▪
Analyse
von Alltagsargumentationen
▪
Überblick
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Arbeitsschritte zur Analyse
▪
Leitfragen
zur Argumentationsanalyse (Bayer
1999)
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Sprachliche Indikatoren in der Alltagsargumentation
▪
Darstellungsmethoden
▪
Bausteine
Die Beziehung zwischen der Argumentationslehre und der Logik
Die Logik als Wissenschaft von den Gesetzen und
Formen des Denkens, wurde in der griechischen Antike von
Aristoteles (384-322 v. Chr.) als Wissenschaft
begründet und zum System weiterentwickelt. In ihrer traditionellen Form
untersucht sie u. a. allgemeine Formen des Denkens (Urteil, Begriff und
die verschiedenen Formen der Verknüpfung von Gedanken im so genannten
Schluss).
Logik, von gr. Logos, bedeutet zunächst einmal die Fähigkeit, richtig,
d.h. logisch zu denken. Darüber hinaus versteht man darunter die Lehre von
der Folgerichtigkeit und von den Methoden des Erkennens (Logikwissenschaft)
(vgl.
Philosophisches Wörterbuch, 1969, S.367f.)
Die topische Argumentation von Aristoteles
Auf den
griechischen Philosophen »Aristoteles
(384-322 v. Chr.) und seine Schrift zur Logik, die »Topik, geht die
Auffassung zurück, dass Logik und Rhetorik zusammengehören, erstes Teil des
zweiten ist.
Auch wenn Aristoteles später die Auffassung, Logik sei "ein
Mittel der Einwirkung des Redners auf das Auditorium" durch die Auffassung
revidierte, Logik sei "Wissen, das den Weg zur Erlangung der Wahrheit" weise
( www.phillex.de/logik.htm,
23.07.03), besteht bis in unsere Zeit eine enge Beziehung zwischen
Argumentationslehre und formaler Logik.
Dabei interessiert sich die Logik
naturgemäß nicht für kommunikationstheoretische bzw.
kommunikationspsychologische Aspekte der Argumentation und lässt die
Analyse partnertaktischer Einstellungen etc. außen vor.
Die topische
Argumentation hat »Aristoteles
(384-322 v. Chr.) in einer Kombination eines "Ortes" (Topos),
"an dem ein Argument liegt (also etwa 'in der Person')"
(Kolmer / Rob-Santer 2002,
S.151) und einer zugehörigen "'Findungsstrategie'"
(ebd.)
sowie der Art und Weise, "wie die gefundenen Elemente in
Zusammenhänge und plausible Schlussmuster gebracht werden"
(ebd.,
S.151f.) konzipiert.
Sie
verdeutlicht dabei in ihrer klassischen
Aufteilung vom Argumenten, die von
der Person her (a persona) oder
von der Sache her (a re), wie
die Auswahl- und Ableitungsverfahren funktionieren, mit denen wir
auch im Alltag argumentieren.
Die Art und Weise, wie Aristoteles dabei "die
Argumente nach den inhaltlichen Relationen klassifiziert, die deren
Relevanz für die Stützung der jeweilig vertretenen These garantieren
(wie z.B.: definitorische Identität, Teil-Ganzes-Relationen und
Art-Gattungs-Relationen, Ursache-Wirkungs-Relationen,
Mittel-Zweck-Relationen, Vergleichsrelationen, die mit Gleichheit,
Ähnlichkeit, Verschiedenheit zu tun haben, Gegensatzrelationen, die
mit kontradiktorischen, konträren, inversen Gegensätzen operieren,
Analogie-Relationen, induktive Beziehungen bei Beispielargumenten
sowie Autoritäten, die die Relevanz und Haltbarkeit der Argumente
stützen)"
(vgl.
ebd.), stellt dabei direkt oder
indirekt die Grundlage
der meisten Ansätze zur Klassifikation, zur expliziten
Darstellung und kritischen Evaluation von Argumenten dar, die heute
vorgenommen werden. (vgl.
ebd.)
