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August Wilhelm Schlegel (1767-1845) - Biografie

August Wilhelm Schelling und Madame de Staél


FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren August Wilhelm Schlegel (1767-1845) [ BiogrFIE Überblick Kurzbiographie: August Wilhelm Schlegel Zeittafel Kindheit und Jugend August Wilhelm Schlegels in Hannover 1767-1786 ▪ Studienzeit August Wilhelm Schlegels in Göttingen 1786-1791 ▪ August Wilhelm Schlegel als Hauslehrer in Amsterdam 1791-1795 Heirat von August Wilhelm Schlegel und Caroline Böhmer und die Jenaer Lebensgemeinschaft der Frühromantiker 1796-1799 August Wilhelm Schelling und Madame de Sta
ël 1802-1817 ▪ August Wilhelm Schlegels Professorenjahre in Bonn 1817-1844 ] ▪ Lyrische Texte Goethe Bausteine ...   Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch
 

Caroline hatte ihren ersten Mann, den Berg- und Stadtmedicus Johann Franz Wilhelm Böhmer (1754-1788), einen ehemaligen Nachbarsohn in Göttingen, mit dem sie seit 1782 verlobt und als Zwanzigjährige zwei Jahre danach verheiratet war, ihren zehn Jahre älteren Ehemann schon nach nicht einmal zwei Jahren Ehe verloren (gest. 4.2.1788) - wahrscheinlich erlag einer einer Fleckfiebererkrankung.

Daraufhin war sie im gleichen Jahr von ihrem verstorbenen Mann schwanger und finanziell mit der nicht gerade üppigen Hinterbliebenenpension nur halbwegs abgesichert, mit ihren kleinen Töchtern Auguste (geb. 28.4.1785) und Sophie Therese ("Röschen) (geb. 23.4.1787) aus der grauen Bergwerksstadt Clausthal-Zellerfeld in das elterliche Wohnhaus in Göttingen zurückgekehrt, wo sie im Juli des gleichen Jahres einen Sohn namens Wilhelm geboren hat, der aber schon zwei Monate später gestorben ist.

 

 

Caroline wurde zugetragen, dass sich August Wilhelm Schlegel, zu dieser Zeit noch Student, für sie interessierte. Da es ihr aber in dieser Zeit wegen der dauernden Quereleien mit ihrer Mutter vor allem darum ging, wieder aus dem Elternhaus wegzukommen und mit ihrer Tochter in finanziell gesicherten Verhältnissen zu leben, zeigte an den ihr zugetragenen Avancen Schlegels kein Interesse. Dennoch: Der so Abgewiesene scheint dies recht gut verarbeitet zu haben und zeigte bei seinem weiteren Werben um Caroline eine erstaunliche Ausdauer.

Stattdessen hatte sie ihr Herz dem vom englischen König mäßig besoldeten Legationssekretär »Georg Ernst Tatter (1757-1805) zugewendet, der im Vergleich zur "ewig Vernünftigen, Mäßigende(n)" Caroline, "die für alle Verantwortung mit übernahm" (Appel 2013, S.58) ein eher unentschlossener, verzagter und fast ängstlicher Typ war (vgl. ebd., S.59). So wundert es am Ende nicht, dass er vor einer Hochzeit mit ihr zurückschreckte. Zudem erkannte wohl auch Caroline, dass Tatter als Hofmeister, in einem Beruf, der in heute hierhin morgen dorthin führen würde, dazu "mit vagen Aussichten und ohne annähernd festen Ausgangspunkt oder ein planbares Einkommen" (ebd., S.66) ihre Familie nicht hätte ernähren können. Bevor die Beziehung auseinanderging und Caroline vielleicht in einer Art "Flucht nach vorn" (ebd.)mit ihren beiden Töchtern zu ihrem Bruder nach Marburg zog, hatte Tatter noch die Geburt und den frühzeitigen Tod des kleinen Wilhelm miterlebt, dem Caroline im Juli gerade erst das Leben geschenkt hatte.

