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Die Entwicklung sozial konstruierter Scham in der frühen Neuzeit und im Barock

Das Vorrücken der Scham- und Peinlichkeitsschwellen

 
GESCHICHTE
Grundbegriffe der Geschichte Europäische Geschichte Frühe Neuzeit (1350-1789) Zeitalter der Renaissance (ca.1350-1450) Zeitalter der Entdeckungen (1415-1531) Reformation und Glaubenskriege (1517-1648) Absolutismus und Aufklärung (ca. 1650-1789) Entstehung des frühmodernen Territorialstaats im Absolutismus Didaktische und methodische Aspekte Überblick Ausgangspunkt: Vielfalt sozialer Gruppen mit zahlreichen Sonderrechten und Lebensformen Schlüsselmonopole staatlicher Herrschaft Sozialdisziplinierung als Mittel der Staatsentwicklung Überblick Aspekte der Sozialdisziplinierung (Oestreich/Schulze)Sexualstrafrecht in der frühen Neuzeit [ Die Entwicklung sozial konstruierter Scham in der frühen Neuzeit und im Barock Überblick Vorrücken der Scham- und Peinlichkeitsschwellen ◄ ▪ Nacktheit auf dem Rückzug Das höfische Ankleideritual des Fürsten (Lever) Die höfische Form der Erotik im Barock ] Die Rolle der territorialen Konfessionskirchen Beginn des bürgerlichen Zeitalters ▪ Deutsche Geschichte
 

Ehebruch
Vorehelicher  und außerehelicher Geschlechtsverkehr
(Literaturgeschichte:) Die höfische Form der Erotik im Barock

teachSam-Projekt: Sex und Sexualisierung

Im öffentlichen Raum war ▪ Nacktheit, die lange Zeit an Sexualität und Scham(fühle) gekoppelt war, von der Bildenden Kunst abgesehen, schon seit Beginn der frühen Neuzeit ▪ auf dem Rückzug.

Die Nacktheit als Ganzes wurde dabei im Zuge des fortschreitenden Zivilisationsprozesses zur Formierung einer einheitlichen Untertanengesellschaft immer weiter zurückgedrängt.

Dabei wurde die "Verhöflichung der Oberschicht" (Elias) zum Schrittmacher, ehe die weitere Entwicklung des Bürgertums Nacktheit aus den Bereichen der Öffentlichkeit verbannte.

Dieser Prozess wurde noch dadurch beschleunigt, dass durch die seit dem 16. Jahrhundert belegten epidemisch verbreiteten Geschlechtskrankheiten (z. B. »Syphilis) die neue Schamhaftigkeit wegen des Seuchenschutzes noch juristisch flankiert wurde.

»Nobert Elias (1897-1990) hat diese Entwicklung in seinem 1939 erstmals erschienen Werk »"Der Prozess der Zivilisation" (1997, Bd. 1, S.324-356 und Bd. II, S.408-420) analysiert und sie im Rahmen seiner Theorie eines fortschreitenden, aber keineswegs geradlinig verlaufenden Zivilisationsprozesses als eine Form der ▪ Sozialdisziplinierung beschrieben.

Im Verlauf dieses Prozesses wird, so betont er, auch "der Sexualtrieb, wie viele andere Triebe, einer immer strengeren Regelung und Umformung unterworfen" (ebd. 1997, Bd. 1, S.342), die zugleich auch zu einem "Vorrücken der Scham- und Peinlichkeitsschwelle, für die Verstärkung der gesellschaftlichen Kontrolle auf den Einzelnen" (ebd.. S.345) führt.

Vorrücken der Scham- und Peinlichkeitsschwellen und die Verhöflichung der Oberschicht

Schamgefühle sind oft an ein unterschiedliches Empfinden von sozialen Schichten gebunden. "So stehen die einfachen Leute den Skulpturen der Renaissance, und insbesondere denen des Michelangelo, feindseliger gegenüber als die weltliche oder kirchliche Obrigkeit: wo man sie als Brunnenfiguren oder sonst auf öffentlichen Plätzen aufstellte, hat man sie bekleiden müssen." (Bologne 2001, S.12)

Es sind aber ansonsten "die jeweils herrschenden Klassen, zunächst die Aristokratie, dann das Bürgertum"  (ebd.), welche die Nacktheit im Alltag rigoros zurückdrängen und ablehnen. Ihre "Behörden untersagen das Nacktbaden, schließen die Bordelle, bestimmen darüber, welche Handlungen erlaubt und welche verboten sind. [...] Die Nacktheit ersten Grades [im Gegensatz zu der z. B. in der Bildenden Kunst dargestellten, d. Verf.], die der Mann auf der Straße erlebt, erscheint jenen leicht vulgär, die glauben, sie hinter sich gelassen zu haben." (ebd.)

