Die
Arbeitsaufgabe, einen Text zu visualisieren, kann
mit oder ohne eine den Auftrag zur Visualisierung konkretisierende
Erweiterung gestellt werden.
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Als allgemeine Visualisierungsaufgabe ist sie
häufig so gestaltet: "Visualisieren Sie den Text ..." oder
"Visualisieren Sie [eine bestimmte Textstelle / einen bestimmten
Textauszug].
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Oft wird auch eine genaue Angabe zur Art der Visualisierung gemacht, wenn
der Schreibauftrag z. B. lautet: →"Visualisieren Sie den Text
als
Strukturbild"
Grundsätzlich sind auch andere konkretisierte Aufträge zur Visualisierung
möglich, die sich auf andere Visualisierungstechniken und besondere
Prinzipdarstellungen beziehen, wie z. B.
→"Visualisieren Sie den Text
in Form einer Argumentationsskizze"
oder Visualisierungen als →Concept Map
oder →Mind Map.
Die
Visualisierung von Texten in Form von Strukturbildern ist eine
Schreibaufgabe,
die auf unterschiedlichem Niveau in nahezu allen Schularten und Altersstufen
eine Rolle spielt.
Dabei geht es darum, adressatenorientiert Informationen, Aussagen und
Strukturen eines Textes in einer übersichtlichen Form unter Verwendung
textlicher, grafischer, typografischer und bildlicher Elemente als
Strukturbild zu veranschaulichen. Zuleich stellt eine derartige
Visualisierung stets auch eine Zusammenfassung des Textes dar, die sich statt
ausschließlich sprachlich-textueller auch oder vorwiegend anderer Elemente
bedient.
Strukturbilder spielen in der Kommunikation über Texte in
unterschiedlichsten Bereichen eine Rolle.
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In der Schule sind sie häufig
als von der Lehrkraft erstellte "Tafelbilder", Folienvorlagen oder
sonstige Skizzen im Einsatz.
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Darüber hinaus dienen sie
freilich mehr und mehr der unterrichtlich angeleiteten oder
selbständigen Erarbeitung von Texten durch die Schülerinnen und Schüler
in individuellen oder
schrittweise kooperativen Schreibprozessen. (→Schreibkonferenz
zur Schreibaufgabe)
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Unverzichtbar sind sind auch
für alle Formen der Präsentation,
sofern sich diese auf die Erarbeitung und Information über textlich
vorliegende Informationen stützt.
Grundsätzlich trägt die schulische Schreibform "Visualisieren von Texten"
damit, und das natürlich in den unterschiedlichsten Fächern, der Tatsache
Rechnung, dass die visuelle Kultur heute alle Lebensbereiche durchzieht.
Die Schreibaufgabe "→Visualisieren Sie den Text
als
Strukturbild" ist eine der
Aufgaben für die
Abschlussprüfung an der Berufsschule in Baden-Württemberg. (→Musterbeispiel)
Die Bewältigung der Arbeitsaufgabe ist ein komplexer Vorgang, bei dem
verschiedene Kompetenzen ins Spiel kommen.
Fließtext und Visualisierung des Textes
Die Visualisierung von Texten entlastet den
Schreibprozess
bei der Zusammenfassung von Inhalt oder Aufbau von Texten von einer
zusammenhängenden sprachlichen
Fließtext-Darstellung,
wie sie bei anderen Formen der Zusammenfassung von Texten (Abstract,
Inhaltsangabe,
strukturierte Textwiedergabe etc.) eingefordert wird.
Auf der
anderen Seite müssen Aussagen über den Inhalt, den Aufbau und sonstige
Strukturen des Textes in ein komplexes Zeichensystem von Wörtern und
Begriffen, grafischen und typografischen Elementen, die selbst wieder
Bedeutung tragen, "übersetzt" werden. Wenn z. B.
Ursache- und
Wirkungszusammenhänge
visualisiert werden sollen, müssen diese eben nicht nur erkannt, sondern
auch mit geeigneten Mitteln in einem Strukturbild umgesetzt werden.
Visualisieren als komplexe und schwierige Aufgabe
Grundsätzlich ist es daher auch unter didaktischen Aspekten falsch
anzunehmen, dass die Schreibaufgabe "Visualisieren Sie den Text in Form
eines Strukturbildes" etwa leichter zu bewältigen ist, als die vergleichbare
Zusammenfassung im Fließtext. Einfaches "knowledge
telling" über den Text, funktioniert dabei nämlich nicht. Stattdessen
ist "knowledge
transforming", und dies unter besonderen Vorzeichen, gefordert, wenn in
der Regel um die Erfassung des Inhalts und von Strukturen des Textes geht.
Dann kann, je nach Text wohlgemerkt, das Anforderungsniveau sogar
beträchtlich höher liegen als bei einer herkömmlichen, referierenden
Inhaltsangabe.
Von den Problemen sprachlicher Ökonomie ganz zu schweigen,
die bei der überaus hohen Verdichtung von Informationen in einem
Strukturbild entstehen, einmal ganz zu schweigen. So wird man auch im
Allgemeinen die Schreibaufgabe nur mit einer
Schreibstrategie
bewältigen können, die den Schreibprozess in unterschiedliche Schritte
zerlegt.
