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Die von Alfred
Binet (1857-1911) begründete »Psychometrie
mit dem Binet-Test sowie die Weiterentwicklung des Tests
Lewis
Madison Terman (1877-1956) zum
Standord-Binet-Test wurden im Laufe der Zeit durch neue Testverfahren
ersetzt.
Heutige Intelligentests ermitteln ihre IQ-Werte nicht mehr mittels Division
des Intelligenzalters durch das Lebensalter. Stattdessen werden gewöhnlich
die Punkte, die man bei einem Intelligenztest erzielt, einfach
zusammengezählt und unmittelbar mit der durchschnittlichen Gesamtpunktzahl
anderer Testpersonen in der jeweiligen Altersgruppe verglichen. Immer noch
gilt, dass ein IQ-Wert von 100 "normal" und Werte über 120 als
"überdurchschnittlich" angesehen werden. IQ-Werte unter 70 können auf eine
Intelligenzminderung oder eine geistige Behinderung hinweisen, deren
zuverlässige Diagnose allerdings auch noch andere Kriterien heranziehen
muss.
Da sowohl im Binet- wie auch im Stanford-Binet-Test verbale Fähigkeiten der
Testpersonen sehr im Vordergrund stehen, machte sich der US-amerikanische
Psychologe »David
Wechsler (1896-1918) daran, Testverfahren zu entwickeln, die auch
andere Aspekte berücksichtigen. Seine 1939 veröffentlichte
Wechsler-Bellevue-Intelligenzskala, "die verbale Untertests mit
handlungsbezogenen Untertests" mit dem Ergebnis kombinierte, dass
"neben der Gesamtintelligenz, dem IQ, auch noch die Angabe eines
Verbal-IQ und eines
Handlungs-IQ möglich" wurde (Zimbardo/Gerrig
2004, S.409), erhielt nach einigen weiteren Modifizierungen ab 1955 die
Bezeichnung "Wechsler Adult
Intelligence Scale" (WAIS bzw. seit 1991
WAIS-R). Der Test der somit zwischen »sprachlicher
(verbaler) und praktischer Intelligenz unterscheidet, heißt in seiner deutschen Fassung kurz HAWIE
für »Hamburg-Wechsler-Intelligenztest
für Erwachsene«, seit seiner Verbesserung (Revision) 1991
abgekürzt HAWIE-R. Der Test, der in seiner
deutschen Fassung für Personen ab 16 Jahren konzipiert ist, umfasst eine
Reihe von Untertests, die sich in zwei Hauptgruppen unterscheiden: Fünf
verschiedene verbale Untertests und sechs Testitems im so genannten
Handlungsteil, bei dem es vor allem um das Manipulieren von Gegenstände
geht, ohne dass dazu verbale Fähigkeiten benötigt werden. Der HAWIE-R soll
helfen, den allgemeinen geistigen Entwicklungsstand einer Testperson zu
ermitteln und Leistungsbeeinträchtigungen sichtbar zu machen. Seine
Messmethode, orientiert sich "am
faktorenanalytischen Modell Spearmans, den
g-(general-)Faktor der Intelligenz, der als 'allgemeine Intelligenz' nach
Wechsler das Verhalten des Individuums als Ganzes bestimmt" (http://www.testzentrale.de,
21.10.07) In einem Zeitrahmen zwischen 60 und 90 Minuten müssen die Aufgaben
von den Testpersonen gelöst werden. Die Ergebnisse werden mit alters- sowie
schulbezogenen Wertpunkt-Normen ermittelt und in IQ-Werte umgerechnete.
In einem HAWIE-R-Test, dessen genaue Fragen verständlicherweise
hier nicht veröffentlicht werden können (vgl. »Beispiele), werden so ähnliche Fragen
(vgl. Zimbardo/Gerrig
2004, S. 409) wie die folgenden
gestellt.
Verbalteil |
Handlungsteil |
Allgemeines Wissen:
24 Fragen mit ansteigender Schwierigkeit; Testabbruch, wenn
Testperson 5 aufeinanderfolgende Aufgaben nicht oder falsch
beantwortet hat.
