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books, Ausgabe 1668
In seinem Roman "Das
Wandelbahre Glück/ in einer angenehmen und wahrhafften Liebes-
und Lebensgeschichte des verkehrten und wieder bekehrten Tychanders
vorgestellet" von
» Hieronymus Dürer (1641-1704). einem Hauslehrer und später
lutherischen Pfarre und Superintendenten, aus dem Jahr 1668 erzählt
der auktoriale Ich-Erzähler Tychander seine Lebensgeschichte. Der
moralisierende Unterhaltungsroman war in seiner Zeit sehr
erfolgreich und wurde mehrfach wieder aufgelegt.
»Das 5. Capitel.
Tychander beklagt sein Unglück, und suchet Hülffe bey seiner
Liebsten, wird aber
von ihr schlecht abgewiesen.
Weil ich nun solcher Gestalt von allen meinen vermeynten Freunden
verlassen war, und mich bey keinem einhiger Hülffe getrösten durffte
(denn ich wurde bey den andern allen gleicher massen abgewiesen
[...]) fiel mir noch zuletzt ein, meine allergetreueste, und bis auf
die Letzte Athems-Houng beständige Liebhaberin, Dolosette. Die,
meynte ich, würde, wenn alle andere von mir absetzten, allein
getreulich bey mir halten, und ihre zuvor so hoch gerühmte Liebe in
der That anjetzo gegen mich
erweisen, und mit dem, was ihr immer
möglich aufzubringen, meiner Noth zu Steuer kommen. In solcher
Hoffnung ging ich zu ihr. Ich schämte mich zwar Anfangs, diejenige
um Geld anzusprechen, der ich immer zu geben gewöhnet war, nicht
aber von ihr zu nehmen: aber Noth überwog die Schaam. So bald ich
ins Haus kam, merckte ich alsodald, daß es nicht war wie gestern und
ehegestern: Denn sie hatte es ebenmässig
verstanden, wie es mit
meinen Sachen anjetzo stunde, darum wurde ich lang nicht so höflich
weder von der Magd noch von der Jungfer empfange, als sonsten: kaum
daß man mir ein Stul gesetzt wurde, und war die Ehrerbietung in
allen Sachen gar geringe;
das Confecl aber und der Wein, welches
doch sonsten bey unser Zusammenkunft sofort bereit seyn muste, blieb
auf dismahl gar aussen. Als ich eine Zeitlang bald von diesem, bald
von jenem mir ihr geredet, und nun verspührte, daß
Dolosetten meine
Gegenwart länger verdrießlich fallen wolte, fing
ich nach etlichen Umschweiffen an den Vortrag meines Begehrens zu
thun [...]. Sie brauchte Anfangs noch ein wenig Höflichkeit, und
entschuldigte sich, daß sie kein baar Geld in Händen hätte, wüste
auch solches nicht zu kriegen. Als ich aber ferner anhielte, mit
Bitten,
sie möchte mir die Armbänder, die ich ihr unlängst verehret,
so lange leihen, ich wolte sehen, daß ich bey einem Bekandten ein
Stück Geld darauf kriegete ; wenn ich wieder käme, wolte ich ihr
noch über diese ein paar andere darzu verehren.
Da antwortete sie gar spöttlich: Sie hätte
nicht gemeynet, daß ich
so unverschämt seyn sollte, und diese Armbänder wieder fordern; ich
solle vielmehr wissen, daß die Jungfern in Holland den Gebrauch
nicht hätten, dasjenige wieder zu geben, was ihnen einmahl verehret
worden. Ich begehrte, antwortete ich, ja nicht, daß sie mir sie
wieder geben solte, sondern nur eine Zeitlang leihen: sie sotten ihr
ja doppelt wieder erstattet werden:
Mein guter Freund, sprach sie
hierauf, (nicht mehr wie vorhin: O einziger Trost und Aufenthalt
meines Lebens!) ihr müßt entweder gar einfältig seyn, oder ihr müßt
mich auch vor so dum achten, daß
ihr meynet, ich werde euren Worten
trauen, und euch die Armbänder wieder aus den Händen folgen lassen.
Nein, fürwahr! ich spiele des gewissen, und
behalte, was ich habe.
