hum! Bruder, was ich dir vorhin erzählt habe, bleibt unter uns, er brauchts nicht zu wissen. Verstehst du?

RAZMANN. Recht, recht, ich versteh.

SPIEGELBERG. Du kennst ihn ja! Er hat so seine Grillen34. Du verstehst mich.

RAZMANN. Ich versteh, ich versteh.

[2.3.2] (Schwarz in vollem Lauf.)

RAZMANN. Wer da? was gibt's da? Passagiers im Walde?

SCHWARZ. Hurtig, hurtig! wo sind die Andern? - Tausendsakerment! Ihr steht da und plaudert! Wisst ihr denn nicht - Wisst ihr denn gar nicht? - und Roller -

RAZMANN. Was denn? was denn?

SCHWARZ. Roller ist gehangen, noch vier andere mit.

RAZMANN. Roller? Schwere Not! seit wann - woher weißt dus?

SCHWARZ. Schon über drei Wochen sitzt er, und wir erfahren nichts, schon drei Rechtstage sind über ihn gehalten worden, und wir hören nichts; man hat ihn auf der Tortur examiniert35, wo der Hauptmann sei? - der wackere Bursche hat nichts bekannt; gestern ist ihm der Prozess gemacht worden, diesen Morgen ist der dem Teufel extra Post zugefahren.

RAZMANN. Vermaledeit! weiß es der Hauptmann?

SCHWARZ. Erst gestern erfährt ers. Er schäumt wie ein Eber. Du weißt, er hat immer am meisten gehalten auf Roller, und nun die Tortur erst - Strick und Leiter sind schon an den Turm gebracht worden, es half nichts; er selbst hat sich schon in Kapuzinerskutte36 zu ihm geschlichen und die Person mit ihm wechseln wollen; Roller schlugs hartnäckig ab; jetzt hat er einen Eid geschworen, dass es uns eiskalt über die Leber lief, er wolle ihm eine Todesfackel anzünden, wie sie noch keinem König geleuchtet hat, die ihnen den Buckel braun und blau brennen soll. Mir ist bang für die Stadt. Er hat schon lang eine Pike auf sie, weil sie so schändlich bigott ist, und du weißt, wenn er sagt: ich wills tun! so ists so viel, als wenns unser einer getan hat.

RAZMANN. Das ist wahr! ich kenne den Hauptmann. Wenn er dem Teufel sein Wort drauf gegeben hätte, in die Hölle zu fahren, er würde nie beten, wenn er mit einem halben Vaterunser selig werden könnte! - Aber ach, der arme Roller! der arme Roller! -

SPIEGELBERG. Memento mori37! Aber das regt mich nicht an. (Trillert ein Liedchen.)

Geh ich vorbei am Rabensteine38,

So blinz ich nur das rechte Auge zu

Und denk, du hängst mir wohl alleine

Wer ist ein Narr, ich oder du?

RAZMANN (aufspringend). Horch! ein Schuss. (Schießen und Lärmen.)

SPIEGELBERG. Noch einer!

RAZMANN. Wieder einer! der Hauptmann! (Hinter der Szene gesungen.)

Die Nürnberger39 henken keinen,

Sie hätten ihn denn vor. (Da capo.)

SCHWEIZER. Roller (hinter der Szene). Holla ho! Holla ho!

RAZMANN. Roller! Roller! Holen mich zehn Teufel!

SCHWEIZER. ROLLER (hinter der Szene). Razmann! Schwarz! Spiegelberg! Razmann!

RAZMANN. Roller! Schweizer! Blitz, Donner, Hagel und Wetter! (Fliegen ihm entgegen.)

[2.3.3] (Räuber Moor zu Pferd. Schweizer. Roller. Grimm. Schufterle. Räubertrupp mit Kot und Staub bedeckt treten auf.)

RÄUBER MOOR (vom Pferd springend). Freiheit! Freiheit! - - Du bist im Trocknen, Roller! - Führ meinen Rappen ab, Schweizer, und wasch ihn mit Wein. (Wirft sich auf die Erde.) Das hat gegolten!

RAZMANN (zu Roller). Nun, bei der Feueresse des Plutos40! bist du vom Rad auferstanden?

SCHWARZ. Bist du sein Geist? oder bin ich ein Narr? oder bist dus wirklich?

ROLLER (in Atem). Ich bins. Leibhaftig. Ganz. Wo glaubst du, dass ich herkomme?

SCHWARZ. Da frag die Hexe! Der Stab war schon über dich gebrochen.

ROLLER. Das war er freilich, und noch mehr. Ich komme recta41 vom Galgen her. lass mich nur erst zu Atem kommen. Der Schweizer wird dir erzählen. Gebt mir ein Glas Branntenwein! - du auch wieder da, Moritz? Ich dachte, dich wo anders wiederzusehen - Gebt mir doch ein Glas Branntenwein! meine Knochen fallen auseinander - o mein Hauptmann! wo ist mein Hauptmann?

SCHWARZ. Gleich, gleich! - so sag doch, so schwätz doch! wie bist du davon gekommen? wie haben wir dich wieder? Der Kopf geht mir um. Vom Galgen her, sagst du?

ROLLER (stürzt eine Flasche Branntenwein hinunter). Ah! das schmeckt, das brennt ein! - Grades Wegs vom Galgen her, Sag ich. Ihr steht da und gafft und könnts nicht träumen - ich war auch nur drei Schritte von der Sackermentsleiter, auf der ich in den Schoß Abrahams42 steigen sollte - so nah, so nah - war dir schon mit Haut und Haar auf die Anatomie verhandelt43! hättest mein Leben um'n Prise Schnupftabak haben können. Dem Hauptmann dank ich Luft, Freiheit und Leben.

SCHWEIZER. Es war ein Spaß, der sich hören lässt. Wir hatten den Tag vorher durch unsre Spionen Wind gekriegt, der Roller liege tüchtig im Salz44, und wenn der Himmel nicht bei Zeit noch einfallen wollte, so werde er morgen am Tag - das war heut - den Weg alles Fleisches gehen müssen - Auf! sagt der Hauptmann, was wiegt ein Freund nicht? - Wir retten ihn, oder retten ihn nicht, so wollen wir ihm wenigstens doch eine Todesfackel anzünden, wie sie noch keinem König geleuchtet hat, die ihnen den Buckel braun und blau brennen soll. Die ganze Bande wird aufgeboten. Wir schicken einen Expressen45 an ihn, ders ihm in einem Zettelchen beibrachte, das er ihm in die Suppe warf.

ROLLER. Ich verzweifelte an dem Erfolg.

SCHWEIZER. Wir passten die Zeit ab, bis die Passagen leer waren. Die ganze Stadt zog dem Spektakel nach, Reiter und Fußgänger durcheinander und Wagen, der Lärm und der Galgenpsalm46 johlten weit. Jetzt, sagt der Hauptmann, brennt an, brennt an! Die Kerl flogen wie Pfeile, steckten die Stadt an dreiunddreißig Ecken zumal in Brand, werfen feurige Lunten in die Nähe des Pulverturms, in Kirchen und Scheunen - Mordbleu47! es war keine Viertelstunde vergangen, der Nordostwind, der auch seinen Zahn auf die Stadt haben muss, kam uns trefflich zu statten und half die Flamme bis hinauf in die obersten Giebel jagen. Wir indes Gasse auf Gasse nieder, wie Furien - Feuerjo! Feuerjo! durch die ganze Stadt - Geheul - Geschrei - Gepolter - fangen an die Brandglocken zu brummen, knallt der Pulverturm in die Luft, als wär die Erde mitten entzwei geborsten, und der Himmel zerplatzt, und die Hölle zehntausend Klafter48 tief versunken.