Das Vorrücken der Scham- und Peinlichkeitsschwellen verbargen körperliche Vorgänge zunehmend. Die Maßnahmen und mentalen Änderungen, die dazu beitrugen, "verbannten die Sexualität in die Verschwiegenheit des Alkovens und die Dunkelkammern des Bewusstseins " (Goulemot 1999, S.371). Der Alkoven, die eigentliche Bettnische im Schlafzimmer, wurde zu dem abgegrenzten Raum der Intimsphäre, indem sich nicht nur die herkömmliche sexuelle Vereinigung, sondern auch andere sexuelle Gepflogenheiten geschützt vor den Augen anderer praktizieren ließen. Im höfischen Bereich war er in den repräsentativen Schlafräumen, in denen sich ansonsten zahlreiche Handlungen in der Öffentlichkeit abspielten (z. B. Ankleideritual des Fürsten), war auch dieser Raum vor der Öffentlichkeit geschützt.

Außerdem wurde im Zuge des Vorrückens der Scham- und Peinlichkeitsschwellen auch einen neuer Höflichkeitskodex etabliert, der "die Ächtung derber oder für archaisch erachteter Sitten" mit sich brachte.

Was immer die Verhaltensvorschriften anstrebten, aber "deshalb (lebte) man nicht enthaltsamer als zuvor, sondern tat nun heimlich, was zuvor vor aller Augen getan wurde." (ebd. 1999, S.372)

Die "Verhöflichung der Oberschicht" und die Schaffung neuer Abhängigkeitsverhältnisse

Dabei führte die Entwicklung, die nach Elias (1897-1990) "mit der beschleunigten Verhöflichung der Oberschicht" (Elias 1939/1976., Bd. 2, S.415) zu tun hatte, auch zu neuen Abhängigkeitsverhältnissen.

Was das bedeutet, wird am Beispiel des französischen Königs »Ludwig XIV. (1638-1715) deutlich, dessen Hofhaltung im »Schloss von Versailles in Europa eine mehr oder weniger einheitliche Hofkultur begründete, in der "der Hof die lebendige Mitte des ganzen Landes (war): [...] Fluchtpunkt der neuen [...] klar aufgebauten und rational disziplinierten Herrschafts- und Gesellschaftsordnung des Absolutismus." (Schilling 1994a, S.19)

Der Versailler Hof wurde nach den zuvor lange dominierenden konfessionellen und politischen Auseinandersetzungen dabei zur "Bühne, wo Fürst und Adel die neue vom Herrscher bestimmte Einvernehmlichkeit inszenierten." (ebd.) Eine wesentliche Voraussetzung dieser Inszenierung war, dass die Rolle, der Rang und Status der Adeligen davon abhing, ob sie sich in die Hofgesellschaft einfügten, deren Spielregeln der König festlegte.

So wurde die Zahl der am Hof von Versailles in der Hofgesellschaft lebenden Personen immer größer. Zugleich wurde der Hoch- und Hofadel damit auch der Kontrolle »Ludwigs XIV. (1638-1715) unterworfen, zumal er jeden, der sich weigerte, seinen ständigen Aufenthalt in Versailles zu nehmen, missachtete und gänzlich ignorierte.

Wo so viele Menschen so eng zusammenlebten, entwickelten sich auch neue Elemente der sozialen Kontrolle, die vergleichsweise unabhängig von dem direkten Eingreifen des Königs dieses soziale System "bei Hofe" stabilisierten. Man beobachtete sich gegenseitig und die Verbote wurden "differenzierter und differenzierter, umfassender, vielfältiger". (Elias 1939/1976., Bd. 2, S.415) Das betraf dabei auch das, worüber man sich schämen musste und das, was man an anderen als peinlich empfand. (vgl. ebd.)

Das ▪ Ankleiden des Fürsten (Lever) ist ein Beispiel dafür, wie Scham- und Peinlichkeit bei Hofe sozial konstruiert worden sind.

Ehebruch
Vorehelicher  und außerehelicher Geschlechtsverkehr
(Literaturgeschichte:) Die höfische Form der Erotik im Barock

teachSam-Projekt: Sex und Sexualisierung

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 30.01.2024

 
 

 
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