Allerdings
Aristoteles nimmt Aristoteles die heute übliche klare Trennung von
"deskriptiven Argumenten, die die Wahrheit bzw. Wahrscheinlichkeit
einer These stützen oder widerlegen sollen, und normativen
Argumenten, die die Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit von Werten und
Handlungsnormen betreffen"
(ebd.),
nicht systematisch vor. Und auch andere Mängel hat die neuere
Forschung überwunden, indem sie, anders als er, alle Muster der
Argumentation auf der Grundlage empirisch rechtfertigbarer Kriterien
klar voneinander abgegrenzt und mit einer Liste von kritischen
Fragen auf ihre Plausibilität hin überprüft bzw. kritisch evaluiert.
(vgl.
ebd.)
(vgl. Beispiel: ▪
Autoritätsmuster)
Ein weiterer
kritisch zu betrachtender Aspekt der topischen Argumentation im
Sinne von Aristoteles ist, dass das, was mit ein und demselben Topos ausgesagt werden soll, sehr
unterschiedlich sein kann, weil Topoi "grundsätzlich offen (sind)"
(ebd.,
S.151), soweit sie kontextunabhängig, d. h. also z. B. in
keinem bestimmten Diskurs verortet sind. (vgl. hierzu »Martin
Wengelers umfangreiche Zusammenstellung der verschiedenen Topoi im
Einwanderungsdiskurs der Jahre 1960 bis 1985).
So wird die Art und
Weise, wie und wie weit man vom Aussehen eines Menschen quasi
"intuitiv" auf dessen soziale Stellung schließen kann, sicher sehr
kontrovers betrachtet. Und solche Argumente, die mehr oder weniger
stillschweigend an den sogenannten ▪ "gesunden
Menschenverstand" appellieren, verschleiern dabei nicht nur,
dass solche Rückschlüsse, sofern sie überhaupt zulässig sind oder
etwas taugen, keine Frage des Denkens ans sich, sondern Ergebnisse
sozial etablierter, auf Konvention beruhender Schlussverfahren
darstellen. Topische Argumentationen dieser Art bilden also
fragwürdige Gemeinplätze ab, die als ▪
eristische Argumentationstechniken in den ▪
Rhetorischen Giftschrank gehören.
Die Topoi von der
Person her (a persona) verzeichnen eine ganze Reihe von Orten, wo
Argumente aufzufinden sind. Dazu gehören die Abstammung (genus), der
Volksstamm (natio), das Vaterland (patria), das Geschlecht (sexus),
das Alter (aetas), die Erziehung und Ausbildung (educatio et
disciplina), die Körperbeschaffenheit (habitus corporis), die
Glücksgüter (fortuna), die soziale Stellung (conditio), die
Wesensart (animi natura), die Betätigung (studia) sowie die Rolle (quid
affect).
(vgl. Kolmer / Rob-Santer 2002,
S.152f.)

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In der
Alltagsargumentation ist es durchaus üblich, dass von Merkmalen
einer Person auf deren Eigenschaften oder Verhalten geschlossen
wird. Damit uns dieser Denkprozess
logisch vorkommt, muss die Ableitung eines Schlusses bestimmten Regeln
folgen, die auf Konvention beruhen und vor allem zu dem Kontext, d. h. der
Kommunikationssituation, den Kommunikationspartner*innen und dem
Kommunikationsbereich passen, in dem die Schlüsse beim Argumentieren
gezogen werden.
Logik beschäftigt sich mit Schlüssen und Argumenten oder:
wie man aus bestimmten Voraussetzungen eine Aussage ableitet
Die Logik beschäftigt sich u. a. mit Schlüssen und ihren Begründungen. In
unserem alltäglichen Leben ist das Ziehen von Schlüssen selbstverständlich.
Sagt z. B. jemand, dass seine Frau krank ist, schließen wir ohne viel
nachzudenken daraus, dass er verheiratet ist (vgl.
Bayer,
Argumentieren und Schließen).
Wie das Beispiel zeigt, zieht man
also "einen Schluss, indem man
aus bestimmten Voraussetzungen eine Aussage ableitet." (Weimer
2005, S.7, Hervorh. d. Verf.)