ROLLER. Und jetzt sah mein Gefolge zurück - da lag die Stadt wie Gomorrha und Sodom49, der ganze Horizont war Feuer, Schwefel und Rauch, vierzig Gebirge brüllten den infernalischen50 Schwank in die Rund herum nach, ein panischer Schreck schmeißt alle zu Boden - jetzt nutz ich den Zeitpunkt, und risch, wie der Wind! - ich war losgebunden, so nah wars dabei - da meine Begleiter versteinert wie Lots Weib51 zurückschaun. Reißaus! zerrissen die Haufen! davon! Sechzig Schritte weg werf' ich die Kleider ab, stürze mich in den Fluss, schwimm unterm Wasser fort, bis ich glaubte, ihnen aus dem Gesichte zu sein. Mein Hauptmann schon parat mit Pferden und Kleidern - so bin ich entkommen. Moor! Moor! möchtest du bald auch in den Pfeffer geraten, dass ich dir Gleiches mit Gleichem vergelten kann!

RAZMANN. Ein bestialischer Wunsch, für den man dich hängen sollte - aber es war ein Streich zum Zerplatzen.

ROLLER. Es war Hilfe in der Not; ihr könnts nicht schätzen. Ihr hättet sollen - den Strick um den Hals - mit lebendigem Leibe zu Grabe marschieren, wie ich, und die sackermentalischen Anstalten und Schinderszeremonien, und mit jedem Schritt, den der scheue Fuß vorwärts wankte, näher und fürchterlich näher die verfluchte Maschine, wo ich einlogiert werden sollte, im Glanz der schrecklichen Morgensonne steigend, und die lauernden Schindersknechte und die grässliche Musik - noch raunt sie in meinen Ohren - und das Gekrächze hungriger Raben, die an meinem halbfaulen Antezessor52 zu Dreißigen hingen, und das alles, alles - und obendrein noch der Vorschmack der Seligkeit, die mir blühte! - Bruder, Bruder! und auf einmal die Losung zur Freiheit - Es war ein Knall, als ob dem Himmelsfass53 ein Reif gesprungen wäre - Hört, Canaillen! ich sag euch, wenn man aus dem glühenden Ofen ins Eiswasser springt, kann man den Abfall54 nicht so stark fühlen, als ich, da ich am andern Ufer war.

SPIEGELBERG (lacht). Armer Schlucker! Nun ists ja verschwitzt55. (Trinkt ihm zu.) Zur glücklichen Wiedergeburt!

ROLLER (wirft sein Glas weg). Nein, bei allen Schätzen des Mammons56! ich möchte das nicht zum zweiten Mal erleben. Sterben ist etwas mehr als Harlekinssprung57, und Todesangst ist ärger als Sterben.

SPIEGELBERG. Und der hüpfende Pulverturm - merkst dus jetzt, Razmann? - drum stank auch die Luft so nach Schwefel stundenweit, als würde die ganze Garderobe des Molochs58 unter dem Firmament ausgelüftet - Es war ein Meisterstreich, Hauptmann! ich beneide dich drum.

SCHWEIZER. Macht sich die Stadt eine Freude daraus, meinen Kameraden wie ein verhetztes Schwein abtun zu sehen, was, zum Henker! sollten wir uns ein Gewissen daraus machen, unserem Kameraden zu lieb die Stadt draufgehen zu lassen? Und nebenher hatten unsere Kerls noch das gefundene Fressen, über den alten Kaiser zu plündern59. - Sagt einmal, was habt ihr weggekapert60?

EINER VON DER BANDE. Ich hab mich während des Durcheinanders in die Stephanskirche geschlichen und die Borten vom Altartuch abgetrennt; der liebe Gott da, sagt ich, ist ein reicher Mann und kann ja Goldfäden aus einem Batzenstrick61 machen.

SCHWEIZER. Du hast wohl getan - was soll auch der Plunder in einer Kirche? Sie tragens dem Schöpfer zu, der über den Trödelkram lachet, und seine Geschöpfe dürfen verhungern. - Und du, Spangeler - wo hast du dein Netz ausgeworfen?

EIN ZWEITER. Ich und Bügel haben einen Kaufladen geplündert und bringen Zeug für unser fünfzig mit.

EIN DRITTER. Zwei goldene Sackuhren62 habe ich weggebixt63, und ein Dutzend silberne Löffel dazu.

SCHWEIZER. Gut, gut. Und wir haben ihnen eins angerichtet, dran sie vierzehn Tage werden zu löschen haben. Wenn sie dem Feuer wehren wollen, so müssen sie die Stadt durch Wasser ruinieren - Weißt du nicht, Schufterle, wie viel es Tote gesetzt hat?

SCHUFTERLE. Drei und achtzig, sagt man. Der Turm allein hat ihrer sechzig zu Staub zerschmettert.

RÄUBER MOOR (sehr ernst). Roller, du bist teuer bezahlt.

SCHUFTERLE. Pah! pah! was heißt aber das? - ja, wenns Männer gewesen wären - aber da warens Wickelkinder, die ihre Laken vergolden64, eingeschnurrte Mütterchen, die ihnen die Mücken wehrten, ausgedörrte Ofenhocker, die keine Türe mehr finden konnten - Patienten, die nach dem Doktor winselten, der in seinem gravitätischen65 Trab der Hatz nachgezogen war - Was leichte Beine hatte, war ausgeflogen, der Komödie nach, und nur der Bodensatz der Stadt blieb zurück, die Häuser zu hüten.

MOOR. Oh der armen Gewürme! Kranke, sagst du, Greise und Kinder? -

SCHUFTERLE. Ja zum Teufel! und Kindbetterinnen dazu, und hochschwangere Weiber, die befürchteten, unterm lichten Galgen zu abortieren66; junge Frauen, die besorgten, sich an den Schindersstückchen zu versehen und ihrem Kind im Mutterleib den Galgen auf den Buckel zu brennen - Arme Poeten, die keinen Schuh anzuziehen hatten, weil sie ihr einziges Paar in die Mache gegeben, und was das Hundsgesindel mehr ist; es lohnt sich der Mühe nicht, dass man davon redt. Wie ich von ungefähr so an einer Baracke vorbei gehe, hör ich drinnen ein Gezeter, ich guck hinein, und wie ichs beim Lichte besehe, was wars? Ein Kind wars, noch frisch und gesund, das lag auf dem Boden unterm Tisch, und der Tisch wollte eben angehen - Armes Tierchen, sagt ich, du verfrierst ja hier, und warfs in die Flamme -

MOOR. Wirklich, Schufterle? - Und diese Flamme brenne in deinem Busen, bis die Ewigkeit grau wird! - Fort. Ungeheuer! lass dich nimmer unter meiner Bande sehen! - Murrt ihr? Überlegt ihr? - Wer überlegt, wenn ich befehle? - Fort mit ihm, sag ich - Es sind noch mehr unter euch, die meinem Grimm reif sind. Ich kenne dich, Spiegelberg. Aber ich will nächstens unter euch treten und fürchterlich Musterung halten. (Sie gehen zitternd ab.)