Ich muß eurer Thorheit nur lachen, und daß ihr euch solche Dinge
einbilden könnet. In Wahrheit, wenn ihr mich betrügen wollet, so
hättet ihr müssen was früher aufstehen, und das Gelde vom Schnabel
wischen. Wie? sagte ich, Dolosette, ist das der Danck vor die
vielfältigen kostbaren Geschenke, die ich euch verehret habe? ist
das die große Liebe, die ihr gegen mir habt vorgegeben? Sie lachte,
und sprach: Mein einfältiger Gesell, wie die Liebe vorhin war, so
ist auch der Danck jetzund.
Narren muß man Schellen anhängen.
Seyd
ihr ein Gelehrter, und wißt noch nicht, was Weiber-List ist? Wohlan!
so lernts auf dismahl, so könnt ihr euch ins künftige davor hüten.
Ihr fordert von mir Danck, da
ihr doch billig mir zu dancken
schuldig sevd, weil ich euch jetzund so viel witziger1 gemacht habe.
Als ich dis hörte, giengs mir durchs Hertz, und wußte nicht, was ich
vor Zorn sagen solte. Sie aber, damit sie meiner desto eher
loßwerden möchte, suchte mich noch mehr zu beschimpffen:
Gieng in
die Kammer, holte einen Korb heraus, und reichte mir denselben, mit
diesen Werten: Sehet da, mein gewesener Liebhaber, weil ihr ja etwas
vor eure Verehrungen von mir wieder begehret, so schencke ich euch
diesen Korb: behaltet selben zu meinem Gedächtniß, und
wisset darbey
gewiß, daß ihr habt den Korb gekriegt.
O du falsche treulose Bestie,
sprach ich hierauf. giebst du mir solchen Lohn vor meine vielfältige
Wohlthaten; Nun, so will ich mich noch gleichwohl an dir rächen, und
dein falsches Hertz aus deinem Leibe reissen.
Mit diesen Worten
erwischte ich sie bey dem Haar, warff sie zu Boden, und wolte sie
mit Füssen treten. Ader die Magd, so zugegen war, machte ein
Zeter-Geschrey, da befürchtete ich mich, es möchten die Nachbarn
dazwischen kommen, so hätte ich nur desto grössern Schimpff zu
meinen Schaden, ließ sie deßwegen liegen, und gieng davon.

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Wie ich aber zur Thür hinaus gieng, da war die Magd, der ich so
manchen Ducaten vorhin gegeben, mit einem
Gefäß voll Kammerlauge2
oben im Fenster schon fertig, und goß mir selbe mit solcher Ungestüm
auf den Kopff, daß ich nicht anders vermeynte, als geschehe ein
Wolcken-Bruch. Was solte ich thun?
Die Nachbarn lagen in Fenster n
und Thüren, lachten mich aus, und spotteten meiner.
Ich gieng über
die Gassen, wie eine gebadete Mauß, und sahe mich wenig um, sondern
war nur froh, daß ich das Hauß erreichte. Hier erwog ich bey mit
vielen Thränen mein grosses Elend; ich beseufftzte die schnelle
Veränderung des Glücks, welches mich aus einem so gewünschten, in
einen solchen armseligen und verächtlichen Zustand versehet hatte.
Ich
beweinte die Untreu meiner Freunde. Ich verfluchte noch vielmehr
die Falschheit dieses undanckbaren Weibes, die ich so sehr geliebt,
und ihr das Meinige so freywillig angehängt hatte, und nun solchen
Danck vor meine Freygebigkeit annehmen muste; wobey ich mich des
Spruchs erinnerte, welchen ich einmahl einem guten Freunde in ein
Stamm-Buch3 geschrieben, aber zu der Zeit selber nicht verstanden
hatte, der also lautet:
Herren-Gnade ändert sich, öffter als Aprillen-Wetter;
Jungfern-Liebe fallet ab leichter, als sonst Rosen-Blätter;
Und das niemahls stete Glücke bricht geschwinder als ein Ey :
Also ändern, fallen, brechen Gnade, Lieb und Glück entzwey.
(aus: »Hieronymus
Dürer (1641-1704,"Das Wandelbahre Glück: in einer angenehmen und wahrhafften
Liebes- und Lebens-Geschichte des verkehrten und wieder
bekehrten Tychanders, vorgestellet", Braunschweig, S.30-34 -
gemeinfrei
Worterklärungen:
1 witziger: h.
i. S. von schlauer, klüger
2
Gefäß von Kammerlauge: h. (Nacht-)Topf
voller Urin
3 Stammbuch: Freundschafts-.
Erinnerungsbuch
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
19.02.2022