Beim Ziehen von Schlüssen wenden wir das, was wir allgemein über eine
Person, eine Sache oder einen Sachverhalt wissen, auf einen besonderen Fall
an.
Besonderheiten der Alltagsargumentation
Beim argumentierenden Sprechen im Alltag geben wir die Voraussetzungen, von denen wir eine bestimmte
Aussage ableiten, nur selten kund.
Stattdessen
verwenden wir häufig nur die Aussage als eine unbegründete Behauptung.
Diese unbegründete Behauptung halten wir
gewöhnlich auch für inhaltlich richtig bzw. wahr, aber auch für logisch.
(▪
Alltagsargumentation),
sofern wir nicht absichtlich die Unrichtiges behaupten.
Dabei kommt uns,
was wir so behaupten, zugleich auch logisch vor. Wir nehmen
einfach an, dass unsere Behauptungen auf einem Denken bzw.
auf Denkprozessen beruhen, die in unserem kulturellen und sozialen Umfeld als
korrekt bzw. gültig angesehen werden. Dabei kann es sich aber auch um
eine mehr oder weniger enge soziale Gruppe handeln, die in einer
ideologischen "Blase" agiert.
Kienpointner (1996, S. 83-184) hat anknüpfend an die
topische
Argumentation von Aristoteles und an die Modelle und
Klassifikationen von »Stephen
Toulmin (1922-2009) und »Chaim
Perelman (1912-1984) eine ganze Reihe von ▪
Mustern der Alltagsargumentation
zusammengefasst und mit einem an ▪
Toulmins Schema zur Argumentation
mit Hilfe eines dreiteiligen "Basischemas" aus den Elementen These,
Argument und Schlussfolgerung analysiert. (ebd.96,
S.183) und dabei 30 spezielle Muster in ▪
neun verschiedenen Klassen von Argumentationsmustern ausgewählt.
Wie wir also zu unserer
Behauptung kommen bzw. wie sie begründet wird, erscheint uns dann
zumindest formal korrekt, d. h.:
"Wenn die Voraussetzungen wahr sind,
dann muss auch die Schlussfolgerung wahr sein. Die formale
Richtigkeit des Schlusses besagt aber nichts darüber, ob die
Voraussetzungen wahr sind; das muss vielmehr auf andere Weise
entschieden werden. Falls die Voraussetzungen nicht wahr sind,
dann ist es - auch bei einem formal richtigen Schluss - die
Schlussfolgerung ebenso wenig. Also: Sie können von höchst
fragwürdigen, sogar von falschen Voraussetzungen ausgehen und
dennoch daraus eine logische Schlussfolgerung ziehen." (Weimer
2005, S.7.)
Wenn wir also einen Schluss auf formal richtige Art und Weise
ziehen, erscheint er uns auch als
gültig.
Was unser alltägliches Ziehen von Schlüssen von der
logischen Analyse von Schlüssen unterscheidet, ist vor allem die
wissenschaftliche und systematische Betrachtung von Schlüssen. Dabei kann
die Logik nicht beantworten, ob das, was wir behaupten, oder ob das, was wir
zu seiner Begründung heranziehen, richtig im Sinne von wahr ist. Sie kann
aber, und darin besteht eine ihrer Hauptaufgaben, Methoden zur Verfügung zu
stellen, mit denen wir verlässlich prüfen können, ob die Schlüsse, die wir
ziehen, korrekt bzw. logisch gültig sind (vgl.
Salmon 1983, S.7)
Logische Schlüsse lassen sich auf verschiedene Art und Weise ziehen
Logisch betrachtet, gibt es vier verschiedene Möglichkeiten beim
Ziehen von Schlüssen:
-
Wenn eine korrekte
Schlussfolgerung aus wahren Voraussetzungen gezogen wir, dann
muss auch die Schlussfolgerung wahr sein.
-
Wenn eine korrekte
Schlussfolgerung aus fragwürdigen oder sogar falschen Voraussetzungen
gezogen wird, dann ist die Schlussfolgerung zwar logisch korrekt
gezogen, aber inhaltlich dennoch keineswegs wahr.