[2.3.4] (Moor allein, heftig auf und ab gehend.)

Höre sie nicht, Rächer im Himmel! - Was kann ich dafür? was kannst du dafür, wenn deine Pestilenz, deine Teuerung, deine Wasserfluten den Gerechten mit dem Bösewicht auffressen? Wer kann der Flamme befehlen, dass sie nicht auch durch die gesegneten Saaten wüte, wenn sie das Genist der Hornissel67 zerstören soll? - O pfui über den Kindermord! den Weibermord! - den Krankenmord! Wie beugt mich diese Tat! Sie hat meine schönsten Werke vergiftet - Da steht der Knabe, schamrot und ausgehöhnt vor dem Auge des Himmels, der sich anmaßte, mit Jupiters Keule zu spielen, und Pygmäen68 niederwarf, da er Titanen69 zerschmettern sollte - Geh! geh! du bist der Mann nicht, das Rachschwert der obern Tribunale70 zu regieren, du erlagst bei dem ersten Griff - Hier entsag ich dem frechen Plan, gehe, mich in irgend eine Kluft der Erde zu verkriechen, wo der Tag vor meiner Schande zurücktritt. (Er will fliehen.)

[2.3.5] RÄUBER (eilig.) Sieh dich vor, Hauptmann! Es spukt! Ganze Haufen böhmischer Reiter schwadronieren71 um Holz herum - der höllische Blaustrumpf72 muss ihnen verträtscht73 haben -

NEUE RÄUBER. Hauptmann, Hauptmann! Sie haben uns die Spur abgelauert - rings ziehen ihre etliche tausend einen Kordon74 um den mittlern Wald.

NEUE RÄUBER. Weh, weh, weh! Wir sind gefangen, gerädert, wir sind gevierteilt! Viele tausend Husaren, Dragoner und Jäger sprengen um die Anhöhe und halten die Luftlöcher besetzt. (Moor geht ab.)

[2.3.6] (Schweizer. Grimm. Roller. Schwarz. Schufterle. Spiegelberg. Razmann. Räubertrupp.)

SCHWEIZER. Haben wir sie aus den Federn geschüttelt? Freu dich doch, Roller! Das hab ich mir lange gewünscht, mich mit so Kommissbrotrittern75 herumzuhauen - Wo ist der Hauptmann? Ist die ganze Bande beisammen? Wir haben doch Pulver genug?

RAZMANN. Pulver die schwere Meng. Aber unser sind achtzig in allem, und so immer kaum einer gegen ihrer Zwanzig.

SCHWEIZER. Desto besser! und lass es fünfzig gegen meinen großen Nagel sein - Haben sie so lang gewartet, bis wir ihnen die Streu unterm Arsch angezündet haben - Brüder, Brüder! so hats keine Not. Sie setzen ihr Leben an zehn Kreuzer, fechten wir nicht für Hals und Freiheit? - Wir wollen über sie her wie die Sündflut und auf ihre Köpfe herabfeuern wie Wetterleuchten - Wo, zum Teufel! ist dann der Hauptmann?

SPIEGELBERG. Er verlässt uns in dieser Not. Können wir denn nicht mehr entwischen?

SCHWEIZER. Entwischen?

SPIEGELBERG. Oh! warum bin ich nicht geblieben in Jerusalem!

SCHWEIZER. So wollt' ich doch, dass du im Kloak76 ersticktest, Dreckseele du! Bei nackten Nonnen hast du ein großes Maul, aber wenn du zwei Fäuste siehst, - Memme, zeige dich jetzt, oder man soll dich in eine Sauhaut nähen und durch Hunde verhetzen lassen.

RAZMANN. Der Hauptmann, der Hauptmann!

[2.3.7] (Moor langsam vor sich.)

MOOR. Ich habe sie vollends ganz einschließen lassen, jetzt müssen sie fechten wie Verzweifelte. (Laut.) Kinder! Nun gilts! Wir sind verloren, oder wir müssen fechten wie angeschossene Eber.

SCHWEIZER. Ha! ich will ihnen mit meinen Fangern77 den Bauch schlitzen, dass ihnen die Kutteln schuhlang herausplatzen! - Führ uns an, Hauptmann! Wir folgen dir in den Rachen des Todes.

MOOR. Ladet alle Gewehre! Es fehlt doch Pulver nicht?

SCHWEIZER (springt auf) Pulver genug, die Erde gegen den Mond zu sprengen!

RAZMANN. Jeder hat fünf paar Pistolen geladen, jeder noch drei Kugelbüchsen dazu.

MOOR. Gut, gut! Und nun muß eine Teil auf die Bäume klettern, oder sich in Dickicht verstecken, und Feuer auf sie geben im Hinterhalt -

SCHWEIZER. Da gehörst du hin, Spiegelberg!

MOOR. Wir andern, wie Furien, fallen ihnen in die Flanken!

SCHWEIZER. Darunter bin ich, ich!

MOOR. Zugleich muss jeder sein Pfeifchen hören lassen, im Wald herumjagen, daß unsere Anzahl schröcklicher werde: auch müssen alle Hunde los, und in ihre Glieder gehetzt werden, daß sie sich trennen, zerstreuen und euch in den Schuß rennen. Wir drei, Roller, Schweizer und ich, fechten im Gedränge!

SCHWEIZER. Meisterlich, vortrefflich! - Wir wollen sie zusammenwettern, dass sie nicht wissen, wo sie die Ohrfeigen herkriegen. Ich habe wohl ehe eine Kirsche vom Maul weggeschossen. lass sie nur anlaufen. (Schufterle zupft Schweizern, dieser nimmt den Hauptmann beiseite und spricht leise mit ihm.)

MOOR. Schweig!

SCHWEIZER. Ich bitte dich -

MOOR. Weg! Er dank es seiner Schande, sie hat ihn gerettet. Er soll nicht sterben, wenn ich und mein Schweizer sterben und mein Roller. lass ihn die Kleider ausziehen, so will ich sagen, er sei ein Reisender, und ich habe ihn bestohlen - Sei ruhig, Schweizer! Ich schwöre darauf, er wird doch noch gehangen werden.

[2.3.8] (Pater tritt auf.)

PATER (vor sich, stutzt). Ist das das Drachennest? - Mit eurer Erlaubnis, meine Herren! Ich bin ein Diener der Kirche, und draußen stehen Siebenzehnhundert, die jedes Haar auf meinen Schläfen bewachen.

SCHWEIZER. Bravo! bravo! Das war wohlgesprochen, sich den Magen warm zu halten.

MOOR. Schweig, Kamerad! - Sagen Sie kurz, Herr Pater! Was haben Sie hier zu tun?

