Mit anderen Nutzern des Internets gemeinsam Texte zu verfassen, gehört im
Mitmach-Web zu den wichtigsten Kompetenzen.
In sozialen Netzwerken, in
Wikis, Blogs, auf den Kommentarseiten von Videoplattformen - fast
überall, wo sich Menschen im oder übers Netz begegnen können, spielen
kollaborative Schreibprozesse unterschiedlicher Art und Zielsetzung eine
Rolle.
Die Texte, die dabei entstehen, sind oft ganz verschieden. Sie
gehören - textlinguistisch gesehen - zu verschiedenen
Textsorten, die auf den
unterschiedlichen Kommunikationsplattformen im Web 2.0 verfasst werden.
So versteht auch Martin
Luginbühl (2005,
S.425) den Sachverhalt, wenn er ausführt: "Bei den Neuen Medien handelt
es sich also nicht um Medien, die bereits mit einer bestimmten
Kommunikationskonfiguration verbunden sind (wie etwa beim Fernsehen),
sondern eher um Plattformen, auf denen bestimmte Kommunikationsformen
angeboten werden, in denen wiederum unterschiedliche Textsorten mit je
eigenen Kommunikationskonfigurationen realisiert werden können."
Im
Internet sind
Wikis die besten Beispiele für einen
kollaborativen Schreibprozess.
Was dort geschrieben steht, ist im Allgemeinen Ergebnis der
Zusammenarbeit mehrerer oder vieler Autorinnen und Autoren. Und
Wikipedia ist das
Musterbeispiel.
Kollaboration - was bedeutet das?
Der Begriff Kollaboration geht auf das Lateinische
zurück und bedeutet Zusammenarbeiten. Häufig wird auch der Begriff
Kooperation mit Kollaboration synonym verwendet.
Genauer betrachtet ergeben sich aber doch Bedeutungsunterschiede
zwischen beiden Begriffen, die zunächst als gemeinsamen Bedeutungsinhalt
das Zusammenarbeiten haben.
Nach
Klas (2009,
S.2) unterscheiden sich beide Begriffe unter pragmatischem Aspekt:
-
"Bei der
Kooperation wird eine
Aufgabe von der Teamleitung in Teilaufgaben zerlegt, die dann den
einzelnen Gruppenmitgliedern fest zugewiesen werden. Die
Teillösungen werden dann zum Schluss zusammengefügt."
-
"Bei der
Kollaboration gibt es dagegen keine
festgelegte Aufgabenzuweisung. Der Einzelne beschränkt sich nicht nur auf
ein Aufgabengebiet, sondern arbeitet gemeinsam mit anderen wechselnd an
verschiedenen Stellen innerhalb des Projektes. Eine Software verwaltet alle
Änderungen. Das bedeutetet, sie zeichnet alle Änderungen auf, die von jedem
einsehbar sind, und schafft so eine Transparenz und Nachvollziehbarkeit der
Arbeitsabläufe. Durch die Offenlegung des Arbeitsprozesses wird es möglich, immer wieder die Perspektive zu wechseln und sich unterschiedlichen Aufgaben
zuzuwenden. Da die Kollaboration das traditionelle Verständnis vom 'eigenen'
Arbeitsbereich auflöst, kommt es in der Regel auch zu intensiven
Diskussionen. Voraussetzung für eine gelungene Kollaboration ist
also eine hohe Bereitschaft zum gemeinsamen Diskurs." [Hervorh. d.
Verf.]
Was kennzeichnet das kollaborative Schreiben?
Wer kollaborativ schreiben will, muss zunächst einmal grundsätzlich
bereit sein, mit anderen zusammenzuarbeiten. Was geschrieben wird, wird zwar
meistens allein verfasst, das Schreiben selbst findet also diachron statt.
Kollaborativ werden solche Prozesse aber dadurch, dass sie an einem
gemeinsamen Text in einem Team oder einer eingegrenzten Gruppe von
Schreibenden stattfinden. Sie können aber auch ganz offen angelegt sein:
Dann darf jeder an einem Text mitschreiben.
Durch die gemeinsame, asynchrone
Arbeit an einem Text manifestiert sich »kooperatives
Schreiben (cooperative writing), wie es auch synonym genannt wird.
Damit
ein kollaborativer Schreibprozess ohne allzu große Koordinationsprobleme und
Störungen funktionieren kann, werden von den Beteiligten im Allgemeinen
Vereinbarungen und Regeln zur Textfunktion und Textgestaltung getroffen, die
interne und externe
Textfaktoren umfassen können. Im Allgemeinen geht es dabei um
Konventionen der jeweiligen Schreibgemeinschaft (Community) zu Inhalt, Schreibstil, strukturierenden Einheiten,
Layout und zur Art
des Quellennachweis.
Das Beispiel Wikipedia
Wie solche Konventionen in einer Wiki-Community entstehen und aussehen
können, zeigt das Beispiel der Online-Enzyklopädie Wikipedia.
Autoren
für Wikipedia sollen, das erwartet die Community, ihre
Einträge möglichst sachlich neutral, ohne ideologische Einfärbungen, verfassen und mehrere Sichtweisen auf den jeweiligen Gegenstand zulassen.
Diese Konvention trägt den bezeichnenden Namen: »Neutral
Point of View (NPOV) (deutsch: »Neutraler
Standpunkt) und zählt zum Repertoire der »unveränderlichen
Grundprinzipien von Wikipedia. Der NPOV verlangt, "Ideen so zu präsentieren, dass
sowohl deren Gegner als auch deren Befürworter sie tolerieren können. Er
erfordert nicht die »Akzeptanz
aller; dies wird man selten erreichen, zumal manche Ideologien alle anderen
Standpunkte außer ihrem eigenen ablehnen. Daher sollte das Ziel darin
bestehen, eine für alle rational denkenden Beteiligten tolerable
Beschreibung zu formulieren." (Hervorh. d. Verf.)
Genauer betrachtet;
sollen Texte für Wikipedia, die auf der Grundlage des Neutralen Standpunkts
formuliert sind:
-
in einem sachlichen Stil verfasst sein, der auf Wörter verzichtet,
die als wertend oder polemisch empfunden werden können
-
auch abweichende Standpunkte erwähnen, auch von Minderheiten, wenn
diese nicht unangemessen viel Aufmerksamkeit erhalten
-
möglichst konkrete und präzise formulierte Aussagen und
Informationen machen, Genauigkeit, und dabei insbesondere unpräzise
Angaben wie viele, oftmals, ungewöhnlich vermeiden
-
denjenigen nennen, der etwas behauptet
-
sich auf anerkannte Sekundärliteratur beziehen ,von der angenommen
werden kann, dass sie neutraler ist als Quellen (vgl. »van
Dijk, Meine Beiträge, Wikipedia-Lehrbuch, 25.12.09)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
07.01.2024
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