Auch »Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer (1759-1840), der seit 1776 in Göttingen lebte, hatte den jungen Göttinger »Universitätsmamsellen, den gebildeten Töchtern angesehener Göttinger Professoren, früher schon einer nach der anderen, darunter auch den Schwestern Carolines das Herz gebrochen, konnte sich aber sein Lebtag nicht zu einem Heiratsantrag aufraffen.

1782 war er nach wenig erfolgreichen Tätigkeiten als Privatsekretär in Petersburg, Berlin und Wien nach Göttingen zurückgekehrt wurde dort zunächst Militärrichter und ab 1785 außerordentlicher Professor der Philosophie und der Deutschen Literatur (Roßbeck 2009, S.34). Irgendwie scheint ihn stets ein weltmännischen Flairs umweht zu haben, was auch offensichtlich Caroline an dem blendend aussehenden jungen Mann gefiel. (Kleßmann 1975, S.62).  Mit ihm verband sie eine Art "Seelenverwandtschaft" (Appel 2013, S.63). Trotzdem hatte sie, seitdem sie nach Göttingen zurückgekehrt war, kaum persönlich Kontakt mit ihm gehabt.

Meyer, um dessen Bekanntschaft sich offenbar viele rissen, gehörte jedoch offenkundig nur "sich selbst und der Welt" (ebd., S.61), sein Leben in einer Art "Vogelfreiheit" (ebd., S.63) machte auf Caroline offenbar mächtig Eindruck. Irgendwie schien er sein Leben abseits des sonst üblichen bürgerlichen Strebens nach Sicherheit zu führen. Gut möglich, dass sein Beispiel und die Tatsache, dass sie nunmehr wieder allein für sich und ihre Töchter Verantwortung zu tragen hatte, auch bei Caroline neue Energien freisetzte und sie daher den Umzug nach Göttingen ohne größeren Herzschmerz in Angriff nehmen konnte.

So verließ Caroline sie im April 1788 Göttingen wieder und zog mit ihren beiden Töchtern zu ihrem älteren Bruder Fritz, der in Marburg Oberhofrat, landgräflicher Leibarzt und an der Marburger Universität Inhaber des Lehrstuhl für Anatomie geworden war. Dort führte sie dem "wichtigtuerischen, cholerischen Hagestolz" (Roßbeck 2009, S.71), dem "freie Meinungsäußerungen aus Frauenmund" (ebd., S.72) ebenso ein Gräuel waren wie alle "weibliche(n) Unabhängigkeitsgelüste" (ebd.), den Haushalt.

Caroline lebte sich in Marburg ganz gut ein, hatte zahlreiche Kontakte und Verehrer. Doch nach dem Tod ihrer gerade einmal etwas mehr als zweieinhalbjährigen Tochter Röschen am 17. Dezember 1787 ließ sie offenbar keinen davon näher an sich heran. Und auch der briefliche Kontakt zu Meyer, den Caroline weiter aufrechterhielt, kam beinahe zum Erliegen. Dieser war nämlich "ohne geregeltes Einkommen und ohne feste Adresse noch immer in Italien unterwegs" (Roßbeck 2009, S.75) und hatte auf die Briefe, die im Caroline schrieb und die ihn wohl stets über Mittelsmänner erreichten, nicht geantwortet.

Zudem hatte ja auch Carolines "Freundfeindin" (Roßbeck 2009, S.76), »Therese Heyne (1764-1829), wie Caroline auch eine der Göttinger Professorentöchter, die als »Universitätsmamsellen bezeichnet wurden und seit 1785 mit Georg Forster (1754-1794) verheiratet, ein Auge auf Meyer geworfen und zwischen ihrer Verlobung und ihrer Hochzeit mit Forster eine heiße Liebesaffäre mit ihm gehabt. Alles klare Signale für Caroline, die "für Meyers Ausstrahlung nicht unempfänglich" (Kleßmann 1975, S.62) war, von Meyer jedenfalls nicht mehr als freundschaftliche Zuneigung anzustreben.