PATER. Mich sendet die hohe Obrigkeit, die über Leben und Tod spricht - Ihr Diebe - ihr Mordbrenner, - ihr Schelmen - giftige Otterbrut, die im Finstern schleicht und im Verborgenen sticht - Aussatz78 der Menschheit - Höllenbrut, - köstliches Mahl für Raben und Ungeziefer - Kolonie für Galgen und Rad -

SCHWEIZER. Hund! hör auf zu schimpfen, oder - (Er drückt ihm den Kolben vors Gesicht.)

MOOR. Pfui doch, Schweizer! du verdirbst ihm ja das Konzept - er hat seine Predigt so brav auswendig gelernt - Nur weiter, mein Herr! - »für Galgen und Rad?«

PATER. Und doch, feiner Hauptmann! Herzog der Beutelschneider79! Gaunerkönig! Großmogul80 aller Schelmen unter der Sonne! - Ganz ähnlich jenem ersten abscheulichen Rädelsführer, der tausend Legionen schuldloser Engel in rebellisches Feuer fachte und mit sich hinab in den tiefen Pfuhl der Verdammung zog - das Zetergeschrei verlassener Mütter heult deinen Fersen nach, Blut saufst du wie Wasser, Menschen wägen auf deinem mörderischen Dolch keine Luftblase auf. -

MOOR. Sehr wahr, sehr wahr! Nur weiter!

PATER. Was? sehr wahr, sehr wahr? Ist das auch eine Antwort?

MOOR. Wie, mein Herr? drauf haben Sie sich wohl nicht gefasst gemacht? Weiter, nur weiter! Was wollten Sie weiter sagen?

PATER (im Eifer). Entsetzlicher Mensch! hebe dich weg von mir! Picht nicht das Blut des ermordeten Reichsgrafen an deinen verfluchten Fingern? Hast du nicht das Heiligtum des Herrn mit diebischen Händen durchbrochen und mit einem Schelmengriff die geweihten Gefäße des Nachtmahls entwandt? Wie? hast du nicht Feuerbrände in unsere gottesfürchtige Stadt geworfen? und den Pulverturm über die Häupter guter Christen herabgestürzt? (mit zusammengeschlagenen Händen.) Gräuliche, gräuliche Frevel, die bis zum Himmel hinaufstinken, das jüngste Gericht waffnen, dass es reißend daherbricht! Reif zur Vergeltung, zeitig zur letzten Posaune!

MOOR. Meisterlich geraten bis hieher! aber zur Sache! Was lässt mir der hochlöbliche Magistrat durch Sie kund machen?

PATER. Was du nie wert bist, zu empfangen - Schau um dich, Mordbrenner! was nur dein Auge absehen kann, bist du eingeschlossen von unsern Reitern - hier ist kein Raum zum Entrinnen mehr - so gewiss Kirschen auf diesen Eichen wachsen, und diese Tannen Pfirsiche tragen, so gewiss werdet ihr unversehrt diesen Eichen und diesen Tannen den Rücken kehren.

MOOR. Hörst dus wohl, Schweizer? - Aber nur weiter!

PATER. Höre denn, wie gütig, wie langmütig das Gericht mit dir Böswicht verfährt: wirst du jetzt gleich zum Kreuz kriechen und um Gnade und Schonung flehen, siehe, so wird dir die Strenge selbst Erbarmen, die Gerechtigkeit eine liebende Mutter sein - sie drückt das Auge bei der Hälfte deiner Verbrechen zu und lässt es - denk doch! - und lässt es bei dem Rade bewenden.

SCHWEIZER. Hast dus gehört, Hauptmann? Soll ich hingehn und diesem abgerichteten Schäferhund die Gurgel zusammenschnüren, dass ihm der rote Saft aus allen Schweißlöchern sprudelt? -

ROLLER. Hauptmann! - Sturm, Wetter und Hölle! - Hauptmann! - wie er die Unterlippe zwischen die Zähne klemmt! Soll ich diesen Kerl das Oberst zu unterst unters Firmament wie einen Kegel aufsetzen?

SCHWEIZER. Mir! mir! lass mich knien, vor dir niederfallen! Mir lass die Wollust, ihn zu Brei zusammenzureiben! (Pater schreit.)

MOOR. Weg von ihm! Wag es Keiner, ihn anzurühren! - (Zum Pater, indem er seinen Degen zieht.) Sehen Sie, Herr Pater! hier stehn Neunundsiebenzig, deren Hauptmann ich bin, und weiß keiner auf Wink und Kommando zu fliegen oder nach Kanonenmusik zu tanzen, und draußen stehen Siebenzehnhundert, unter Musketen81 ergraut - aber hören Sie nun! so redet Moor, der Mordbrenner Hauptmann: Wahr ists, ich habe den Reichsgrafen erschlagen, die Dominikuskirche angezündet und geplündert, hab Feuerbrände in eure bigotte Stadt geworfen und den Pulverturm über die Häupter guter Christen herabgestürzt - aber das ist noch nicht alles. Ich habe noch mehr getan. (Er streckt seine rechte Hand aus.) Bemerken Sie die vier kostbaren Ringe, die ich an jedem Finger trage? - Gehen Sie hin und richten Sie Punkt für Punkt den Herren des Gerichts über Leben und Tod aus, was Sie sehen und hören werden - diesen Rubin zog ich einem Minister vom Finger, den ich auf der Jagd zu den Füßen seines Fürsten niederwarf. Er hatte sich aus dem Pöbelstaub zu seinem ersten Günstling emporgeschmeichelt, der Fall seines Nachbars war seiner Hoheit Schemel - Tränen der Waisen huben ihn auf. Diesen Demant82 zog ich einem Finanzrat ab, der Ehrenstellen und Ämter an die Meistbietenden verkaufte und nicht trauernden Patrioten von seiner Türe stieß. - Diesen Achat trag ich einem Pfaffen Ihres Gelichters zur Ehre, den ich mit eigener Hand erwürgte, als er auf offener Kanzel geweint hatte, dass die Inquisition83 so in Zerfall käme - ich könnte Ihnen noch mehr Geschichten von meinen Ringen erzählen, wenn mich nicht schon die paar Worte gereuten, die ich mit Ihnen verschwendet habe -

PATER. O Pharao! Pharao!

