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Aspekte der Analyse und Interpretation

Epitaphe, Leichentexte und poetische Grabschriften

Fleming: Herrn Pauli Flemingi der Med. Doct. Grabschrifft ...


FAChbereich Deutsch
Glossar
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Text

Aspekte der Analyse und Interpretation

Der Lebensrückblick eines "freien Geistes"

Bausteine

Dass jemand einen Text als quasi Nachruf auf seinen eigenes Leben verfasst, wie dies Paul Fleming (1609-1640)  mit ▪ Herrn Pauli Flemingi der Med. Doct. Grabschrifft ... getan hat, ist auch heute nicht gerade selbstverständlich.

Natürlich gibt es sicher zahlreiche Texte, die jemand seinen Angehörigen hinterlassen will und in denen der Verstorbene zu Lebzeiten darüber nachdenkt, wie seine Angehörigen mit seinem Andenken nach seinem Tode umgehen sollten. In solchen Texten werden angesichts des sicheren Todes wohl oft auch Dinge angesprochen, die dem Schreiber bzw. der Schreiberin besonders am Herzen liegen, die vielleicht nie oder nicht mehr ausgesprochen werden konnten oder über den Tod hinaus Tröstungen formuliert, um nur zwei Intentionen solcher auch emotional berührender Gebrauchstexte und deren möglicher Inhalte anzusprechen.

Dass jemand seinen eigenen Nachruf als Gedicht gestaltet, dürfte heute jedenfalls kaum jemand einfallen. Allenfalls lässt sich der einen oder andere Todesanzeige in der Zeitung entnehmen, dass ihr Text noch von dem Verstorbenen in dem Bewusstsein selbst abgefasst worden ist, der "Nachwelt" eine letzte Botschaft, oft auch über den Sinn des Lebens, zu hinterlassen. Dass dabei neben Zitaten oft auch kurze Verse in Todesanzeigen platziert werden, hat hingegen eine sehr lange Tradition.

Grabinschriften im Mittelalter und der Renaissance

Als »Grabinschriften (Epitaphe: altgr. zum Grab gehörend) werden mehr oder weniger stark künstlerisch gestaltete  Grabdenkmale für einen Verstorbenen an einer Kirchenwand oder einem Pfeiler oder auch entsprechend beschriftete Steinplatten bezeichnet. Diese Grabinschriften befinden sich aber im Unterschied zum »Grabmal nicht unbedingt dort, wo auch der Leichnam des/der Verstorbenen bestattet ist.

Die einfachste Form der Grabinschrift ist die Nennung des Namens, des Geburts- und des Todestages eines/r Verstorbenen, so wie es heute auf vielen schlichten Grabmalen auf Friedhöfen zu sehen ist.

Im Verlauf des 16. und 17. Jahrhunderts wurden Epitaphe für Adelige und angesehene und wohlhabende städtische Bürger immer aufwändiger gestaltet und entsprachen damit ihren immer wichtiger werdenden Repräsentationsbedürfnissen. Im Spätmittelalter waren solche Grabplatten schon mit Reliefs gestaltet, die den Verstorbenen zeigten.

Im Barock wurden Epitaphe meist architektonisch aufgebaut und die plastischen Darstellungen aus Stein, Metall oder Holz herausgearbeitet. Dabei wurden sie meistens farbig gefasst und oft auch teilvergoldet.

Seitdem mussten die Inschriften neben einer herausragenden künstlerischen Gestaltung auch den gesellschaftlichen Status des Verstorbenen angeben. Im Mittelalter gehörte dazu außer den Lebensdaten auch, die Angabe des jeweiligen Ehepartners (vgl. auch der bis heute oft auf den Grabdenkmalen immer noch angegebene "Mädchenname" bzw. Geburtsname).