-
Wenn eine nicht
korrekte Schlussfolgerung aus wahren Voraussetzungen gezogen wird, dann kann die Schlussfolgerung per Zufall wahr sein, obwohl die
Schlussfolgerung, formal gesehen, nicht haltbar ist.
-
Wenn eine nicht
korrekte Schlussfolgerung aus falschen Voraussetzungen gezogen wird, dann kann die Schlussfolgerung am Ende nur noch aus reinem Zufall
wahr sein. (vgl.
Weimer 2005, S.7)
Die Terminologie der Logik
Die Terminologie der Logik
weicht zum Teil deutlich ab von der Verwendung ähnlicher oder
gleicher Begriffe bei den
Formen der Argumentation
(einfache Argumentation,
erweiterte
Argumentation), wie sie im Rahmen dieser Webseite dargestellt werden.
Bei diesen Formen der Argumentation stehen pragmatische
Überlegungen für die Unterrichtspraxis und die Alltagsargumentation
im Vordergrund, während sich die Logik um eine systematische Analyse
bemüht.
Kernbegriffe: Schluss und Begründung bzw. Konklusion und
Argument
Die Bedeutung der Begriffe Schluss und Begründung sind für die Logik
außerordentlich wichtig.
Als fachsprachliche Termini verwendet man dafür die
Begriffe Konklusion (Schluss) und
Argument (Begründung).
Der Begriff Argument wird
aber auch als Oberbegriff für die Kombination von Konklusion und Begründung(en) (Argumente i. e. S.) verwendet.
In diesem Sinne besteht ein
Argument "aus mehr als einer Aussage: es besteht aus einer Konklusion und
den Gründen, die zu ihrer Stützung angegeben worden sind." (Salmon
1983, S.8)
So lange also eine Aussage ohne Begründung gemacht wird, ist sie nur eine
unbegründete Behauptung.
In der Alltagsargumentation kommen wir häufig ohne Begründungen aus
In der Alltagsargumentation ist es üblich - anders würde sie sich
ins Unendliche hinziehen -, keine Begründungen für Behauptungen zu geben.
So
lange wir unsere Aussagen unbegründet machen dürfen, ohne dass uns jemand
eine Begründung abverlangt, funktioniert dies auch reibungslos.
Sofern die Beziehung der Argumentierenden gleichberechtigt ist,
ist auch nichts
dagegen einzuwenden.
Kommen aber Zweifel an der Wahrheit oder der
Folgerichtigkeit der Behauptung auf, wird man seine Behauptung begründen
müssen.
Und genau an dieser Stelle beginnt das, was man im logischen Sinne
als Argumentation bezeichnen kann. Eine
Behauptung wird dann als Konklusion, d.h. als Schluss aufgefasst, für die
bestimmte Aussagen als Begründungen gelten sollen. Beides zusammen wird
damit zu einem Argument.
Die Logik untersucht die "Binnenstruktur" des Arguments
Die "Binnenstruktur" eines Arguments, genauer gesagt, die
Art und Weise, wie Begründungen und Konklusionen zueinander in
Beziehung gesetzt werden dürfen, das untersucht die Logik.
-
Sie kann und will
die Frage nicht beantworten, ob das, was behauptet wird, auch tatsächlich wahr ist.
-
Genau so wenig kann die Logik garantieren, dass Argumente, die im strengen
Sinn logisch korrekt sind, auch tatsächlich akzeptiert werden.
Die Logik hat
- das muss man immer wieder betonen nichts "mit der Überzeugungskraft von
Argumenten zu tun.
-
Argumente, die im logischen Sinn nicht korrekt sind,
überzeugen tatsächlich oft, während logisch fehlerfreie Argumente häufig
nicht überzeugen." (Salmon 1983,
S.10)
-
Und kritische Stimmen folgern daraus, dass es bei der Argumentation
überhaupt nicht darum gehen kann, "ob eine Aussage durch angeführte Gründe
gestützt wird [...] so lange es die Argumentationsteilnehmer nur akzeptabel
finden." (vgl.
Bayer 1999, S. 13,
W. Klein 1980, S.49)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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