MOOR. Hört ihrs wohl? Habt ihr den Seufzer bemerkt? Steht er nicht da, als wollte er Feuer vom Himmel auf die Rotte Korah84 herunter beten, richtet mit einem Achselzucken, verdammt mit einem christlichen Ach! - Kann der Mensch denn so blind sein? Er, der die hundert Augen des Argus85 hat, Flecken an seinem Bruder zu spähen, kann er so gar blind gegen sich selbst sein? - Da donnern sie Sanftmut und Duldung aus ihren Wolken, und bringen dem Gott der Liebe Menschenopfer, wie einem feuerarmigen Moloch - predigen Liebe des Nächsten, und fluchen den achtzigjährigen Blinden von ihren Türen hinweg - stürmen wider den Geiz, und haben Peru um goldner Spangen willen entvölkert86 und die Heiden wie Zugvieh vor ihre Wagen gespannt. - Sie zerbrechen sich die Köpfe, wie es doch möglich gewesen wäre, dass die Natur hätte können einen Ischariot87 schaffen, und nicht der Schlimmste unter ihnen würden den dreieinigen Gott um zehn Silberlinge verraten. - O über euch Pharisäer88, euch Falschmünzer der Wahrheit, euch Affen der Gottheit! Ihr scheut euch nicht, vor Kreuz und Altären zu knien, zerfleischt eure Rücken mit Riemen und foltert euer Fleisch mit Fasten; ihr wähnt mit diesen erbärmlichen Gaukeleien demjenigen einen blauen Dunst vorzumachen, den ihr Toren doch den Allwissenden nennt, nicht anders, als wie man der Großen am bittersten spottet, wenn man ihnen schmeichelt, dass sie die Schmeichler hassen; ihr pocht auf Ehrlichkeit und exemplarischen Wandel, und der Gott, der euer Herz durchschaut, würde wider den Schöpfer ergrimmen, wenn er nicht eben der wäre, der das Ungeheuer am Nilus89 erschaffen hat. - Schafft ihn aus meinen Augen!

PATER. Dass ein Bösewicht noch so stolz sein kann!

MOOR. Nicht genug - Jetzt will er stolz reden. Geh hin und sage dem hochlöblichen Gericht, das über Leben und Tod würfelt - Ich bin kein Dieb, der sich mit Schlaf und Mitternacht verschwört und auf der Leiter groß und herrisch tut - Was ich getan habe, werd ich ohne Zweifel einmal im Schuldbuch des Himmels lesen; aber mit seinen erbärmlichen Verwesern90 will ich kein Wort mehr verlieren. Sag ihnen, mein Handwerk ist Wiedervergeltung - Rache ist mein Gewerbe. (Er kehrt ihm den Rücken zu.)

PATER. Du willst also nicht Schonung und Gnade? - Gut, mit dir bin ich fertig. (Wendet sich zu der Bande.) So höret denn ihr, was die Gerechtigkeit euch durch mich zu wissen tut! - Werdet ihr jetzt gleich diesen verurteilten Missetäter gebunden überliefern, seht, so soll euch die Strafe eurer Gräuel bis auf das letzte Andenken erlassen sein - die heilige Kirche wird euch verlorne Schafe mit erneuerter Liebe in ihren Mutterschoß aufnehmen, und jedem unter euch soll der Weg zu einem Ehrenamt offen stehn. (Mit triumphierendem Lächeln.) Nun, nun? Wie schmeckt das, Majestät? - Frisch also! Bindet ihn, und seid frei!

MOOR. Hört ihrs auch? Hört ihr? Was stutzt ihr? Was steht ihr verlegen da? Sie bietet euch Freiheit, und ihr seid wirklich schon ihre Gefangenen. - Sie schenkt euch das Leben, und das ist keine Prahlerei, denn ihr seid wahrhaftig gerichtet - Sie verheißt euch Ehren und Ämter, und was kann euer Los anders sein, wenn ihr auch obsiegt, als Schmach und Fluch und Verfolgung. - Sie kündigt euch Versöhnung vom Himmel an, und ihr seid wirklich verdammt. Es ist kein Haar an keinem unter euch, das nicht in die Hölle fährt. Überlegt ihr noch? Wankt ihr noch? Ist es so schwer, zwischen Himmel und Hölle zu wählen? Helfen Sie doch, Herr Pater!

PATER (vor sich). Ist der Kerl unsinnig? - (Laut.) Sorgt ihr etwa, dass dies eine Falle sei, euch lebendig zu fangen? - Lest selbst, hier ist der Generalpardon91 unterschrieben. (Er gibt Schweizern ein Papier.) Könnt ihr noch zweifeln?

MOOR. Seht doch, seht doch! Was könnt ihr mehr verlangen? - Unterschrieben mit eigener Hand - es ist Gnade über alle Grenzen - oder fürchtet ihr wohl, sie werden ihr Wort brechen, weil ihr einmal gehört habt, dass man Verrätern nicht Wort hält? - O seid außer Furcht! Schon die Politik könnte sie zwingen, Wort zu halten, wenn sie es auch dem Satan gegeben hätten. Wer würde ihnen in Zukunft noch Glauben beimessen? Wie würden sie je einen zweiten Gebrauch davon machen können? - Ich wollte drauf schwören, sie meinens aufrichtig. Sie wissen, dass ich es bin, der euch empört und erbittert hat; euch halten sie für unschuldig. Eure Verbrechen legen sie für Jugendfehler, für Übereilungen aus. Mich allein wollen sie haben, ich allein verdiene zu büßen. Ist es nicht so, Herr Pater?

PATER. Wie heißt der Teufel, der aus ihm spricht? - Ja freilich, freilich ist es so - der Kerl macht mich wirbeln92.

MOOR. Wie, noch keine Antwort? denkt ihr wohl gar mit den Waffen noch durchzureißen? Schaut doch um euch, schaut doch um euch! das werdet ihr doch nicht denken, das wäre jetzt kindische Zuversicht. - Oder schmeichelt ihr euch wohl gar, als Helden zu fallen, weil ihr saht, dass ich mich aufs Getümmel freute? - Oh glaubt das nicht! Ihr seid nicht Moor. - Ihr seid heillose Diebe! elende Werkzeuge meiner größeren Plane, wie der Strick verächtlich in der Hand des Henkers! - Diebe können nicht fallen, wie Helden fallen. Das Leben ist den Dieben Gewinn, dann kommt was Schreckliches nach - Diebe haben das Recht, vor dem Tode zu zittern. - Höret, wie ihre Hörner tönen! Sehet, wie drohend ihre Säbel daher blinken! Wie? noch unschlüssig? seid ihr toll? seid ihr wahnwitzig? - Es ist unverzeihlich! Ich dank euch mein Leben nicht, ich schäme mich eures Opfers!

PATER (äußerst erstaunt). Ich werde unsinnig, ich laufe davon! Hat man je von so was gehört?

MOOR. Oder fürchtet ihr wohl, ich werde mich selbst erstechen und durch einen Selbstmord den Vertrag zernichten, der nur an dem Lebendigen haftet? Nein, Kinder, das ist eine unnütze Furcht. Hier werf ich meinen Dolch weg, und meine Pistolen, und dies Fläschchen mit Gift, das mir noch wohlkommen sollte - ich bin so elend, dass ich auch die Herrschaft über mein Leben verloren habe - Was, noch unschlüssig? Oder glaubt ihr vielleicht, ich werde mich zur Wehr setzen, wenn ihr mich binden wollt? Seht! hier bind ich meine rechte Hand an diesen Eichenast, ich bin ganz wehrlos, ein Kind kann mich umwerfen - Wer ist der erste, der seinen Hauptmann in der Not verlässt?

ROLLER (in wilder Bewegung). Und wenn die Hölle uns neunfach umzingelte! (Schwenkt seinen Degen.) Wer kein Hund ist, rette den Hauptmann!

SCHWEIZER (zerreißt den Pardon und wirft die Stücke dem Pater ins Gesicht). In unsern Kugeln Pardon! Fort, Canaille, Sag dem Senat, der dich gesandt hat, du träfst unter Moors Bande keinen einzigen Verräter an. - Rettet, rettet den Hauptmann!

