Eine Bildidee
umsetzen
Mit dem filmischen Gestaltungsmittel der
▪ Einstellungsgröße kann man über
die Optik der Kamera einen bestimmten Bildausschnitt festlegen, mit dem
sich eine Bildidee umsetzen lässt.
Dabei wird zugleich bestimmt, welche
Informationen die Bildeinstellung beinhalten soll und wie sich die
gewählte Einstellung in die Bildsequenz fügen soll, wie also der
jeweilige Bildanschluss funktioniert. Natürlich hat gerade was die
Bildanschlüsse im fertigen Film angeht, der Filmschnitt das letzte Wort.
Ein
Ausschnitt aus einem größeren Ganzen
Eine Bildeinstellung gibt stets nur einen Ausschnitt aus einem größeren
Ganzen wieder, oder wie
Acker/Nann (1986, S.30f.) sagen:" Die
verschiedenen Ausschnitte sind Reduktionen des
maximal
wahrnehmbaren Gesamtbildes. Auch die Totalansicht der Kamera ist schon
eine solche Reduktion des wirklichen Bildes."
Mit dem gewählten
Ausschnitt lässt sich somit die Informationsvergabe, die von der
Einstellungsgröße ausgeht, steuern und dosieren. Der Zuschauer sieht
eben nur das, was er im Bild zu sehen bekommt, und das ist eben ein
Ausschnitt, der seine Aufmerksamkeit lenkt und entscheidend dazu
beiträgt, welcher Film im Kopf des Zuschauers beim Betrachten der
filmischen Bilder jeweils entsteht.
Wenn z. B. im Fernsehen eine der
jährlich in großer Zahl über den Bildschirm flimmernden
Karnevalveranstaltungen übertragen wird, sieht ein Zuschauer viele
Details nicht ohne weiteres. Soll seine Aufmerksamkeit auf das
freizügige Dekolletee einer Besucherin gelenkt werden - ein sattsam
bekannter Zwischenschnitt ins Detail - wird dies in einem
entsprechenden Ausschnitt ins Bild gerückt. Bleibt die Kameraoptik mit
einer Totalen auf die gesamte Ballgesellschaft ausgerichtet, könnte sich
ein Betrachter solche Bildinformationen wohl nur schwerlich
zusammensuchen. Würde man indessen dem Zuschauer nur Detailaufnahmen
zeigen, dann würde es einem Betrachter wohl kaum gelingen, alles, was er
zu sehen bekommt, in einen Zusammenhang zu bringen. Das Ganze käme ihm
wohl vor, wie ein Bilderrätsel nach dem Muster eines so genannten
Drudels, das
immer nur einen Teil eines Gegenstandes zeigt oder die stark vergrößerte
Ansicht eines kleinen Teilstücks.
Während die Lösung solcher
Bilderrätsel, so wird es von den Rätselnden oft empfunden, reiner Zufall
und Glückssache ist, muss "ein solch zufälliges Erkennen von vornherein
ausgeschlossen werden.
Fazit: Die Einstellungsgrößen entsprechen
immer dem Ausmaß der bildwichtigen Informationen. Eine flächenmäßige
Begrenzung des Bildausschnittes führt zwangsläufig auch zu einer
qualitativen Fixierung." (ebd.)
Maßbezeichnungen für den Bildausschnitt
IBei
der ▪ Filmanalyse verwendet man häufig die Maßbezeichnungen für
Einstellungsgrößen, die auch bei der Filmproduktion meistens in Gebrauch
sind.
Allerdings stellen diese Maßeinheiten für
Einstellungsgrößen "kein exakt definiertes System mit klaren, normativen
Abgrenzungen dar, sie beruhen vielmehr auf Vereinbarungen der an einer
Produktion Beteiligten." (ebd.)
Das Maß, das man bei der Festlegung der Einstellungsgröße zugrundelegt,
hat nämlich, zumindest was Bilder von Menschen angeht "immer
auch eine inhaltliche Dimension, die sich nicht in ein Schema zwingen
lässt." (ebd.)
So bleibt also stets eine gewisse Unschärfe vorhanden, die aber bei der
Filmproduktion im Team mit allen Beteiligten immer wieder auf das zu
realisierende Filmprojekt konkretisiert und damit wieder geschärft wird.
