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Im schulischen Literaturunterricht
sind →Fabeln häufig Gegenstand in den
Altersstufen jüngerer Schülerinnen und Schüler von der Grundschule bis zu
den ersten Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I. In Sekundarstufe II spielen
sie hingegen meistens keine Rolle mehr, wenngleich die Beschäftigung mit
Fabeln durchaus lohnenswert sein kann. Dass man aus Gattungen ein irgendwie
taugliches Curriculum ableiten kann, ist auch in der Fachdidaktik längst
kein Thema mehr (vgl.
Abraham/Kepser 2. Aufl. 2006, S.34f.) Von daher betrachtet können Fabeln
also in allen Altersstufen geeignete Texte im Literaturunterricht sein, wenn
sie auf einem altersangemessenen Niveau Lerngegenstand werden.
Im Übrigen ist dies ein Gedanke, der auch schon »Johann
Gottfried Herder (1744-1803) und »Gottlieb
Ephraim Lessing (1729-1781) beschäftigt hat. Von »Johann
Gottfried Herder (1744-1803), der dem Denken in Analogien in jedem Alter
eine substantielle Bedeutung beimaß, stammen dazu u. a. die folgenden
didaktischen Empfehlungen:
"Jeder
Lehrer indessen schäme sich mit seinem Lehrlinge dieser Mühe nicht
nicht. Statt die Moral der Dichtung weitläufig zu erklären und über sie
zu moralisieren, i) setze er sie in einen Fall der Anwendung und je mehr
dieser mit dem erdichteten übereinkommt, desto eindrücklicher, lebhafter
und schöner wir dem Lehrlinge die Geschichte der Fabel. Wie Lessing als
einen heuristischen Nutzen dieser Dichtungsart für die Schulen zu
Bildung der Genies vorschlug, k) "indem man die Geschichte derselben
bald eher abbricht, bald weiter fortführt, bald diesen und jenen Umstand
so verändert, dass sich eine andere Moral darin erkennen lässt" und von
diesem Spiel der Erfindung selbst schöne Beispiele gegeben hat: so
möchte ich zu Bildung kluger Köpfe einen andern Gebrauch der Fabel
vorschlagen, der sowohl auf die Anwendung der Fabel selbst, als auf die
Erfindung ähnlicher Fälle zum wirklichen Gebrauch des Lebens wiese, Es
wäre nämlich die reine Erzählung der Situation, auf welche die Dichtung
passt und war eine treffende Erzählung nach allen Umständen der Fabel.
Hier lernte der Jüngling nicht nur einen allgemeinen Satz aus einer
Geschichte finden und einen neuen aus einer veränderten Situation
abstrahieren; (eine Übung, der ich ihren Nutzen nicht absprechen will;)
sondern er gewöhnte sich in der Fabel selbst das Wesentliche vom
Unnötigen zu unterscheiden, die ganze Situation derselben praktisch
anzusehen und die brauchbarste seiner Seelenkräfte, die analogische
Erfindungskraft zu üben. In jedem Stand des Lebens ist uns diese
unentbehrlich. [...] Die Bildung solcher praktischen Klugheit erfand Aesop seine Fabeln: nicht zum Behuf der Abstraktion einer allgemeinen
moralischen Wahrheit. Er lehrte die Menschen, sich durch Erinnerung
ähnlicher Fälle zurechtzufinden im Leben und legte ihnen in seinen
Erfindungen dergleichen ihrer Situation zutreffende Fälle vor. Den Sinn
derselben ließ er sie selbst abstrahieren und auf ihre Lage anwenden.
[...] Ich kenne keine nützlichere Bildung menschliche Seelenkräfte, als
diese Übung der Analogie, ähnliche Fälle zu erdenken und in ihnen das
Ähnlich auf treffende Art genau zu bezeichnen." (Herder, Über Bild,
Dichtung und Parabel, in: ders., Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung,
Gotha 1787, S.151-154)
So wenig es also ein (didaktisch besonders fruchtbares) Balladenalter
gibt, so wenig gibt es auch ein Fabelalter. In seinem Blog hat »norberto68
unter dem Eintrag: »Fabeln
als Formen bildhaften Denkens und Sprechens - Fabeln analysieren"
drei "gute Gründe" aufgeführt, die für die Beschäftigung mit der Fabel auch
in einer 11. Klasse sprechen:
"1. Man kann die Bedeutung des Aufbaus eines Textes für das
Verständnis sowie die Problematik verschiedener Konzeptionen vom
'Aufbau' eines Textes vorführen.
2. Da Fabeln kurze Texte sind, kann man in kurzer Zeit viele kennen
lernen. Das macht es möglich auch den Wandel von Motiven (etwa von 'Wolf
und Lamm') und dessen Bedingtheit (Änderung im Situationsbezug,
spielerische Variation) aufzuzeigen.
3. Ferner ist es möglich, die Geschichte einer Gattung von der Antike
bis in die Gegenwart zu verfolgen: Fabeln wurden ursprünglich in der
öffentlichen Auseinandersetzung zur Argumentation verwendet, wie wir von
Aristoteles wissen. Sie dienten als Beispiel, mit dem in einem konkreten
Fall eine Handlungsweise der Hörer als falsch / richtig begründet wurde.
Heute werden Fabeln so nicht mehr verwendet; sie dienen entweder zur
allgemeinen Belehrung (etwa für Kinder), allgemein zur
politisch-sozialen Kritik (wie bei Lessing) oder zur literarischen
Unterhaltung; sie wenden sich an Leser."
In seinem älteren Blog hat »norberto42
(1. Oktober 2007) die Versionen der Fabel "Der Fuchs und der Rabe" von
Phaedrus, über Barbrios, Lessing, Thurber und Otto Waalkes ("Das Märchen von
dem Fuchs und dem Raben") verglichen und damit ein Beispiel für die
diachrone Analyse einer Fabel und ihrer Bearbeitungen in verschiedenen
Zeiten vorgelegt.*
Gängige methodisch-didaktische Konzepte im Umgang mit Fabeln
Fabeln können auf vielfältige Art und Weise Gegenstand des Unterrichts
sein.
Nützliche Links ins Internet.
* Bild von Herder:
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
02.11.2013 |
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