August Wilhelm Schlegel jedenfalls schien von den Zurückweisungen, die er durch Caroline in dieser Zeit erfuhr, nicht sehr beeindruckt gewesen zu sein und hielt an seiner Verehrung Carolines in seinen Briefen an Caroline fest, so dass diese 1789 ihrer Schwester brieflich mitteilte: "Le mal est fait! Er schrieb mir dreimal, und wie!" (zit. n. Roßbeck 2009, S.75) Mehr als ein brieflicher Kontakt, bei dem Schlegel immer wieder sein Interesse an Caroline ausdrückte, spielte sich aber zwischen den beiden nicht ab. Immerhin aus Sicht Schlegels: Während seiner Amsterdamer Zeit "als hervorragend bezahlter Hauslehrer eines Bankiersohns" (ebd.) schrieben sich beide öfters, und das  mit "zunehmender Intensität". (ebd.)

Caroline kam im Herbst 1791 nach einem Besuch bei ihrer Jugendfreundin aus Mädchenpensionatszeiten, Luise Gotter (1760-1826) und ihrer Eltern wieder nach Göttingen zurück, stellte dort aber schnell fest, dass sie in der sich in mancherlei Hinsicht veränderten Situation ihrer Herkunftsfamilie keine Zukunft mehr für sich sah. Sie schwankte noch, wohin sie ziehen sollte: Gotha, Weimar oder Mainz, das ihr vor allem Therese Förster schmackhaft machte. Sie hatte Therese schon im Frühjahr vier Wochen dort besucht, und war, auch wenn sie sich bewusst war, dass ihre "Beziehung zu Therese immer konfliktträchtig (war)" (Appel 2013, S.74) und es wenig Sinn machte, sich bei einem Umzug dorthin auf eine weiterhin positive Beziehung zu ihr zu verlassen, jedenfalls nicht sofort bereit, dem Drängen Thereses nach einem Umzug nachzugeben. Den Ausschlag in der einer einfachen Kosten-Nutzen-Rechnung, die sie anstellte, gab wohl eine übergriffige Heiratsanbahnung, die ausgerechnet von ihrer Jugendfreundin Luise und deren Ehemann »Friedrich Wilhelm Gotter (1746-1797), einem Geheimsekretär des herzogliche Hofes  Sachsen-Gotha, ausging, die leicht zu einem endgültigen Zerwürfnis hätte führen können. Bei einem Kurzbesuch in Gotha, wo die Gotters wohnten, hatte der gerade erste verwitwete Generalsuperintendent und Oberkonsistialrat »Josias Friedrich Christian Löffler (1752-1816), der ein anerkannter hoher kirchlicher Würdenträger, war Gefallen an Caroline gefunden. In kurzer Zeit schnürte Friedrich Wilhelm Gotter, wohl im Bewusstsein Caroline in dieser Angelegenheit einen Gefallen zu tun, ein Heiratsgesuch Gotters an Caroline, das diese nach ihrer Rückkehr in Göttingen vollständig überraschte. Ein solches Verfahren der Heiratsanbahnung, insbesondere von älteren Herren war an sich nichts Außergewöhnliches und insofern vom Werbenden selbst gesehen keine Anmaßung. Eine Anmaßung war es allerdings, wie und mit welcher Haltung Gotter sein so eingefädeltes Heiratsprojekt für die beste Freundin seiner Frau begründete. Wenn er schon keine Hindernisse für eine Heirat mit dem gutsituierten, rechtschaffenen, "bezopften, ältlichen Herrn, der zu den Honoratioren von Gotha gehörte" (ebd., S.76), konnte er zweifelsfrei erwarten, dass Caroline den ernsten Absichten des honetten Mannes sich nicht verweigern konnte. Doch diese ließ ihn und den Freier auflaufen und lehnte in einer insgesamt höflichen Art und Weise, die den abgewiesenen Bewerber "nicht verletzen und auch nicht gesellschaftlich beleidigen wollte." (ebd.) Neben der herabsetzenden Anmaßung Gotters war dieser Bewerber, bei aller Sicherheit, die er zu bieten hatte, vielleicht in Carolines Augen aber doch ein zu großer "Moralapostel" (Roßbeck 2009, S.83), mit dem sie sich ein gemeinsames Eheleben nicht so recht vorstellen konnte. Eines war ihr danach jedenfalls klar, Gotha kam unter diesen Umständen für einen Umzug nicht in Frage. Im April 1792 zog Caroline mit ihren Kindern ein paar Monaten bevor die kurfürstliche Residenzstadt am 21. Oktober des gleichen Jahres von französischen Revolutionstruppen unter Führung von General »Custine (1740-1793) erobert wurde, nach Mainz.