Grundsätzlich gilt dabei: "Bei der Wahl der Einstellungsgröße wird man
sich stets fragen, ob diese der Wichtigkeit ihres Inhalts entspricht, ob sie eine
ausreichende Orientierung über den
Gesamtzusammenhang ermöglicht und geeignet ist, die Aufmerksamkeit des
Zuschauers zu lenken." (ebd.)
Einstellungsgrößen bei der Filmanalyse
Wie die Einstellungsgrößen also bezeichnet werden und wie ihr Maß jeweils
aussieht, ist Sache von Vereinbarungen zwischen allen an Entwurf und
Produktion Beteiligten, zumindest wenn es um die Produktion des Films am
Set geht.
Etwas anderes ist es natürlich, wenn man in den
Einstellungsgrößen Kategorien für die Filmanalyse sieht. In ihrem
Arbeitsgebiet haben sich zwischen 5 und 8 verschiedene
Einstellungsgrößen etabliert.
Grundsätzlich muss man auch beachten, dass es unterschiedliche
Bezugsgrößen für die Größe der Einstellungen gibt. So kann die
▪
Bezugsgröße eine Person sein oder der Raum bzw. Objekte oder
Personen im Raum. ( ▪ Bezugsgröße:
Person, ▪
Bezugsgröße: Raum)
-
Weite (very long shot): Sie zeigt ein weites Panorama.
Das Bildgeschehen spielt sich damit häufig auf einer symbolischen und/oder
atmosphärischen Handlungsebene ab. (vgl.
Hickethier,
K. 1978, S.49) Mit dieser Einstellungsgröße schweift der Blick des Betrachters über
die Weite, ein Panorama, Landschaften, Sonnenuntergänge etc. Neben der
Handlungssituierung in einem bestimmten räumlichen Kontext hat diese
Einstellung häufig auch eine symbolische Funktion.
-
Totale (long shot):
Sie
liefert einen Überblick über ein Ganzes. Sie schafft räumliche
Orientierung und Situierung eines Geschehens. "Sie zeigt ein bildwichtiges
Objekt (oder auch mehrere) mit Umgebung und Hintergrund (beispielsweise
den einsamen Cowboy, der durch die unendliche Prärie reitet oder den
vollen Ballsaal, in dem unter Hunderten von Gästen auch ein bestimmtes
Paar tanzt). Die Totale bietet dem Zuschauer eine räumliche Orientierung
und sie verschafft ihm einen Überblick über die dargestellte
Situation. (Es wird dem Betrachter beispielsweise sofort klar, ob die
Szene in einem mondänen Nachtklub, in einer üblen Spelunke oder in den
Gärten eines königlichen Schlosses spielt.)" (Acker/Nann 1986,
S.30f.) Außerdem kann sie die Grundstimmung eines Raumes verdeutlichen. Das Bildgeschehen der
Totalen spielt sich wie bei der
Halbnahen und
Halbtotalen auf der
situationsbezogenen Handlungsebene
ab. (vgl.
Hickethier,
K. 1978, S.49) Die Herstellung der
räumlichen Orientierung ist bei der Totalen besonders dann wichtig, wenn die folgenden
Einstellungen aus einer Reihe von
Nahaufnahmen oder
Großaufnahmen
bestehen. Die der Totalen ehemals zugewiesene Rolle als "Einführungeinstellung" ist ein wenig aus der Mode
gekommen. Dabei wurde sie eingesetzt, um in eine neue Situation
einzuführen mit dem Ziel, das Publikum über den Ort der Handlung und
über die Grundstimmung der neuen Sequenz zu informieren und ihm
zugleichdie nötige räumliche Vorstellung vom Ort des Geschehens zu
geben. (vgl.
Acker/Nann 1986,
S.30f.) Bei der Video- und Fernsehfilmproduktion wird sie häufig wegen
des vergleichsweise kleinen Ausgabeformats durch die
Halbtotale ersetzt. Zudem haben sich auch Montagemuster entwickelt, die
den Einsatz der Totalen
zurückgedrängt haben. (vgl.