Soll das Wissen überprüfen, "das sich ein Durchschnittsmensch mit
durchschnittlichen Bildungsmöglichkeiten selbst aneignen kann.“ (Matarazzo,
1982)
Leistungsfähigkeit der Testpersonen sehr stark von Bildung und
kulturellen Erfahrungen abhängig |
Zahlen-Symbol-Test
- Einer Testperson wird ein Schlüssel vorgegeben, mit dessen
Hilfe bestimmten Zahlen (z. B. 1, 2, 3, 4) bestimmte Symbole
zugeordnet werden.
Zahlen von 1 - 9 sind je einem Symbol zugeordnet; die Testperson
soll sich zunächst die Zuordnung merken und dann im Anschluss daran
aus einer Tabelle von 100 Ergänzungsfeldern so schnell wie möglich
das jeweils dazugehörige Symbol ergänzen; Auswertung mit einer
Schablone; Testabbruch nach 90 Sekunden |
Allgemeines Verständnis:
- Was bedeutet das Sprichwort: "Was Hänschen nicht lernt,
lernt Hans nimmermehr"?
- Warum sind Gesetze notwendig?
13 Fragen mit ansteigender Schwierigkeit; verschiedene als
richtig geltenden Antworten lt. Handbuch; Testabbruch nach 4
falschen oder unbeantworteten Aufgaben in Folge
Überprüfung des "gesunden Menschenverstands“
Geringste Beeinflussung des Testergebnisses durch Übungseffekte |
Bildergänzen
- Die Testperson muss in einem vorgegebenen Bild benennen, was
bei der Darstellung fehlt (z.B. Ochse ohne Hörner)
Testperson muss jeweils ein fehlendes bedeutsames Bildelement in
17 Bildvorlagen benennen; Testabbruch, wenn drei aufeinanderfolgende
Fragen nicht innerhalb von 20 Sekunden oder falsch beantwortet
worden sind |
Rechnerisches Denken:
-
Wenn Sie 25,00 Euro für einen Konzertbesuch und 12,80 Euro
für die Anfahrt zum Konzert bezahlt haben, was bleibt Ihnen dann
noch von einem 50-Euro-Schein übrig?
-
Wie viele Stunden braucht ein Fußgänger für 24 km, wenn
er 3 km in der Stunde geht?
14 Aufgaben in Form von Schlussrechnungen, die im
Schwierigkeitsgrad ansteigen; Lösung der Aufgaben im Kopf in einer
Zeitspanne von 120 Sekunden; Testabbruch, wenn 3 Aufgaben innerhalb
der angegebene Zeitspanne nicht gelöst
Leistungen stark abhängig von schulischer und beruflicher
Erfahrung, Sprachverständnis, Konzentrationsvermögen und
Belastbarkeit (intellektuelle Beweglichkeit) |
Mosaiktest
- Bestimmte vorgegebene Muster müssen mit farbigen Würfeln
nachgelegt werden.
Testperson erhält 9 mehrfarbige Würfel, deren Seiten entweder
einfarbig sind oder aus 2 farbigen Flächen bestehen, die durch die
Diagonale der Eckpunkte getrennt sind. Ferner erhält sie 9 Kärtchen
mit Mustern, die mit den Würfeln nachgebaut werden sollen; diese
Muster, deren Schwierigkeitsgrad ansteigt, müssen mit den Würfel in
unterschiedlichen Zeitspannen nachgebaut werden; Testabbruch nach 3
Fehlversuchen in Folge
Überprüfung der Fähigkeit, ein Ganzes in seine Komponenten zu
zerlegen |
Gemeinsamkeiten finden:
Testperson soll zu 2 vorgegebenen Begriffen die Gemeinsamkeit (z.
B. den Oberbegriff) nennen; Antwortmöglichkeiten lt Handbuch;
Testabbruch nach 4 falsch oder nicht beantworteten Fragen in Folge
Überprüfung des allgemeinen Abstraktionsvermögens und sprachlicher
Fähigkeiten sowie logischem Denken
Leistung sehr vom Wortschatz Testperson beeinflusst
Bewertung wird an der Qualität der Antwort gemessen (Unterscheidung
zwischen wesentlicher und nur oberflächlicher Ähnlichkeit). |
Bilderordnen
- Eine durcheinander gewürfelte Anzahl von Bildern (z. B.