In Mainz, das als kurfürstliche Residenzstadt ein teures Pflaster war, verdiente sich Caroline mit Stickereien das Zubrot, das nötig war, um das kleine Zimmerchen zu bezahlen, in dem sie mit ihrer Tochter Auguste wohnte. Die "abgrundiefe Naivität" (ebd., S.88), mit der sie den kommenden Revolutionskriegen und der bevorstehenden Okkupation linksrheinischer Gebiete durch die Franzosen entgegensah und jede Flucht ausschloss, rief auch August Wilhelm Schlegel wieder auf den Plan, der ihr aus Amsterdam "zärtliche, warnende, tadelnde Briefe" (ebd., S.91) schrieb, weil er nicht verstehen konnte, worauf sich Carolines "Vertrauen in die Ewigkeit der neuen Ordnung" (ebd.) eigentlich gründete: "Finger weg vom schmutzigen Revolutionsgeschäft, versuchte er ihr einzuschärfen. Über kurz oder lang würde auch sie Blut an ihren Händen kleben haben, Eifersüchtig beäugte er aus der Ferne den wachsenden Einfluss von Forster und Konsorten auf die Freundin. In großer Sorge um Caroline wäre Schlegel liebend gerne nach Mainz gereist. Ein Besuch wurde ihm mit der gleichen Hartnäckigkeit ausgeredet wie seine wiederholten Heiratsanträge." (ebd.)

Nachdem Georg Forster am 7. November 1792 in den ▪ Mainzer Jakobinerklubs eingetreten war, von dem Frauen ausgeschlossen blieben, setzte sich dessen Frau Therese ab einen Monat später ab und verschwand ohne ein Abschiedswort aus Mainz zu ihrem Geliebten, dem sächsischen Legationsrat und Schriftsteller »Ludwig Ferdinand Huber (1764-1804), der seit 1790 bei den Forsters wohnte, in die Schweiz.

Caroline kümmerte sich nun um den mit der neuen persönlichen Situation heillos überforderten, schon kränkelnden Forster und führte ihm den Haushalt. Selbstverständlich dichtete man ihnen ein Verhältnis an, für dessen Verbreitung auch Therese, die sich inzwischen Sorgen um ihren eigenen Ruf machte, beitrug. (Kleßmann 1975, S.114) Mehr noch: In einem Einakter von 28 Seiten eines anonymen Verfassers aus dem Jahre 1793, der unter dem Titel »Die Mainzer Klubbisten zu Königstein oder die Weiber decken einander die Schanden auf"  kursierte, spielt auch die Figur der Bürgerin Böhmer als "eine(r) viel versprechende(n) und wenig haltende(n) Witwe" eine Rolle. Dabei wird ihr unterstellt wird, "sie habe Therese zur Abreise bewogen und Forster über das Verhältnis Therese/Huber aufgeklärt, um selbst mit Forster das Bett teilen zu können." (ebd.)