Katz 1998/2000, S.179). Die Einstellungsgröße der Totalen kann auch
auf Personen bezogen werden, dann wird eine Einzelperson "in der
Totalen vom Kopf bis zu den Füßen gezeigt, gleichgültig, ob stehend
oder sitzend. Der Freiraum über dem Kopf bis zur Bildobergrenze ist
doppelt so groß wie der Freiraum unter den Füßen bis zur
Bilduntergrenze." (Acker/Nann 1986,
S.30f.)
-
Halbtotale (medium long shot):
Sie zeigt eine Figur in ihrem
räumlichen Umfeld. Bei dieser Einstellungsgröße ist das zentrale Bildobjekt vom
Zuschauer etwas entfernt. In den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt
bei dieser Einstellungsgröße das gestische Verhalten einer Figur in seiner räumlichen Umgebung.
Das Bildgeschehen spielt sich damit auf der situationsbezogenen
Handlungsebene ab. (vgl.
Hickethier,
K. 1978, S.49) Im Vergleich zur
Totalen
lenkt diese Einstellungsgröße jedoch das Blickfeld auf die wichtigsten
Objekte des gesamten Bildes. Besonders bei der Video- und
Fernsehfilmproduktion wird die Halbtotale häufig statt der Totalen
eingesetzt, weil das Ausgabebild im Vergleich zur Leinwand des Kinos eben
vergleichsweise klein ist und sonst nicht so wirkungsvoll wäre. In einem
solchen Fall ersetzt die Halbtotale auch in ihrer Funktion die Totale.
Besondere Bedeutung hat die Halbtotale bei der Video- und Fernsehfilmproduktion.
Darin "übernimmt die
Halbtotale weitgehend die Funktion der Totalen, weil diese infolge des kleindimensionierten Bildschirms nicht mehr so wirkungsvoll ist, wie auf
einer großen Leinwand. Eine einzelne Person wird in der Halbtotalen
bildfüllend gezeigt. " (Acker/Nann 1986,
S.30f.)
-
Amerikanisch (medium shot):
Mit
der Einstellungsgröße
Amerikanisch
(auch "knee shot" genannt) wird eine Figur bis zu den Hüften in
ihrem räumlichen Umfeld gezeigt. Diese Einstellungsgröße lehnt sich an die Erfordernisse des
klassischen Western an. Beim so genannten Showdown, dem Duell der
Widersacher auf dem Höhepunkt der Geschichte, wird die Figur von oben bis
zum Coltansatz gezeigt (Wer schießt schneller?). Diese
Einstellungsgröße lässt die Darstellung individueller Tätigkeiten mit
Armen und Händen zu. Das Bildgeschehen spielt sich damit auf der
gestischen
Handlungsebene ab. (vgl.
Hickethier,
K. 1978, S.49) (→Bezugsgröße:
Person)
-
Halbnah (full shot):
Diese liefert in ihrem Ausschnitt
zwar eine Vorstellung über die räumliche Umgebung, diese "verliert aber an
Bedeutung, was häufig durch die einsetzende optische Unschärfe der
peripheren Bildanteile verstärkt wird." (Acker/Nann
1986, S.33). Personen werden zu etwa zwei Dritteln ihrer Größe
abgebildet. Die Halbnahe entspricht häufig der normalen Sehsituation. Diese Einstellungsgröße wird verwendet, wenn das Augenmerk des
Betrachters auf die Figuren in ihrem engsten räumlichen Umfeld
gelenkt werden soll. Bei Gesprächen steht dabei schon die Gesprächssituation im Mittelpunkt. Das Bildgeschehen spielt sich
damit auf der mimischen und gestischen Handlungsebene ab. (vgl.
Hickethier,
K. 1978, S.49) Die Kamera verlässt damit endgültig die scheinbar
neutrale Beobachterrolle, indem sie Bestimmtes auswählt und dabei
Wertungen vornimmt. Mit einem
Beispiel verdeutlichen
Acker/Nann (1986, S.30f.) die Leistungen der Halbnah-Einstellung
bei geeigneten Bildanschlüssen: "Die Totale zeigt die feierliche
Stimmung in einer Kirche; die Halbnahe den beginnenden Streit zweier
Eheleute, die sich leise schimpfend über die friedvolle Grundstimmung
hinwegsetzen.
