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Das
siebte Jahr einer
Ehe
stand lange unter einem unguten Stern. Verflixt wird es genannt, um
nicht verflucht oder verdammt sagen zu müssen, wie es die Herkunft des
Wortes nahelegt. Das geflügelte Wort vom verflixten siebten Jahr
geht dabei auf einen Spielfilm mit Marylin Monroe aus dem Jahr
1955 mit dem englischen Titel The Seven Year Itch zurück, der
wiederum auf einem Bühnenstück George Axelrods basiert. Ehe der
deutsche und englische Filmtitel zu einem geflügelten Wort zur
Bezeichnung der vermeintlich am meisten kritischen Phase einer Ehe
wurde, musste das das englische itch (=“Jucken, Juckreiz“), das
ein mehrere Jahre andauerndes Leiden an Pusteln im Gesicht und auf dem
Körper ausdrückte, quasi auf den Punkt gebracht werden. Der Filmtitel
jedenfalls markiert kein Ereignis, das sieben lange Jahre andauert,
sondern eines das genau im siebten Jahr einzutreten droht: Das Ende
einer Beziehung bzw. das Ende einer Ehe. Und als Aberglaube dringt die
bange Erwartung des verflixten Jahres in manche ehemals so romantische,
freud- und lustvolle Beziehung ein.
Zwar ist das siebte Ehejahr seit 2008
stets das Jahr, in dem die meisten Ehen geschieden wurden, statistisch
gesehen ist das verflixte Jahr aber gänzlich unerheblich, denn wer sich
im siebten Jahr vor dem Familiengericht trennt, lebt ja mindestens schon
ein Jahr lang getrennt (Zerrüttungsprinzip). So gesehen scheitern die
meisten Beziehungen also weitaus früher, oft schon nach drei oder vier
Jahren, wenn die Phase der großen Verliebtheit vorbei ist und echte
Beziehungsarbeit mit Toleranz, Rücksicht, Einfühlungsvermögen, offene
Gespräche und Gesten der gegenseitigen Zuneigung im Alltag gefordert
ist.
Die Gründe, weshalb sich Menschen heute scheiden lassen, sind
vielfältig, hat der Familienforscher Wassilios E. Fthenakis schon
vor einigen Jahren festgestellt: „Zum einen sind immer weniger Menschen
bereit, eine nicht funktionierende Beziehung hinzunehmen. Wenn sie
unzufrieden sind, geben sie die Partnerschaft auf. Ein zweiter Grund ist
die ökonomische Unabhängigkeit vieler Frauen durch eigene
Berufstätigkeit - aber auch die Belastung, die dadurch auf die Familien
zukommt. Noch immer sind sehr viele Männer nicht bereit, dabei ihren
Anteil zu übernehmen.“1) Dass der Scheidungsantrag auch bei
den im Jahr 2014 geschiedenen Ehen häufiger von der Frau gestellt wurde
(in 52 % der Fälle), während nur 40 % der Fälle auf das Konto von
Männern gingen (in den übrigen Fällen (8 %) beantragten beide Ehegatten
gemeinsam die Scheidung) ist dabei keineswegs überraschend. Es bedeutet
nämlich nicht, „dass die Frauen die Scheidung verursachen. Sie ertragen
nur die Belastung nicht mehr. Männer dagegen nehmen Probleme in der
Familie oft erst sehr spät wahr.“
2) Und die Psychologin
Konstanze Fakih merkte einmal dazu an: „Frauen sind
harmoniebedürftiger, leiden stärker unter Beziehungskrisen als Männer.
Ist keine Ordnung mehr in ihrem Leben, sind sie entscheidungsbereiter,
einen Schlussstrich zu ziehen."
3)
Beziehungs- und Ehekrisen sind
keineswegs eine Sache eines bestimmten Jahres, das - Hopp oder Top
- über das weitere Eheglück entscheidet. Sie kommen in allen Ehe- oder
Beziehungsjahren vor. Meistens sind es Übergangsphasen irgendeiner Art,
die den Partnern eine neue Rolle abverlangen und sie zwingen das Wir
unter den anderen Vorzeichen neu zu erfinden. Und gerade dabei knarzt
und knirscht es häufig im Gebälk.
Das kann eine Beziehung in ihrem jungen
Stadium treffen, wenn es darum geht, nach dem Zusammenziehen
Alltagsprobleme gemeinsam in einem fairen Rollenverständnis zu
bewältigen oder sich über mögliche Kinder zu verständigen.
Aber auch nach der Geburt eines Kindes,
in der Übergangsphase zu einer „echten“ Familie, zeigen sich oft
krisenhafte Probleme. Da werden allen ehemaligen Beteuerungen zum Trotz,
oft schneller als mancher Frau lieb ist, alte Rollenverhältnisse (Frau:
Hausfrau und Mutter, Mann: Ernährer) mit dem Hinweis auf die
vermeintlich natürliche Arbeitsteilung wieder eingeführt nach dem Motto:
Das haben meine Eltern auch so gemacht!
Dazu kommt noch, dass das Kind von seiner Mutter unter Umständen so sehr
geliebt wird, dass der Mann sich als Konkurrent um die, auch erotische,
Zuwendung seiner Frau zu sehen beginnt. Und ein weiteres kann in dieser
Phase zu einer echten Belastung der Beziehung werden: Jeder bringt seine
eigene Erziehungsbiografie mit und glaubt zu wissen, was für ein
Kind gut und was schlecht ist. Schnell werden aus gegensätzlichen
Auffassungen, wenn beide nicht kompromissbereit sind, ernsthafte Paar-
und Erziehungskrisen.
Aber auch wenn die Kinder dann in einer
späteren Lebensphase aus dem Haus sind, lauert in der Übergangsphase, in
der sich das „Nest“ zu leeren beginnt, erneut Gefahr für die Partner.
Oft sind es hier die Frauen, die in einer traditionellen
Rollenverteilung als Ehe-, Hausfrau und Mutter dem Mann für Beruf und
Karriere den Rücken freigehalten haben, die nun erstmals wieder
Ansprüche an das eigene Leben stellen und neue Ziele verfolgen.
Wer aber glaubt, dass Opa und Oma endlich gefahrlos der Goldenen
Hochzeit entgegenleben können, verkennt auch hier, dass mit dem
Rückzug aus dem Berufsleben für beide Partner nicht nur eine Zeit
beginnt, in der sie angesichts der gestiegenen Lebenserwartung noch
einmal „durchstarten“ können, sondern auch eine Zeit, in der sie sich
eben auch auf der Pelle hocken. So manche alte Ehe zerbricht wohl
auch daran, dass die ständige Anwesenheit des jeweils anderen, Überdruss
erzeugt.
In allen diesen Übergangsphasen also stehen Beziehungen in besonderer
Weise auf dem Prüfstand – ein Scheidungs-Vermeidungsprogramm gibt es
nicht und die Pille gegen die verflixten siebten und anderen Ehejahre
wird wohl Wunschdenken der Verliebten bleiben.
(912 W.)
1)
Passauer Neue Presse, 1.10.98)
2)
ebd.
3)
Berliner Kurier 1.10.98
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
09.06.2016
→vgl. auch: Gert Egle, Das verflixte siebte Jahr hat ausgedient,
http://www.huffingtonpost.de/../../gert-egle/das-verflixte-siebte-jahr_b_9064766.html
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