Seit der Renaissance ist es durchaus üblich, diese Daten der Inschrift durch den sog. Leichentext zu ergänzen. Das ist im Allgemeinen ein Bibel- oder Liedzitat, über das bei der Bestattung gepredigt wurde.
Epitaphe in der Barockzeit

Im Barock werden die »Epitaphe immer aufwändiger Inschriften immer länger und ausführlicher. Sie werden gewöhnlich von Stiftern bzw. Stifterinnen in Auftrag gegeben, würdigen den Lebenslauf der Verstorbenen und rühmen ihren herausragenden und frommen Lebenswandel. Zugleich mahnen sie die Hinterbliebenen und die Nachwelt daran, sich bei ihrer Lebensführung immer bewusst zu bleiben, dass auch sie selbst sterblich sind (»Memento mori).

Im Allgemeinen gehört zu einem solchen Epitaph ein dafür verfasster Leichentext in Latein oder in der jeweiligen Nationalsprache. Und nicht selten ist er in Versform gehalten und orientiert sich an der antiken Epigrammdichtung.

Als beispielhaft können die aus verschiedenen Zeiten stammenden »Epitaphe in der »Kirche Leubnitz-Neuostra in Dresden gelten. Eines der Epitaphe ist der  wahrscheinlich von »Johann Christian Kirchner (1691-1732) oder »Paul Heermann (1673-1732), beide Bildhauer am »sächsischen Hof,   geschaffene Epitaph für »Johann Friedrich Karcher (1650-1726), seine Frau Catharina Elisabeth († 1716) und seine Tochter Eleonore († 1730). Karcher war wohl einer der bedeutendsten Gartenarchitekten der Zeit und legte den »Großen Garten in Dresden an, dessen Konzept er »nach ersten Planungen neu überarbeitet hat und auf der Grundlage französischer Vorbilder gestalten ließ.

Das Epitaph, das hier als Beispiel für die aufwändige Gestaltung erwähnt wird, zeigt die lebensgroßen, in Marmor ausgeführten Büsten der Verstorbenen .Die Büsten der Eltern, über denen sich Baldachine aus Holz befinden, flankieren dabei die Büste der Tochter. Der eigentliche Unterbau des Epitaphs besteht aus Sandstein.

Ein anderes Beispiel ist das Epitaph für den Bildhauer »Johann Jakob Pock (1604-1651), das inmitten von Epitaphen berühmter Adelsgeschlechter in der »Wiener Schottenkirche angebracht ist. Es ist 173 x 83 cm groß, mit einer Büste des verstorbenen Meisters in Marmor. Über seinem Kopf ist ein springender Bock, der die Blätter einer Pflanze frisst, dargestellt, darunter, wohl ebenso als Anspielung auf den Namen des Bildhauers, der Kopf eines gehörnter Bockes Darunter befindet sich der Kopf eines gehörnten Bockes mit dem ausgespannten Fell eines Bockes.


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Die Inschrift unter der Marmorbüste lautet (hier in Versform dargestellt):

Mein lieber Leser, steh hie still,
Vernimm was ich Dir sagen will.
Hie ligt begraben ein wackrer Mann,
Hanns Jakob Bock das war sein Nam
Ein Steinmetz, Bildhauer nach der Kunst,
Sein Arbeit bracht Ihm Ehr vnd Gunst
Bey Sanct Stephan der Hoch Altar,
Die Saul auffm Hof sein werk auch war
Der Tod der auch den Künstler Preyss
Ja Niemand zu verschonen waiss
Riss ihm hinweg auss dieser Welt,
als man Sechs hundert Ein und fünfzig zeltt,
Er starb den zwölften Februar,
Seins Alters Sibn und Viertzig Jahr. –
Sein Nachfahr Treu inn Eh und Ruhm,
Macht Ihm diss Epitaphium
Diss Bild gibt Dir Sein Conterfey.
Die Bockshaut den Zunam dabey
Der Güttig Gott Ihm gnädig sey,
Ein frölich Urständ auch verleih.

Das Genre der poetischen Grabinschriften

Dienen Epitaphe dazu, einer/m Verstorbenen ein ehrendes Andenken im Gedächtnis der Hinterbliebenen und der Öffentlichkeit zu bewahren, so spielen poetische Grabschriften mit diesem Thema zum Zweck der Unterhaltung. Sie gehören zur barocken Kurzlyrik.

