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Erzähltextanalyse: Gabriele Wohmann, Der Antrag

Keine Chancen für alternative Lebenskonzepte

Fräulein Mack im Zwiespalt

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren ● Gabriele Wohmann Denk immer an heut Nachmittag [ Der Antrag ▪ 
Text Aspekte der Erzähltextanalyse Texterfassung mit Annotationen Texterfassung mit InterpretationshinweisenDarbietungsformen des Erzählens Erzähltechnische Verknüpfungen Gegensatz der Liebes-, Ehe- und Lebenskonzepte Fräulein Mack im Zwiespalt Charakterisierung des Mannes ] Bausteine   ...   Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch
 

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In der ▪ Kurzgeschichte ▪»Der Antrag« von ▪ Gabriele Wohmann werden in der Haupt- und Nebenhandlung zwei ganz unterschiedliche Lebensformkonzepte einander gegenübergestellt: die Ehe als konventionelle Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft und die ungebundene freie Liebe ohne eheliche Bindungen.

Die beiden Konzepte werden im Text als unversöhnliche Gegensätze einander gegenübergestellt. Die Zusammenhänge können mit der nachfolgenden (freien) Strukturskizze visualisiert werden.


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Liebes- und Lebensformkonzepte in den 1960er Jahren

Das von dem Mann, der den Antrag stellt, verkörperte Modell einer ehelichen Lebensform muss nach heutigen Verhältnissen und Vorstellungen als äußerst antiquiert bezeichnet werden.

Es entspricht aber in seinen Grundzügen den Vorstellungen der ▪ bürgerlichen Ehe wie sie vom 19. Jahrhundert angefangen bis Mitte des 20. Jahrhunderts durchaus verbreitet gewesen sind. Für die Vorstellungen einer reinen Liebesbeziehung, für das Ideal einer romantischen Liebe oder gar für Lust und Leidenschaft war in solchen Konzepten kein Platz.

In diese Richtung zielt auch die Kritik an der bundesrepublikanischen Wirklichkeit der späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts, die sich dem Text entnehmen lässt.

1960, das Jahr, in dem die Geschichte von Gabriele Wohmann erschienen ist, ist allgemein gekennzeichnet durch den wirtschaftlichen Aufschwung in der Bundesrepublik Deutschland, der auch die Beziehungen der Geschlechter zueinander beeinflusste.

1958 trat das ein Jahr zuvor beschlossene Gesetz in Kraft, das die Gleichberechtigung der Frauen und Männer endlich auch auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts garantierte, nachdem zuvor schon entsprechende Grundgesetzänderungen vorgenommen worden waren. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit von Gleichberechtigung klaffte weiterhin eine große Lücke.

Nach dem Krieg waren die Frauen, die mit ihrer unersetzlichen Arbeit in den Trümmern des Bombenkrieges auch eine gewisse Emanzipation erlangten, von den aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrenden Männern zunächst wieder auf ihre Hausfrauenrolle zurückgedrängt worden. Und selbst wenn es hin und wieder Tendenzen zu einer partnerschaftlichen Ehebeziehung gab, dominierten weiterhin ausgeprägte patriarchalische Entscheidungsstrukturen das eheliche Zusammenleben.

Hinter der Losung "Trautes Heim - Glück allein", einem der bekanntesten Wahlsprüche dieser Zeit, verbarg sich denn nicht nur der Rückzug ins Private, sondern zugleich auch die hinter den Wänden solcher Privatheit fest zementierten traditionellen Rollenmuster. "Die Hausfrau, die liebende, pflegende, heilende Hüterin des Hauses sollte unentgeltlich die Hauswirtschaft führen, Nachwuchs gebären, die Kinder im Sinne der herrschenden Moral erziehen und den Mann 'entlasten'. Dem Mann als Haushaltsvorstand oblag es, im Erwerbsleben für die notwendigen Ressourcen zu sorgen." (Glaser o. J., Die 50er Jahre, S.81) So war es für Männer und Frauen eine Selbstverständlichkeit ihrer persönlichen Lebensplanung, irgendwann zu heiraten, für Frauen wurde eine Verehelichung sogar als wichtigstes Lebensziel ausgegeben.