ALLE (lärmen). Rettet, rettet, rettet den Hauptmann!

MOOR (sich losreißend, freudig). Jetzt sind wir frei - Kameraden! Ich fühle eine Armee in meiner Faust - Tod oder Freiheit! Wenigstens sollen sie keinen lebendig haben! (Man bläst zum Angriff. Lärm und Getümmel. Sie gehen ab mit gezogenem Degen.)"

 

*Wechsel der Konfigurationen im Verlauf der Szene markiert.

Wort- und Sacherklärungen

1 rejizierte: ablehnen, zurückweisen

2 deliziöse: sehr wohlschmeckend´, reizend, liebenswürdig

3 Skrizler: ein Autor, der viel und schlecht schreibt, h: abwertend für den Verfasser einer Zeitung

4 Wurmdoktor: umherziehender Arzt oder Heilgehilfe, der Wurmmittel verkauft

5 par force: mit Macht, schnell

6 inquiriert: jmdn. verhören, etwas (gerichtlich) untersuchen

7 diem perdidi: angebliche Äußerung des römischen Kaisers »Titus (39-81 n. Chr.), der damit kommentierte, wenn er an einem Tag nichts Gutes getan hatte ("Amici, diem perdidi" = Freunde, ich habe den Tag verloren)

8 hasselieren: zanken, toben, (militärisch) herumplänkeln

9 Vettel: abwertend für alte Frau

10 Kopus: (lat. Körper)

11 Prälatsbauch: vornehmer Geistlicher, besonders in der Römischen Kirche, wo man Bischöfe und Äbte, und aus Achtung zuweilen alle vornehmen Äbte Prälaten zu nennen pflegt (Adelung); in der Satire ist der schlemmende und ein sexuell ausschweifendes Leben führende Prälat häufiges Thema

12 Judizium: (lat.) Urteil

13 Weidenstotzen: Weidenstumpf

14 Grütz: Verstand, ("Grütz im Kopf")

15 Graubündner Land: »Graubünden ist eine Schweizer Kanton; Schiller zielte wohl mit diesem Satz auf einen aus der Schweiz stammenden und allseits unbeliebten Aufseher in der Karlsschule. Für Herzog Carl Eugen von Württemberg bot die Stelle den Anlass, Schiller das weiter Verfassen von "Komödien" zu untersagen, weil sie außenpolitische Probleme schaffen könnten. In mehreren Zeitungsartikeln wurde das Ganze thematisiert und in der Ständeversammlung in »Chur diskutiert. (vgl. Grawe 1976/2002, S.43)

16 hinausvotiert: entweder "hinauswünschen" (lat. votere) oder "verbieten" (lat. vetare)

17 Bettelvögten, Stadtpatrollannten und Zuchtknechten: Beamte der Stadt, die für die Aufsicht über die in einer Stadt lebenden Bettler, die Stadtwächter und die städtischen Gefängnisse (Zuchthäuser) hatten

18 »Diogenes von Sinope (413 v. Chr. - 323 v. Chr), gr. Philosoph, der zur Strömung des Kynismus zählt; bis heute bekannt vor allem durch seine Bedürfnislosigkeit. "Diogenes erkannte ausschließlich die Elementarbedürfnisse nach Essen, Trinken, Kleidung, Behausung und Geschlechtsverkehr an. Alle darüber hinausgehenden Bedürfnisse solle man ablegen, so soll er sogar gegen die verzichtbaren Bedürfnisse trainiert haben: Um sich körperlich abzuhärten, hat er sich im Sommer in glühend heißem Sand gewälzt und im Winter schneebedeckte Statuen umarmt. Und um sich geistig abzuhärten, trainierte er es, Wünsche nicht erfüllt zu bekommen, indem er steinerne Statuen um Gaben anbettelte. (...)  Etlichen Anekdoten ist schließlich auch zu entnehmen, dass Diogenes Bequemlichkeit nicht nur ablehnte, sondern wohl auch als Ursache vieler Übel seiner Zeit ansah.
Lust und Lustempfindungen scheint Diogenes weder als besonders wertvoll noch als unbedingt notwendig angesehen zu haben, er nahm aber beispielsweise die Lust, die man bei sexueller Betätigung empfindet, als zumindest unvermeidlich hin. Sexuelle Betätigung (wie etwa Masturbation) sei jedenfalls der Natur gemäß und ein elementares Bedürfnis." (Wikipedia) Diogenes wird auch nachgesagt, dass er am helllichten Tag mit einer Laterne auf dem Marktplatz "Menschen" gesucht habe,

19 Praktikus: (lat.) Praktiker, i. S. v. praktisch veranlagter Mensch - Hamen: ein beutelförmiges Netz, dessen Öffnung an einem Reifen mit einem Stiele befestiget ist; Jäger nutzten es zum Hühnerfang, Fischer aber auch zum Fischfang;

20 hebst: i. S. von hältst

21 notabene: (lat.) wohlgemerkt,

22 schelmische: h: i. S. v. schurkisch

23 incidenter: (lat.) bei Gelegenheit, so nebenbei

24 das hab ich aus meiner starken Praxi wohl fünfzigmal abstrahiert: ... aus eigener Erfahrung gefolgert

25 Pfiffe: im übertragenen Sinne eine Handlung, welche einen andern Endzweck hat, als sie dem äußern Anscheine nach zu haben scheint; besonders wenn sie auf den Schaden des andern gerichtet ist. h: i. S. von Kunstgriffe, Kniffe,

26 den hab ich schön ins Garn gekriegt: hereinlegen, übertölpeln, fangen wie die Vögel in Fangnetzen (vgl. Grawe 1976/2002, S.44)

27 den Zopf hinaufschlagen: Soldaten legten bei verschiedenen Gelegenheiten ihren Zopf im Nacken über die Schulter nach vorn, damit er sie z. B. beim Marschieren nicht behinderte. Spiegelbergs Äußerung zielt demnach darauf, den jungen Mann aufzufordern, mit ihm zu marschieren. (vgl. Grawe 1976/2002, S.44)

28 guter Schlucker: jemand, der viel trinkt und isst; später eher abwertend i. S. von "armer Schlucker", der bemitleidet werden sollte.

29 Mäkler: Makler; Person, die Geschäfte vermittelt

30 das zehnte Exemplar gratis: bei »Subskriptionen, das ähnlich dem Abonnement bei Zeitschriften, ein Vorabverkaufsverfahren im Buchhandel darstellte, gewährten die Buchhändler ihren Kunden gewöhnlich das 10. Exemplar gratis

31 Regensburg: »Stadt Regenburg, in der in der »Frühen Neuzeit im »Heiligen Römischen Reich die dauerhafte Vertretung der »Reichsstände, der »Immerwährende Reichstag abgehalten wurde.