In Georg Forsters Haus lernte Caroline auch General »Custine (1740-1793) und andere französische Offiziere kennen, die sie als angenehme Kavaliere erlebte, so dass sie ihr ohnehin positives Frankreichbild bes tätigten.

Angeblich hat sie mit diesen die Enthauptung des französischen Königs »Ludwig XVI. (1754-1793) am 21. Januar 1791 in Paris sogar in einer Ballnacht gefeiert. Im Umgang mit den französischen Offizieren lernte sie auch den 19-jährigen französischen Leutnant Jean-Baptiste des Crancé, der aus einer einflussreichen und angesehen französischen Familie stammte. Er wurde "für ein paar wundervolle Stunden" (Roßbeck 2009, S.94) ihr Liebhaber. Die Umstände dieses vielleicht nur One-Night-Stands: "Die seit fünf Jahren Verwitwete, sehr zurückgezogen Lebende, erlebt eine Ballnacht (es ist Karneval),, in der sie von einem jungen Offizier umworben wird, den sie – als Adjutanten d'Oyrés – wahrscheinlich bei Forsters kennengelernt hat, ohne dass aber ein Liebesverhältnis bestand. In Mainz herrscht jene hektische Gestimmtheit, die oft Untergangspsychosen vorausgeht, dazu der Rausch des Festes, den die Neunundzwanzigjährige – und das bedeutet für jene Zeit: eine schon alternde Frau  – genießt. Sie, die seit fünf Jahren in sexueller Enthaltsamkeit gelebt hat, findet sich plötzlich umworben von Jugend, und es geschieht eigentlich ganz selbstverständlich das, was geschehen muss." (Kleßmann 1975, S.115)

Von ihrer Einstellung zu den weiteren Ereignissen in der besetzten ehemaligen kurfürstlichen Residenzstadt während der Besatzung und der kurzen Zeit der ▪ Mainzer Republik (Oktober 1792-Juli 1793 weiß man zumindest so viel: Die eingeforderte Treueeklärung zur neuen Republik und die sofortige Ausweisung und Enteignung von Eidesverweigerern fanden ihre ungeteilte Zustimmung, wie sie in Briefen an August Wilhelm Schlegel immer wieder ausdrückte. Doch die Kriegslage änderte sich rasch. Als die deutschen Koalitionstruppen Mainz Ende April eingekreist hatten, wendete sich das Blatt. Seit Mitte April wurde die Stadt belagert und kapitulierte am 22. Juli 1792. Nach dem Abzug der Franzosen wenige später werden zahlreiche "Klubisten" werden in und vor Mainz Opfer der Lynchjustiz. 41 Jakobiner werden als Geiseln nach Ehrenbreitstein deportiert.