Dies alles erklärt auch, dass etliche Schülerinnen und Schüler, wenn sie nicht über
entsprechende Kompetenzen (s. Abb.) verfügen, sich bei der Visualisierung
von Texten in Form von Strukturbildern oft ziemlich schwer tun. Sie spüren
offenbar genau heraus, dass Ihnen dabei eine sehr anspruchsvolle Arbeit
abverlangt wird, die Schwächen in den unterschiedlichen Kompetenzbereichen
offenlegen können. Dabei ist dies wiederum, →schreibdidaktisch
betrachtet, nichts Außergewöhnliches, wissen wir doch, dass der
→Schreibprozess
ein sehr komplexer Vorgang ist. (gl. auch: →Operator
"Visualisieren"
)
Kompetenzen als Voraussetzung
Die Bewältigung der Schreibaufgabe ist ein komplexer Vorgang, bei dem
verschiedene Kompetenzen ins Spiel kommen. Man muss z. B.
- lesekompetent sein, um Texte mit einem unterschiedlichem
Anspruchsniveau erfassen und verstehen zu können.
- sprachkompetent sein, um den Aussagen des Textes ggf. in
geeignete eigene Formulierungen transformieren zu können
- →Schreibkompetenz
zeigen, um den Gestaltungs-/Schreibauftrag in einem mehrschrittigen
Verfahren organisieren zu können
- Methodenkompetenz besitzen, um die unterschiedlichen Aufgaben
während des Arbeitsprozesses zur Erstellung eines Strukturbildes mit
geeigneten Arbeitsmethoden bewältigen zu können
- →Bildkompetenz
haben, um textliche und grafische Informationen, aufeinander abgestimmt
und adressatenorientiert, in ein Strukturbild umsetzen zu können.
- Sozialkompetenz, um den Gestaltungs-/Schreibauftrag z, B. in
einem
teilweise kooperativen Schreibprozess bewältigen zu können
Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Schreibaufgabe
Eine derart komplexe
Schreibaufgabe kann dem Schreiber Probleme auf unterschiedlichen Ebenen des
Schreibprozesses bereiten. kann. Diese können sich auf unterschiedliche
Bereiche der allgemeinen
→Schreibkompetenz
beziehen (→Zielsetzungskompetenz,
→inhaltliche
Kompetenz, →Strukturierungskompetenz,
→Formulierungskompetenz)
und unterschiedliche
Schreibstörungen
oder Schreibblockaden auslösen. Nur unter Berücksichtigung dieser
Faktoren ist eine differenzierte Sicht auf den Lerner und seinen
Lernprozess möglich.
Der mehrstufige Schreibprozess
Der Schreib-/Gestaltungsprozess für die Visualisierung von Texten in Form
von Strukturbildern kann dem auf die empirischen Forschungen von
Flower
und Hayes (1980) zurückgehenden Grundmuster von Planen (planning) - Formulieren (translating)
- Überarbeiten (reviewing) (bzw. "Vorbereiten - Rohfassung
schreiben - Überarbeiten" (vgl.
Kruse/Ruhmann 2006, S.23, Hervorh. d. Verf.) folgen.
Planen |
In der Planungsphase wird der Text
erfasst. Dabei richtet sich das Augenmerk auf die äußere
und innere Textstruktur.
- Die äußere Textstruktur umfasst die Gliederung des Textes
durch Absätze und Leerzeilen, die Hinweise auf einzelne Sinnabschnitte
des Textes geben können. Besonders wichtig sind auch Nummerierungen oder
Zwischenüberschriften, die die Inhalte und Aussagen des (Ausgangs-)Textes
strukturieren.
- Bei der inneren Textstruktur geht es um den inhaltlichen,
gedanklichen und argumentativen Aufbau eines Textes. Hier sind
inhaltliche
Sinnabschnitte
oder
Argumentationsstrukturen (die Art und Weise, wie Sachverhalte
dargestellt und begründet werden) entscheidend. Dafür gibt es
unterschiedliche Arbeitstechniken (→Den
Inhalt eines Textes erfassen,
→Den
Gedankengang eines Textes erfassen). Diese
Strukturierungsaufgabe ist das
Fundament, auf dem die im Anschluss daran zu gestaltende Visualisierung
ruht.
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Formulieren/Gestalten/Entwerfen |
In der Formulierungs- bzw. Entwurfsphase
wird zunächst entschieden,
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auf welche Art
und Weise das Strukturbild erstellt werden soll (z. B.
handschriftlich oder mit Hilfe eines Computerprogramms)
-
welche
textlichen, grafischen,
typografischen
und bildlichen Elemente bei der Erstellung des Strukturbildes zum Einsatz
kommen sollen.
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Überarbeiten und Fertigstellen |
In der Überarbeitungsphase wird die
endgültige Fassung des Strukturbildes erstellt. Dabei wird
noch einmal an Hand des Textes überprüft, ob die erforderlichen
Informationen im Strukturbild verarbeitet und in geeigneter Form
zueinander in Beziehung gesetzt worden sind. |