32 brettelte: ein Brettspiel spielen

33 Terzerolen: kleine Pistolen

34 Grillen: in enger Bedeutung, künstliche mühsame Gedanken und Vorstellungen ohne Nutzen.; im Plural Bezeichnung für das Nachhängen in tiefsinnigen verdrießlichen Gedanken, als oft auch Grübeln in einer Art melancholischen Gemütsverfassung

35 auf der Tortur examiniert: mit Foltermethoden verhört

36 Kapuzinerskutte: Kutte (Mönchsgewand) der »Kapuziner, eines Ordens, dessen Name sich von der markanten Kapuze des Franziskaner»habits ableitet. Er zählt zu den »franziskanischen Orden.
Die Kapuziner zeichneten sich einerseits durch eine besondere Liebe zur Stille und zum Gebet aus, andererseits aber auch durch die Nähe zum einfachen Volk und zu den Armen.

37 Memento mori: (lat.) Bedenke, dass du sterblich bist.

38 Rabensteine: Platz, an dem Verbrecher hingerichtet wurden und Raben vom Aas fraßen

39 Nürnberger: Der Spruch soll von dem Raubritter »Eppelein von Gailingen (1321-1381) stammen, der es gelang, durch einen Sprung mit seinem Pferd aus der Gefangenschaft in der Nürnberger Burg auszubrechen. (vgl. Grawe 1976/2002, S.46)

40 Feueresse des Plutos: »Pluto(n) als Name für den gr. Gott der Unterwelt bzw. »Totenwelt, »Hades; hier wohl verstanden als Herrscher über die Hölle, die einen Schornstein (Feueresse) besitzt (vgl. Grawe 1976/2002, S.46)

41 recta: (lat.) direkt, geradewegs

42 in den Schoß Abrahams: »Abraham ist nach dem biblischen Buch Genesis beziehungsweise Bereschit (Gen 12–25 EU)[2] zusammen mit seinem Sohn »Isaak und seinem Enkel »Jakob einer der drei »Erzväter des Volkes Israel. Hier Anspielung auf eine Stelle im Lukasevangelium (16,22): Es begab sich aber, dass der Arme [»Lazarus] starb und ward getragen in Abrahams Schoß." (vgl. Grawe 1976/2002, S.47)

43 auf die Anatomie verhandelt: hingerichtete Verbrecher wurden häufig anatomischen Instituten zur Verfügung gestellt, die die Leichen sezierten

44 liege tüchtig im Salz: (mundartlich) befinde sich in höchster Gefahr, größter Not

45 Expressen: Eilbote

46 Galgenpsalm: Mancherorts sangen Schulkinder oder andere Personen Sterbelieder, während sie einen Verurteilten zur Hinrichtung am Galgen begleiteten

47 Mordbleu: Kurzform des frz. Fluchs "à la mort de dieu" (beim Tode Gottes)

48 Klafter: ein altes Längenmaß, so lang, als eine Person mit ausgestreckten Armen greifen kann

49 »Gomorrha und Sodom: beide Städte werden in der »Bibel  von Gott werden ihrer Sündhaftigkeit zerstört

50 infernalischen: höllischen, teuflischen

51 Lots Weib: Im Tanach, der hebräischen Bibel, ist Lot die Hauptfigur der Erzählung vom Gottesgericht über die Stadt Sodom. Als zwei Engel in der sündigen Stadt Sodom nach Gerechten suchen, die vor der drohenden Zerstörung Sodoms durch Gott gerettet werden sollen, nimmt Lot die zwei Fremden bei sich auf. Die Sodomiter fordern die Engel für sich, um über sie herzufallen, worauf Lot aus Verzweiflung der Meute seine jungfräulichen Töchter anbietet. Die Engel bewahren die Familie vor dem Mob, führen sie vor die Stadt und gebieten ihr zu fliehen. Als Lots Ehefrau, während der Flucht entgegen dem Verbot der Engel zurückblickt, erstarrt sie zu einer Salzsäule. Jesus nahm nach dem Bericht des »Lukasevangeliums Bezug auf die Geschehnisse um Lot und Sodom: "Und es wird ebenso sein, wie es zur Zeit des Lot war: Sie aßen und tranken, kauften und verkauften, pflanzten und bauten. Aber an dem Tag, als Lot Sodom verließ, regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel und alle kamen um. Ebenso wird es an dem Tag sein, an dem sich der Menschensohn offenbart“ (Lk 17,28–30 EU). In Lk 17,32 EU erinnert Jesus in diesem Zusammenhang besonders an das Schicksal der ungehorsamen Frau Lots: "Denkt an die Frau des Lot!" (vgl. Wikipedia)

52 Antezessor: (Amts-)Vorgänger

53 Himmelsfass: Vorstellung, wonach der Himmel wie ein Gewölbe über der Erde liegt (vgl. Grawe 1976/2002, S.48)

54 Abfall: Absinken der Temperatur

55 Nun ists ja verschwitzt: ausgestanden, wie nach einer Krankheit, die man ausgeschwitzt hat

56 Mammon: meist mit verächtlichem Akzent für irdischen Reichtum, um den sich alles dreht; im Alten Testament

57 Harlekinsprung; zur Belustigung von einem  »Harlekin bei seinem ersten Auftritt ausgeführter Sprung  in der »Commedia dell arte in der »Renaissancezeit, der verdeutlichte, dass es im Folgenden nicht mehr mit rechten (normalen) Dingen zugehe und die gesellschaftlichen Normen und Zwänge außer Kraft gesetzt sind: Botschaft des Sprunges "der Ambassadeur, der Verbindungsmann zur 'anderen' Welt ist da." (Kotte 2005, S.88)

58 Moloch: allg. grausame Macht, die immer wieder neue Opfer fordert und alles zu verschlingen droht; ursprünglich phönizische Gottheit, der nach bibl. Überlieferung Kinderopfer dargebracht wurden; im Alten Testament im Alten Testament Stammgott der Ammoniter. Wie allen kanaanäischen Hauptgöttern wurden auch dem Molech zur Abwendung des Zorns, zur Hilfe in schweren Notlagen und sonst Menschenopfer gebracht (vgl. 3. Mos. 18, 21; 20, 2. 5).

59 den alten Kaiser zu plündern: eigentlich auf den alten Kaiser leben, um angesichts seines kurz bevorstehenden Todes seine Schulden nicht bezahlen zu müssen, hier wohl i. S. von: plündern, ohne dafür mit einer Bestrafung rechnen zu müssen (vgl. Grawe 1976/2002, S.48f.)

60 weggekapert: durch List und Geschwindigkeit etwas oder jemanden in seine Gewalt bringen (ein Schiff auf  See, einen Brief, einen Rekruten)

61 Batzenstrick: Strick, der einen Batzen, eine Oberdeutsche Münzsorte, welche meistens reinen Wert von vier Kreuzern oder sechzehn Pfennigen besaß; allg. auch in der Verwendung für so viel Geld, das etwas kostet Strick für einen Batzen, im übertragenen Sinn auch Galgenstrick.