Wie eigentlich immer in der ▪ Literaturepoche ▪  Barock (1600-1720) spielt, wenn es um Lyrik geht, das antike Vorbild eine sehr wichtige Rolle. So auch im Falle von Grabinschriften, die den Gelehrten der Zeit aus der antiken Epigrammdichtung bekannt gewesen sind und die in der neulateinischen Dichtung der Zeit ihren festen Platz hatte.

Wer sich also damit befasste, dazu in der deutschen Nationalsprache, konnte auf entsprechende Beispiele verweisen und sich daran machen, diese nachzuahmen und ggf. "weiterzuentwickeln"(vgl. Kühlmann 1982a, S.168 )

Ein Beispiel dafür sind die »mehrenteils fantastischen Grabschrifften« für zahlreiche Personen der Geschichte und Zeitgeschichte, für bestimmte Typen oder sogar Tiere, die ▪ Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1616-1679) in seinen ▪ Poetischen Grabschriften (1662) veröffentlichte. Sie zeigen auch, dass »Sterbensgedancken« dieser Art "als poetische Adaption eines Gebrauchstextes" (Kühlmann 1982a, ebd.) als epigrammatischeGelegenheitsdichtung, ohne großen künstlerisch ästhetischen Anspruch an ihre Gestaltung einen Unterhaltungswert für das Publikum hatte.

Zwei Beispiele aus den Poetischen Grab-Schrifften von Hofmannswaldau können dies verdeutlichen:

XXXVII.
Kleopatren.

Hier liegt Kleopatra das Wunder Ihrer Zeit /
Wer sie gewesen ist das weiß man weit und breit.
Ein ieder hütte sich viel Perlen herzubringen /
Weil sie gewohnt ist dieselben zu verschlingen.

LXX.
Eines alten Bräutigams

Cupido jagte mir die Pfeile nach dem Herzen /
Es gab mir wenig Kraft und nicht geringe Schmerzen.
Der Wille war bereit / die Sehnen fehlten mir /
Mein Lieb küst frisches Fleisch / ich faule schon alhier.

Die logozentrische Welt in Paul Flemings Grabschrift

Die zunehmende Bedeutung von Epitaphen und ihre bildnerische und sprachkünstlerische Gestaltung auf der einen und der scherzhaft-satirische und spielerische Umgang mit dem Thema der Grabinschriften gehört zum Kontext des von Paul Fleming (1609-1640)  verfassten Sonetts ▪ Herrn Pauli Flemingi der Med. Doct. Grabschrifft ..., das äußerlich in ihrer ästhetischen Gestaltung an die Epitaphe der Barockzeit anschließt, zugleich aber deutlich über deren Funktion hinausweist und zu einem ▪ Lebensrückblick des gelehrten Dichters wird, der bemerkenswerte Einblicke in dessen ▪"logozentrische Sprechweise" (Stöcklein 1956) und das dahinter stehende Konzept einer logozentrischen Welt gewährt.

Dass er sich im Gegensatz z. B. zu den Epitaphen für die oben dargestellten Bildhauer, die besonderen Wert auf die bildhauerische Komposition legten, in seiner Grabschrift auf das Wort, d. h. die Sprache konzentrierte, ist für einen "Mann des Wortes", wie es Fleming war, leicht nachzuvollziehen. Allerdings bedeutet Fleming das "Wort" an sich weitaus mehr, weil die Sprache, die dem Menschen von Gott gegeben ist, "dem Individuum in Sachen Wahrheit immer schon voraus (ist)." (Willems 2012, Bd. I, S.205) Die "logozentrische Welt" Flemings ist geprägt von der Vorstellung, dass die Sprache "eine Gabe Gottes (ist), ein Geschenk, das den Geist des göttlichen Spenders atmet." (ebd.)

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 23.12.2023

 
 

 
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