Caroline hatte Glück. Es war ihr gelungen, am 30. März mit ihrer Tochter, »Meta Forkel (1765-1853), der Schwester des Mainzer führenden Mainzer Jakobiners »Georg von Wedekind (1761-1831), und deren Mutter unerkannt aus Mainz zu fliehen. Doch ihr Plan, sich über Mannheim nach Gotha abzusetzen, schlug fehl. In der Nähe von Oppenheim wird die Flüchtlingsgruppe von einem preußischen Vorposten kontrolliert. Befragt nach Papieren und Namen glauben die Soldaten einen lukrativen Fang gemacht zu haben, der ihnen ein erkleckliches Lösegeld einbringen würde: Schwester und Mutter von »Georg von Wedekind und die (vermeintliche) Frau des Jakobiners »Georg Wilhelm Böhmer, der als Custines Sekretär mit den französischen Truppen nach Mainz gekommen war. Man nahm die Gruppe fest, Caroline konnte die Verwechslung nicht verhindern, und nach ein paar Tagen Hin und Her wurden sie "in einem offenen Wagen am Ende des »traurigen« Zuges »kreuzweise zusammengebundener« Jakobiner aus Mainz, Worms und Bingen, auf ihrem Weg begafft und mit Verwünschungen überhäuft, mit Steinen, faulen Äpfeln und stinkenden Eiern beworfen" am 8. April 1792 in die kurmainzische Landesfestung gebracht und dort mit sieben weiteren Personen unter furchtbaren hygienischen Verhältnissen und unter dem ständigen Schreien misshandelter Häftlinge inhaftiert. Sonntags wurden die Häftlingen von ihren Bewachern gegen ein Eintrittsgeld allen denen "ausgestellt", die sich ein solches Vergnügen an ihrem Elend leisten wollten. Aus der Haft herauszukommen, war ohne entsprechende Fürsprecher draußen in der Welt kaum möglich. Deshalb richtete sich Caroline an ihre ehemaligen Verehrer Tatter und Meyer, die aber aus Angst davor, "sich für eine Staatsfeindin in Gewahrsam" (ebd., S.102f.)  einzusetzen, keinen Finger für Caroline und ihre Tochter Auguste, die mit ihr eingekerkert war, rührten. Zwar erreichten Carolines Schwiegervater und die Professoren Schlözer und Heyne, dass sich die Haftbedingungen für Caroline und Auguste nach zwei Monaten besserten, aus der Haft entlassen wurden die beiden allerdings nicht, sondern zunächst nur am 11. Juni von Königstein nach Kronberg verlegt, wo die harte Festungshaft in Hausarrest umgewandelt wurde. Caroline war da schon einige Monate schwanger von ihrem französischen Liebhaber und schwankte hin und her zwischen Gedanken an Suizid, Abtreibung, aber auch Flucht, um das Kind irgendwo zur Welt zu bringen, wo man sie nicht kannte.

Dabei war für Caroline, die auch von August Wilhelms Bruder Friedrich umworben worden war, die "Freundschaftsehe mit Schlegel [...] wohl auch so etwas wie Selbstschutz" (Appel 2013, S.132).

Es war ein Arrangement, das in in den Vorstellungen dieser Zeit ihre bürgerliche "Ehre" wiederherstellte. Nach dem Tode ihres Ehemanns war sie mit ihrer Tochter Auguste in das revolutionäre Main gezogen. Während der kurzen Zeit der ▪ Mainzer Republik (Oktober 1792-Juli 1793) hatte sie eine Affäre mit dem 19-jährigen französischen Leutnant Jean-Baptiste des Crancé, von dem sie schwanger wurde und kam dadurch sowohl gesellschaftlich wie auch finanziell nach dem Ende der ersten Republik auf deutschem Boden in eine äußerst schwierige Lage. Überall wo sie sich als unehelich schwangere Frau auch hinbegab, wurde sie von der bürgerlichen Gesellschaft geschnitten und verachtet. Um überhaupt wieder Fuß fassen zu können, gab sie ihren kleinen Sohn, das "Franzosenkind" nach seiner Geburt Pflegeeltern, bei denen der Kleine aber schon bald verstarb.

Die Ehe mit Schlegel jedenfalls eröffnete ihr wieder einen gewissen bürgerlich-gesellschaftlichen Rahmen, den sie nach ihrer Mainzer Zeit als unehelich Schwangere von der bürgerlichen Gesellschaft geschnitten und verachtet, lange hatte leidvoll vermissen müssen. Sieht man von bestimmten Leuten, die ihr die Sympathien für die deutschen Jakobiner weiter nachtrugen, und ▪ Intimfeinden wie den Schillers ab, fand sie jedenfalls an der Seite ihres neuen Ehemanns wieder Luft zum Atmen. Und dieser fand in der gebildeten Frau an seiner Seite, die "kongeniale Koautorin" (Roßbeck 2009, S.128), die er für seine werknahe Shakespeare-Übersetzung unbedingt brauchte.