62 Sackuhren: Uhren für die Hosentasche (Hosensack)

63 weggebixt: im Sinne von wegblasen, hier wohl im Sinne von wegnehmen, stehlen

64 Laken vergolden: ins Bett machen

65 gravitätischen: (lat.) schwerfällig, auch: würdig, würdevoll, vornehm, stolz, gemessen im sinn einer subjektiven Eigenschaft, vereinzelt auch als eine abstrakte moralische Eigenschaft

66 abortieren: eine Fehlgeburt erleiden

67 Hornissel: Hornisse

68 »Pygmäen: ein seit dem 19. Jahrhundert eingebürgerter und weiterhin gängiger Sammelbegriff für eine Gruppe afrikanischer Völker. Er bezeichnet eine Vielzahl kulturell unterschiedlicher Gesellschaften in Zentralafrika, denen insgesamt ca. 150.000 bis 200.000 Menschen angehören. Ein gemeinsames Merkmal ist eine geringe Körpergröße. (vgl. Wikipedia)

69 »Titanen: riesenhaft-kraftvolle Menschen; in der »griechischen Mythologie Riesen und Riesinnen in Menschengestalt und ein mächtiges Göttergeschlecht, das in der legendären »Goldenen Ära herrschte.

70 der obern Tribunale: (lat.) Tribunal Hochsitz eines Oberbeamten, Sitz der Rechtsprechung, hier trotz Verwendung des Plural im Sinne von göttlichem Gericht; typisch für die Aufklärung und vor allem den jungen Schiller werden Begriffe in eindeutig christlicher Terminologie vermieden (vgl. Grawe 1976/2002, S.49)

71 schwadronieren: heute allg. viele Worte machen, schwätzen, prahlen; hier im Sinne von: herumstreichen, sich herumtreiben, mit einer Schwadron herumstreifen; dabei ist eine Schwadron gewöhnlich Unterabteilung bei der Reiterei oder Kavallerie (bei der Infanterie spricht man von Kompanie) nennt. Ihre Stärke war bei den verschiedenen Armeen der europäischen Staaten nicht gleich und umfasste etwa 100 bis höchstens 200 Pferde.

72 höllische Blaustrumpf: ursprgl. schwäbische Bez. für Gerichtsdiener, die blaue Strümpfe trugen; hier im Sinne von niederträchtiger Mensch, Teufel (vgl. Grawe 1976/2002, S.50)

73 verträtscht: (schwäb. mundartlich) ausschwatzen

74 Kordon: 7frz.) Sperrlinie, Kette, Gürtel

75 Kommissbrotritter: Kommissbrot war das rechteckiges Vollkornbrot für die Soldaten; Kommiß ehemals umgangssprachlich, teils abwertend teils scherzhaft) verwendet für Militär, Truppe; h: (geringschätzend) Soldaten

76 Kloak: Kloake als Kotgrube, Abtritt

77 Fangern: Fanger als Fangzahn des Hundes oder Ebers

78 Aussatz: auch »Lepra genannt; eine chronische Infektionskrankheit mit langer Inkubationszeit; ist mit auffälligen Veränderungen an Haut, Schleimhäuten, Nervengewebe und Knochen verbunden;

79 Beutelschneider: Dieb, der andern die Geldbeutel unvermerkt stiehlt, in dem er den Geldbeutel, der am Gürtel befestigt ist, abschneidet

80 Großmogul: Titel der Herrscher von Baber, einem Urenkel Timurs in Ostindien 1526 gegründeten islamischen Reiches;

81 »Musketen: st ein schweres, langes »Vorderladergewehr

82 Demant: Diamant

83 »Inquisition: juristisches Prozessverfahren (»Inquisitionsverfahren) sowie damit arbeitende Institutionen bezeichnet, die im »Spätmittelalter und der »Frühen Neuzeit zur Bekämpfung von »Häresie dienten. Der Vorsitzende eines Inquisitionsgerichts heißt »Inquisitor; mit der »Reformation im frühen 16. Jahrhundert verschwand die Inquisition größtenteils aus Deutschland.

84 Rotte Korah: hier im Sinne von zügellose Horde; Kore, der Sohn Isaars aus der Levitenfamilie Kaath, führte aus Unzufriedenheit, weil das theokratische Hohepriestertum ein Privileg der Familie Aaron sein sollte, einen Aufstand an, wurde aber mit seinen Anhängern von der Erde verschlungen und damit direkt in die Hölle geschickt, nachdem »Moses Gott gebeten hatte, über den Streit zu entscheiden.

85 »Augen des Argus: ursprünglich eine Redensart aus der »griechischen Mythologie: Die Göttin »Hera ließ »Io, die in eine Kuh verwandelte Geliebte ihres Göttergatten »Zeus, von dem »Riesen »Argos (latinisiert Argus), einem treuen Diener, bewachen. Sie wollte so verhindern, dass es zu »Schäferstündchen zwischen Zeus und Io kam. Argus hatte hundert Augen, von denen jeweils nur ein Augenpaar schlief, während der Rest wachte. So konnte er Io immer im Blick behalten. Auf Befehl des Zeus schläferte der Götterbote »Hermes Argus mit seiner Panflöte ein und tötete ihn daraufhin mit seinem Schwert. Zur Erinnerung an Argus überführte die trauernde Göttin Hera seine hundert Augen in das Federkleid des Pfaus;  heute bedeutet die Redensart "mit Argusaugen beobachten" etwas unaufhörlich und unermüdlich zu beobachten und damit nicht aus den Augen zu lassen (vgl. Wikipedia)

86 Peru um goldner Spangen willen entvölkert: Im Zuge der Eroberung des »Inka-Reiches von Peru durch den spanischen Eroberer (»Conquistador) »Francisco Pizzaro (1476-1541) und seine Brüder »Hernando (1504-1578), »Gonzola (1502-1548) und »Juan (1511-1536) wurde die Bevölkerung wegen der Goldgier der Spanier dezimiert

87 Ischariot: »Judas Ischariot, der Jesus für 30 Silberlinge verraten hat

88 »Pharisäer: Im »Neuen Testament werden Vertreter der Pharisäer, einer theologische, philosophische und politische Schule im antiken »Judentum. als Heuchler kritisiert und herabgewürdigt. heute in vielen Ländern mit christlicher Tradition umgangssprachlich für besonders selbstgerechte oder heuchlerische Menschen verwendet oder auch für Positionen, die von kleinlich Kritik geprägt sind und dabei oft den Zusammenhang außer Acht lassen.

89 Ungeheuer am Nilus: Krokodil im Nil, das dem Volksglauben nach falsch war. Karl Moor spricht schon in • Szene I,2 von der •"falsche(n) heuchlerische(n) Krokodilbrut", so dass hier möglicherweise auch die Menschheit insgesamt gemeint sein könnte (vgl. Grawe 1976/2002, S.52)

90 Verwesern: Person, welche etwas verweset, d.h. die Aufsicht über etwas hat;  Vormund, Verwalter (Amtsverwalter, Gerichtsverwalter etc.)

91 Generalpardon: von einem Souverän erlassene allgemeine Amnestie, Begnadigung; allg. auch für das Gewähren einer  Schuldvergebung

92 der Kerl macht mich wirbeln: h. im Sinne von "es wirbelt mir der Kopf", völlig durcheinander bringen, verwirren, verrückt machen.

(Quellen der Sach- und Worterklärungen: Wikipedia, Grawe 1976/2002, Verschiedene Wörterbücher: Wörterbuchnetz (01/23)

Szenenschema
Szenenüberblick 2. Akt
Text: Zweiter Akt

Gesamttext /Recherche/Leseversion)

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 14.11.2023

   
 

 
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