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»James Joyce hat die
stream
of consciousness-Technik im modernen Roman durchgesetzt und ihre
Möglichkeiten beträchtlich erweitert, aber er hat sie nicht erfunden.
[...] Als der französische Literat Édouard Dujardin 1887 seinen -
großzügiger Weise "Roman" genannten - Text Geschnittener
Lorbeer (Les lauriers sont coupés) veröffentlichte, benutzte
er den stummen Monolog nicht als Verfahren neben anderen, sondern als
grundlegende Erzählweise. Es fehlt also ein Erzählrahmen in der dritten
Person; der Innere Monolog steht, einige dialogische Partien integrierend,
für sich. Und damit konstituiert er ein neues narratives Genre im Bereich
der
Ich-Erzählung.
Die
Literaturwissenschaft hat es
Monologerzählung
(Jürgen Zenke) oder
autonomous
monologue (Dorrit Cohn) genannt genannt, das in einigem Kontrast
zu seiner Verbreitung steht - handelt es sich doch u eine "seltene
Experimentalform", die allerdings in ihrer Zuspitzung die
Leistungsfähigkeit und die Grenzen der stream of consciousness-Technik
deutlich macht.
Nicht zufällig wurzelt diese Form in der Zeit um 1900 mit ihrem lebhaften
Interesse an der psychischen Dynamik und deren möglichst
"authentischer" Wiedergabe. Äußeres Geschehen ist nur als
Stimulus solcher Prozesse wichtig. [...] Es ist leicht zu sehen, wie die
Technik des direkten stummen Monologs solchen Intentionen entgegenkommt:
Inneres und äußeres Geschehen [...] fließen ineinander und werden,
abgesehen von den Dialogpartien, nur in subjektiver Wahrnehmung,
Empfindung und (stumm bleibender) Versprachlichung erfasst. [...]
Ebenso leicht sind hier, wo der "objektive Erzählrahmen und die
informierende Erzählinstanz ausfallen, aber auch die strukturellen
Schwächen des Verfahrens zu erkennen. Einerseits ist das Erzähltempo
fest an den zeitdeckenden oder -dehnenden Ablauf des Inneren Monologs (und
des Dialogs) gebunden, was ebenso wie die Perspektive schnell monoton
wirkt [...]. Andererseits müssen alle zum Verständnis nötigen
Kontextangaben (Identität des monologisierenden Ich, Ort und Zeit des
Geschehens, äußere Abläufe) durch das Monolog-Ich selbst mitgeteilt
werden, was zu ausgesprochen steifen und "unnatürlichen"
Partien führen kann. Es werden also Wahrnehmungen, Bewegungen usw.
monologisch versprachlicht, die tatsächlich wohl einfach wahrgenommen
oder ausgeführt würden. [...] Die beeindruckendsten
"autonomen Monologe" sind insofern jene, die erstens
nicht völlig frei und "autonom" stehen, sondern - wie locker
auch - in einen solch übergreifenden Erzählrahmen (in der Dritten
Person) eingelagert sind, und die zweitens das monologisierende Ich
nicht oder nur geringfügig zu Bewegungen und Aktionen veranlassen - es
also in eine Ruhesituation versetzen, in der es fast ausschließlich
monologisieren darf.«
(aus:
Vogt
1990, S.188-190)
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