Wichtigste Voraussetzungen für die Ehe war auf Seiten der Frauen die Unterordnung in der patriarchalisch dominierten Ehe und ihre Gebärfähigkeit, auf Seiten des Mannes die Schaffung einer materiellen Grundlage für die Versorgungsehe. Zwar konnten Frauen, sofern sie einen selbstständigen Beruf ergreifen konnten oder durften, auch ehelos leben, doch als "Fräulein" seine Tage zu fristen, galt noch immer als Schicksal der "alten Jungfern", die keinen Ehemann abbekommen hatten.

Die Vorstellung, man könne als Single ohne diese gesellschaftliche Stigmatisierung ein erfülltes Leben führen, war zu dieser Zeit noch in weite Ferne gerückt.

Familie und mit Einschränkungen auch die "schuldlos" kinderlose Ehe waren die Lebensformen, die allgemein in hohem Ansehen standen. Eine "wilde Ehe", also eine sexuelle Beziehung zwischen Männern und Frauen ohne staatliche und kirchliche Legitimation, war verpönt.

Solche Beziehungen führten vor allem "Ehefrauen, die dies jahrelangen Wartens auf ihre vermissten oder kriegsgefangenen Männer überdrüssig waren." Sie führten zum Entsetzen ihrer heimkehrenden Männer "ein ungebundeneres Sexualleben und gingen so genannte 'wilde Ehen' ein", darunter viele mit den Besatzungssoldaten der Siegermächte in Deutschland. (vgl. ebd., S.91)

Im Zuge der weiteren Konsolidierung der Gesellschaft, "die mit der fortschreitenden Existenzsicherung einherging, konnten sich die althergebrachten Vorstellungen wieder durchsetzen, wie sie vor allem von den Kirchen verkündet wurden. Diese versuchten auch, den Gebrauch empfängnisverhütender Mittel zu unterbinden und negierten die Notwendigkeit sexueller Aufklärung, etwa in Schulen." (ebd.)

Auch wenn bestimmte Vorboten die in den Sechzigerjahren stattfindende sexuelle Revolution ankündigten (»Kinsey-Report 1948/1953), blieb die Bundesrepublik lange ein "Land der Saubermänner und Unschuldslämmer" (ebd., S.96), zumindest nach außen hin.

Zieht man diesen, in aller Kürze skizzierten Kontext zur Interpretation der Kurzgeschichte von Gabriele Wohmann heran, so lassen sich daraus wichtige Interpretationsaussagen gewinnen. Es erklärt sich auf diesem Hintergrund, weshalb die Frau von dem unbekümmerten Treiben des Liebespaares in der Öffentlichkeit (!) so in den Bann gezogen wird. Ein solches Verhalten ist in einer Zeit, in der Sexualität nach außen hin noch vielfach verpönt und Kommunikation über sexuelle Bedürfnisse meist noch unmöglich waren, nur in sehr eingeschränktem Maße möglich.

Ein Leben gar ohne Trauschein, der ja, wie die Frau meint, schnell Lust, Leidenschaft und Unbekümmertheit verkümmern lasse, ist nicht einmal als alternative Lebensform denkbar. Ferner erklärt der Kontext auch, was die Frau - trotz ihres zum Teil kaum überwindbaren scheinenden inneren Widerstands, am Ende - im Gespräch - ohne jedes Wenn und Aber zu einem klaren Ja zum Heiratsantrag bewegt. Noch bleibt ihr, so scheint es, keine Alternative, ja sie zieht nicht einmal in Betracht, dass eines Tages ein anderer Mann ihr den gleichen Antrag machen könnte.

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 04.10.2020

 
 

 
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