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»Die Horen, Literarische Zeitschrift, von
▪ Friedrich Schiller als
Monatsschrift zwischen 1795 und 1797 herausgegeben; publizistisches Organ
der Weimarer Klassik; benannt nach den drei Horen, die griechischen
Göttinnen Eirene (Frieden), Eunomia (Ordnung) und Dike (Gerechtigkeit);
Zeitschrift wurde nach zwei Jahren u. a. wegen ihres zu lebensfernen und
elitären Anspruches, der kaum Leser erreichte, eingestellt;
"Zu einer Zeit, wo das nahe Geräusch des Krieges das
Vaterland ängstiget, wo der Kampf politischer Meinungen und Interessen
diesen Krieg beinahe in jedem Zirkel erneuert und nur allzu oft Musen und
Grazien daraus verscheucht, wo weder in den Gesprächen noch den in den
Schriften des Tages vor diesem allverfolgenden Dämon der Staatskritik
Rettung ist, möchte es ebenso gewagt als verdienstlich sein, den so sehr
zerstreuten Leser zu einer Unterhaltung ganz anderer Art einzuladen. In
der Tat scheinen die Zeitumstände einer Schrift wenig Glück zu
versprechen, die sich
über das Lieblingsthema des Tages ein strenges
Stillschweigen auferlegen und ihren Ruhm darin suchen wird, durch etwas
anderes zu gefallen, als wodurch jetzt alles gefällt. Aber je mehr
das
beschränkte Interesse der Gegenwart die Gemüter in Spannung setzt, einengt
und unterjocht, desto
dringender wird das Bedürfnis, durch ein allgemeines
und höheres Interesse an dem, was rein menschlich und über allen
Einfluss der Zeiten erhaben ist, sie wieder in Freiheit zu setzen und die
politische geteilte Welt unter der Fahne der Wahrheit und Schönheit wieder
zu vereinigen. Dies ist der Gesichtspunkt, aus welchem die Verfasser
dieser Zeitschrift dieselbe betrachtet wissen möchte.
Einer heitern und
leidenschaftlichen Unterhaltung soll sie gewidmet sein, und dem Geist und
Herzen des Lesers, den der Anblick der Zeitbegebenheit bald entrüstet,
bald niederschlägt, eine fröhliche Zerstreuung gewähren. Mitten in diesem
politischen Tumult soll sie für Musen und Charitinnen1 einen engen
vertraulichen Zirkel schließen, aus welchem
alles verbannt sein wird, was
mit einem unreinen Parteigeist gestempelt ist. Aber indem sie sich alle
Beziehungen auf den jetzigen Weltlauf und auf die nächsten
Erwartungen der Menschheit verbietet, wird sie
über die vergangene Welt
die Geschichte und über die kommende die Philosophie befragen, wird sie
zum Ideale veredelter Menschheit, welches durch die Vernunft aufgegeben,
in der Erfahrung aber so leicht aus den Augen gerückt wird, einzelne Züge
sammeln und
an dem stillen Bau bessrer Begriffe, reinerer Grundsätze und
edlerer Sitten, von dem zuletzt alle wahren Verbesserungen des
gesellschaftlichen Zustandes abhängt, nach Vermögen geschäftig sein.
Sowohl spielend als ernsthaft wird man im Fortgang dieser Schrift dieses
einige Ziel verfolgen, und so verschieden auch die Wege sein mögen, die
man dazu einschlagen wird, so werden doch alle, näher oder entfernter,
dahin gerichtet sein, wahre Humanität zu befördern. Man wird streben,
die
Schönheit zur Vermittlerin der Wahrheit zu machen und durch die Wahrheit
der Schönheit ein dauerndes Fundament und eine höhere Würde zu geben.
Soweit es tunlich ist, wird man
die Resultate der Wissenschaft von ihrer
scholastischen Form befreien und einer reizenden, wenigstens einfachen,
Hülle dem Gemeinsinn verständlich zu machen suchen. Zugleich aber wird man
auf dem Schauplatze der Erfahrung nach neuen Erwerbungen für die
Wissenschaft ausgehen und da nach Gesetz forschen, wo bloß der Zufall zu
spielen und die Willkür zu herrschen scheint. Auf diese Art glaubt man
zur
Aufhebung der Scheidewand beizutragen, welche die schöne Welt von
der gelehrten zum Nachteile beider trennt, gründliche Kenntnisse in
das gesellschaftliche Leben und Geschmack in die Wissenschaft einzuführen.
Man wird sich,
soweit kein edlerer Zweck darunter leidet, Mannigfaltigkeit
und Neuheit zum Ziele setzen,
aber dem frivolen Geschmack, der das Neue
bloß um der Neuheit willen sucht, keineswegs nachgeben. Übrigens wird man
sich jede Freiheit erlauben, die mit guten und schönen Sitten verträglich
ist. Wohlanständigkeit und Ordnung, Gerechtigkeit und Friede werden also
der Geist und die Regel dieser Zeitschrift sein; die drei schwesterlichen
Eunomia, Dike und Irene2 werden sie regieren. In
diesen Göttergestalten verehrte der Grieche die welterhaltende Ordnung,
aus der alles Gute fließt, und die in dem gleichförmigen Rhythmus des
Sonnenlaufs ihr treffendstes Sinnbild findet. Die Fabel macht sie zu
Töchtern der Themis3 und des Zeus4, des Gesetzes und der
Macht, des nämlichen Gesetzes, das in der Körperwelt über den Wechsel der
Jahreszeiten waltet und die Harmonie in der Geisterwelt erhält."
(aus: Friedrich Schiller, Werke in drei Bänden,S.667-669)
Worterklärungen:
1 Charitinnen: Göttinnen der Anmut
2 »Horen sind die griechischen Göttinnen der
Jahreszeiten, Eunomia = "Wohlgesetzlichkeit", Dike = "Gerechtigkeit",
Irene = "Friede"
3 »Themis:
n der griechischen Mythologie Tochter des »Uranos
und der »Gaia
und gehört zum Göttergeschlecht der »Titanen.
Sie war Frau des und Mutter der »Horen
(der Jahreszeiten); Göttin der Gerechtigkeit, der Sitte und der Ordnung
sowie der Philosophie.
4 »Zeus:
in der griechischen Mythologie oberste Gottheit in der »olympischen
Götterwelt
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023