Im höfischen Leben
wurde Erotik nicht nur mit sexueller Triebbefriedigung konnotiert, was
das damit stets in Zusammenhang gebrachte ▪
Carpe-diem-Motiv
nahelegt. (vgl.
Niefanger
32012,
S.41)
Bei Hof gingen die
Vorstellungen über
Erotik und ihre gesellschaftliche Funktion nämlich weit darüber
hinaus. Sie beruhten darauf, der Erotik die Funktion "einer reglementierte(n) Kommunikationsform"
zuzuweisen,
bei der es vor allem darum ging, die Kontrolle über die sexuelle
Lust im öffentlichen Raum zu demonstrieren.
Diese dazu in einer Weise zu kultivieren, dass sie sich
von der "Wollust als Inbegriff des Animalischen und
Niedrigen" (ebd.)
klar abhob, die sich angeblich außerhalb der höfischen Gesellschaft
abspielte, war das Ziel, und siedelte die höfische Erotik daher, so
sozial distinktiv wie nur möglich, "im Bereich der sinnlichen
Verfeinerung und Vermittlung" an. (ebd.)
Dabei ist die höfische Erotik aber im Gegensatz zu den psychischen
und emotionalen Prozessen, die bei Liebe im Spiel sind, wenn sie z.
B. mit weit über körperliche Anziehung hinausgehenden Vorstellungen
über Ewigkeit oder Einzigartigkeit in Verbindung gebracht wird, ganz
eindeutig auf das Hier und Jetzt, den Augenblick mit seinen
erotischen Möglichkeiten bezogen.
Die zahlreichen, meist großformatig, repräsentativen Zwecken
dienenden Darstellungen nackter Frauenfiguren in der Bildenden Kunst
stehen derhöfischen, das Sexuelle sublimierenden Form der Erotik
dabei nur vordergründig
entgegen. Diesem Paradox, das öffentliche Nacktheit auf der einen
Seite zum Rückzug zwingt, während ihr in der Kunst viel Raum gewährt
wird, ist schon seit der Renaissance zu beobachten. Irgendwie
scheinen auch diese Phänomene, die natürlich einen Zusammenhang
aufweisen, aber in dieser Zeit in einer "Art Gleichgewicht zwischen
Freizügigkeit und Schamhaftigkeit" (Bologne
2001, S.33) gestanden zu haben.
In der Regel handelt es sich dabei um Darstellungen, die
in einem mythologischen Kontext stehen und auf diese Weise die
öffentliche Präsentation und Rezeption von Nacktheit legitimieren.
Die Darstellungen sollen ihre Betrachterinnen jedenfalls nicht mit
sexuellen Reizen überfluten, und wenn doch, dazu dienen, die
"animalische" Lust zu kontrollieren und zu überwinden.
Unvorstellbar war aus diesem Grunde im Übrigen noch lange, dass eine nackte Frau
ohne jede mythologische Einkleidung als individuelle Person in einem
nennenswerten Gemälde zu sehen war, wie die z. B., in »Francisco
de Goyas (1746-1826) "Nackte
Maja" (um 1800).
Für den, wie auch
immer gestalteten, privaten Gebrauch eignen sich in dieser Zeit wohl
vor allem die schon im 17. Jahrhundert angefertigten Miniaturbilder
(Kutzer
2019), die den Künstlern größere Freiräume zu einer
entmythologisierten Darstellung ließen, die aber auch sehr oft Darstellungen
einer äußerst populären Schäferidylle zeigen, die das neue
Liebesmodell von Zuneigung und Freundschaft unter den Partner
thematisierten.
In der ▪
Literaturepoche Barock (1600-1720) wurde wurde das Erotische in
der Kunst und Literatur dabei in einer auf die Kultivierung
sexuellen Verlangens hin orientierten Art und Wiese ▪
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