Mit dieser Einstellungsgröße beginnt die
Bildwichtigkeit der Körpersprache, da jetzt mimische Regungen gut
erkennbar sind."
-
Nah (medium close-up):
Sie ist ein Ausschnitt aus einem Ganzen, der
aber noch Hintergrund erkennen lässt. Personen sind etwa in der
Größe eines Brustbildes erfasst, wobei der Kopf allerdings dominiert. Das
Bildgeschehen spielt sich damit auf der mimischen
Handlungsebene ab. (vgl.
Hickethier,
K. 1978, S.49) Mit der Nahen wird das
Augenmerk des Betrachters auf einen größeren Ausschnitt aus einem Ganzen
gelenkt. Beim Brustbild werden auch schon Kleidungsstücke oder
Schmuckelemente sichtbar, die zur Charakterisierung einer Figur
beitragen. In der Filmpraxis werden Dialoge oder Aktionen einzelner
Schauspieler meistens mit Nahaufnahmen oder in der Halbnahen gestaltet,
weil sie auch den Sehgewohnheiten der Zuschauer am ehesten entsprechen.
"Das Größenverhältnis zwischen Realbild und Aufnahme", so sagen
Acker/Nann (1986, S.30f.), ist etwa 1:1."
-
Groß (close-up):
Diese
Einstellungsgröße ist ein kleiner Ausschnitt aus einem Ganzen
(z.B. Kopf, Gesicht). Bei Personenaufnahmen ist meistens noch ein
Stückchen von der Schulter zu sehen. Das Bildgeschehen spielt sich damit
auf der mimischen Handlungsebene
ab. (vgl.
Hickethier,
K. 1978, S.49) Diese Einstellungsgröße wird verwendet, wenn das Augenmerk des
Betrachters auf einen kleinen Ausschnitt aus einem Ganzen gelenkt werden
soll. Die Großaufnahme entspricht im Allgemeinen der Größe des Gesichts
oder des Kopfes, bei Personenaufnahmen wird die Schulter häufig gerade
noch angeschnitten. Diese Einstellung wird häufig in Gesprächssituationen
verwendet, um die Gesichtsmimik als Darstellungselement zu nutzen.
Außerdem reduziert sich dabei der Ausleuchtungsaufwand und eine
Großaufnahme kann mit nahezu jeder anderen Einstellung zusammen
geschnitten werden. (vgl.
Katz 1998/2000, S.172)
-
Detail (extreme close-up):
Die
Einstellungsgröße Detail
(mitunter auch Ganz Groß genannt) ist der kleinste Ausschnitt aus einem
Ganzen. Diese Einstellungsgröße wird verwendet, wenn das Augenmerk
des Betrachters auf einen besonders kleinen Ausschnitt aus einem Ganzen
gelenkt werden soll. Das Bildgeschehen spielt sich häufig auf der symbolischen oder atmosphärischen
Handlungsebene ab. (vgl.
Hickethier,
K. 1978, S.49) Die Nähe zum Objekt, die diese Einstellungsgröße schafft, kann
dem Betrachter ein Gefühl der Intimität verschaffen, aber auch im
Gegenteil ein Gefühl der Ablehnung oder gar Abscheu hervorrufen. Sehr
effektvoll sind natürlich auch
Totale, die aus dem Spiegelbild einer
Detailaufnahme sichtbar werden. "Hier erfolgt", so
Acker/Nann (1986, S.30f.), "eine weitere Verdichtung des Bildeindrucks durch noch
stärkere Bildausschnittsreduktion. Von den Personen werden jetzt nur noch
die Köpfe gezeigt. In sehr dichter Ganz‑ Groß‑Einstellung kann der Kopf
über der Stirn abgeschnitten sein. Anmerkung: Halbnah - Nah - Groß und
Ganz Groß sind die so genannten Nahaufnahmen. Sie sind die typischen
Einstellungsgrößen für die Aufnahme von menschlichen Handlungsweisen und
Reaktionen, weil in diesen Bereichen Mimik und Gestik besonders deutlich
und immer noch in einem gewissen Zusammenhang zu sehen sind."
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
08.06.2020
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