Die Ehe mit Schlegel war von wechselseitiger Toleranz und dem Gewähren von Freiheiten gekennzeichnet, was aber nicht verhindern konnte, dass sie sechs Jahre später schon wieder geschieden wurde. August Wilhelm "liebelte seit Beginn seiner Ehe anderweitig herum", schwärmte für schöne Berliner Schauspielerinnen wie »Friederike Unzelmann (1760-1815) und verliebte sich 1799 in "eine andere Schöne der Berliner Gesellschaft, die geschiedene Elisa de Nuys".(ebd., S.215) Die 29-jährige frisch geschiedene Bremerin hatte es Schlegel so angetan, dass er ihr in einem Brief von den "Süßigkeiten eines Umgangs in wenigen Tagen" schwärmt. (zit. n. Kleßmann 1975, S.197). Caroline jedenfalls scheint diese Affäre ihres Mannes näher als seine sonstigen "Bettschätze" (ebd.) gegangen zu sein.

So hatte August Wilhelm auch kein wirkliches Problem damit, als sich eine Beziehung zwischen Caroline und dem neuen 23-jährigen und damit, zwölf Jahre jüngeren "Superstar" der Jenaer Universität, »Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854), entwickelte, der 1798 auf Vermittlung Goethes als außerordentlicher Professor in Jena mit seiner Lehrtätigkeit begonnen hatte und seitdem eigentlich ständig bei den Schlegels zu Gast war.

So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Ehe der "beiden Ehefreunde" (Appel 2013, S.241) Caroline und August Schlegel mit Unterstützung Goethes, der sich beim Herzog von Sachsen-Weimar dafür einsetzte, schon nach sechs Jahren im Jahr 1803 wieder geschieden und Caroline im gleichen Jahr Schelling heiratete.

In dem von allen Schlegels bewohnten Haus in der Jenaer Leutragasse  gaben sich alle, die zum Kreis der Romantiker zählten, die Klinke in die Hand. »Novalis (1772-1801) (= Georg Philipp Friedrich von Hardenberg), »Ludwig Tieck (1773-1835), »Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773-1798), »August Wilhelm Schlegel (1767-1845) und »Friedrich Schlegel (1772-1829) sowie die Philosophen »Friedrich Schleiermacher (1768-1834), »Johann Gottlieb Fichte (1762-1814), »Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854) und der Naturphilosoph »Johann Wilhelm Ritter (1776-1810) waren dort regelmäßig zu Besuch, täglich kamen bis zu 18 Mittagsgäste, um miteinander gesellig zu "»Symphilosophieren« [...] um zu reden, zu scherzen und zu streiten, einheimische und auswärtige Gäste kamen hinzu." (ebd., S.54) An den Abenden trugen sich die Anwesenden eigene und fremde Werke vor, man fachsimpelte über die Calderón- und Shakespeare Übersetzungen August Wilhelms, sprach über dies und jenes, was literarische gerade angesagt war, auch allerlei Jenaer Klatsch kam dabei wohl zur Sprache, beschäftigte sich aber auch ausgiebig mit den Gegnern der eigenen Überzeugungen.

Schon Ende des Jahres 1799 neigte sich die Zeit der Jenaer Frühromantik mit ihrer typischen Gruppenbildung dem Ende zu und ihre wichtigsten Vertreter verließen die Stadt. Friedrich Schlegel pendelte ab dem Jahresende zwischen Berlin und Jena hin und her, ehe er 1802 nach Paris zog. Und sein älterer Bruder August Wilhelm verlegte seinen Wohnsitz nach seiner Entfremdung von seiner Frau Caroline nach Berlin, wo er  - Berlin hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Universität – von 1801 bis 1804 öffentliche Vorlesungen - es waren sogar Frauen zugelassen! – vor einem nichtakademischen, bildungswilligen und zugleich zahlungskräftigen Hörerkreis hielt, das sich für neues Wissen und aktuelle Themen interessierte.

Gert Egle. zuletzt bearbeitet am: 30.12.2021

 
 

 
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