Comics) müssen so in eine Reihenfolge gebracht werden, dass sie
eine Geschichte erzählen.
Proband soll 10 Serien von Bildern (Kärtchen), zu einer
folgerichtigen Geschichte ordnen; Testabbruch, wenn 4 Aufgaben in
Folge nicht gelöst
Überprüfung des logischen Denkens und der Fähigkeiten zur Erfassung
von Gesamtsituationen |
Zahlenspanne:
- Der Testperson wird eine längere Zahlenreihe/-folge (z. B. 7
4 9 7 2 ) einmal vorgesprochen, die dieser dann vorwärts oder
rückwärts mündlich wiedergeben soll.
7 Ziffernreihen, bei denen die Ziffernanzahl um je eine ansteigt;
Abbruch des Testteils, wenn Textperson 2 mal an derselben
Ziffernreihe scheitert
geringe Aussagekraft für das allgemeine intellektuelle
Leistungsniveau
schlechte Leistungen können eine klinische Bedeutung haben, aber sie
können auch durch eine Aufmerksamkeitsstörung oder Prüfungsangst
begründet sein |
Figurenlegen
- Die Testperson soll eine bestimmte Anzahl von Teilen eines
Puzzles zu einem bekannten Objekt zusammenfügen.
Testperson erhält 4 einfache Puzzles mit asymmetrischen Teilen
mit dem Auftrag, diese jeweils möglichst schnell zu einer Figur
(Mann, Profil eines Kopfes, Hand, Elefant) zusammenzusetzen;
Messung der dafür benötigten Zeit |
Wortschatz:
- Was bedeutet "kommunizieren"?
32 Wörter mit ansteigender Schwierigkeit sollen nacheinander
erläutert bzw. in ihrer Bedeutung geklärt werden; eine Liste
mit verschiedenen Antwortmöglichkeiten im Handbuch ist Grundlage der
Bewertung; Testabbruch nach 5 falsch oder nicht beantworteten Fragen |
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(vgl. Zimbardo/Gerrig
2004, S. 409, vgl.
http://testexperiment.stangl-taller.at, 21.10.07,
PPT-Präsentation: Hamburg- Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene,
Wie bei allen Intelligenztests ist auch der HAWIE-R-Test nicht unumstritten.
So wird betont, dass der HAWIE-R
-
ohne Bezug auf die probabilistische Testtheorie konstruiert worden
sei
-
sich nur am Denkresultat, jedoch nicht am Denkprozess orientiere und
insofern nur einen bestimmten Zustand, nicht aber das mögliche
Entwicklungspotential und damit die Lernfähigkeit des Probanden
untersuche
-
kreative Kompetenzen ebenso wie die für die Erwachsenenintelligenz
besonders wichtige Weisheit und sozial- praktische Intelligenz
vernachlässige
-
die Intelligenz von "Unterprivilegierten“ und kulturellen
Minoritäten geringschätze
-
wie alle Wechsler-Skalen einem IQ-Konzept folge, das auf der Annahme
beruhe, irgendwelche Untertest-"Tiefs" einer bestimmten Testperson
könnten durch beliebige Untertest-"Hochs" kompensiert bzw. egalisiert
werden
-
bisher nicht hinreichend auf seine Validität untersucht worden sein
-
von einer Normierungsstichprobe (N=2000) ausgehe, die im Hinblick
auf Alter, Schulbildung und Geschlecht veraltet und für die
Bundesrepublik Deutschland des Jahres 1986 repräsentativ sei
Dessen ungeachtet werden aber die Vorteile des HAWIE-R durchaus gesehen,
der als ökonomisch gilt und dem gute Beobachtungsmöglichkeiten bescheinigt
werden. Auch wenn er letztlich nur eine globale Abschätzung des
Intelligenzstatus einer Testperson zulasse, stehe seine Nützlichkeit doch
außer Frage.
(Handout
Jonas/Krüger/Filipovic 2004, 21.10.07)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet:
29.09.2013 |
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