Im Dezember 1766 wird Friedrich Schillers
Vater Johann Caspar auf eigenen Wunsch in die
Residenz- und
Garnisonsstadt Ludwigsburg
versetzt.
Für einige Wochen
zieht die Familie als "Gäste" in eine
Wohnung im Haus des herzoglichen
Leibarztes Reichenbach in der Hinteren Schlossstraße, ein Haus,
das im Übrigen nur adeligen Mietern offen steht (vgl.
Lahnstein
1981, S. 30). Später wird das Haus von dem Freiherrn Friedrich
von Maucler (1792) erworben und trägt seitdem den Namen "Maucler'sches Haus"
(heute: Mömpelgardstr. 26) (vgl.
Sting 2005, S. 530)
Unter
Umständen hat die Familie, wie
Sting (2005, S.546)
behauptet, während des Jahres 1762, als Johann Caspar sich mit seinem
Regiment zweimal über längere Zeit in Ludwigsburg und sonst in Stuttgart
aufhält, dort Quartier bezogen (vgl.
von Wilpert 1966, S.60).
Nach
seiner Versetzung nach Schwäbisch Gmünd, wo Johann Caspar als Werbeoffizier
tätig werden soll, ist seine Familie im Dezember 1763
dann für kurze Zeit dorthin und von da nach Lorch
weitergezogen.
Anfang 1767 jedenfalls ziehen die Schillers in Ludwigsburg in ein neu
errichtetes Haus in der Stuttgarter Straße 26, das dem
Hofbuchdrucker Christoph Friedrich Cotta d. Älteren gehört. In einer
Wohnung dieses Haus - es steht übrigens heute noch - lebt Friedrich
Schiller die nächsten sechs Jahre, bis er am 16. Januar 1773 als
Dreizehnjähriger auf Geheiß des
Herzogs Carl Eugen in die
Karlsschule
eintreten muss.
Das Cotta-Haus steht in der Karlsstadt, die Herzog Carl
Eugen südlich des bis dahin vorhandenen Stadtzentrums, der "Altstadt" bzw.
der "Ludwigsstadt", errichten will. Allerdings kommt das Projekt nach dem Bau verschiedener
Kasernen und Arsenalbauten nicht so recht voran. Das liegt nicht zuletzt
daran, dass die im Herzogtum Württemberg ansässigen Juden sich von der
Pflicht freikaufen, in der Karlsstadt ein neues Haus zu bauen. Diese
Verpflichtung war ihnen vom Herzog als Gegenleistung für den ihnen gewährten
Schutz willkürlich auferlegt worden. So besteht die Karlsstadt, als
Friedrich Schiller 1767 hinkommt, eigentlich nur aus der Häuserfront an der
Stuttgarter Straße, Häusern am Karlsplatz und aus einigen Häusern in der Karlsstraße. Dahinter bleibt das Gelände bis zum Arsenalplatz unbebaut. Was
nicht bebaut ist, wird von den Bewohnern der Karlsstadt als Gärten genutzt.
(vgl.
Sting 2005, S. 226)
Hier ist
so viel Platz, dass Johann Caspar Schiller hinterm Haus eine Baumschule
einrichten kann. Mit den von ihm gezüchteten und okulierten Apfel- und
Birnensorten betreibt er einen kleinen Handel und nach seiner
Ernennung zum Intendanten der
Hofgärtnerei auf
»Schloss Solidude 1775
kann er dorthin die stattliche Zahl von 4.000 okulierten Bäumen mitbringen. (vgl.
ebd.,
S.546) Als die Familie Schiller in diesem Jahr auf der Solitude eine kleine
Dienstwohnung in einem der Kavaliersbauten des Jagd- und
Repräsentationsschloss bezieht, ist Friedrich
Schiller
schon einige Zeit aus Ludwigsburg weg und mit der Militärakademie nach Stuttgart verlegt worden.
Vom Cotta'schen Haus aus kann man jedenfalls auf den
Karlsplatz sehen, wo nahezu täglich Einheiten der mehrere tausend Soldaten
zählenden
Truppen des Herzogs exerzieren. Und von dort schallen Kommandorufe, Trommeln und Pfeifen den ganzen Tag herüber
zur Schillerschen Wohnung.
Wahrscheinlich, dass Friedrich Schiller, dem die Begeisterung fürs
Militärische gänzlich abgeht, auch hier jene Vorliebe für Marschmusik
entwickelt, die
sein Leben lang währt. (vgl.
Lahnstein 1981,
S.40) Was
sich sonst noch auf dem Exerzierplatz gegenüber abspielt, mag der junge
Friedrich mit eigenen Augen nicht gesehen haben, gehört aber auch zum
Alltag: Exekutionen und »Spießrutenlaufen
(Gassenlaufen). Wer z. B. als Wachsoldat seinen Posten
verlässt, muss spießrutenlaufen, wer sich mehr als eine Viertelstunde von
seiner Truppe entfernt, soll aufgehängt werden. (vgl.
Sting 2005, S. 192) Auch
Justinus Kerner erinnert sich
später daran: "Hier marschierten oft die
riesigen Grenadiere, man hieß sie Legioner des Herzogs, zur Parade oder
bezogen die nahe stehende Hauptwache. Sie waren nach dem Schnitte der
Leibgarde Friedrichs des Großen gebildet, in Größe und Gestalt von
Pappelbäumen, in roten Fräcken mit schwarzen Aufschlägen, und hatten auf den
gepuderten Häuptern über den steinharten Zöpfen hohe, spitze Grenadiermützen
sitzen, die mit gelbem Bleche beschlagen waren. Oft hatte man hier auch
derben Ohrenschmaus von einer Versammlung
von Tambours, nach deren Trommelschlag ein gnädiger Pardon den diesem
Soldatenjammer entlaufenen Landeskindern verkündigt wurde. Nicht selten fand
auch auf diesem Platze die
leidige Exekution eines
Spießrutenlaufens statt, oder konnte man aufgerichtete
Galgen bewundern, an denen die Namen Desertierter angeschlagen waren."
Außer
den militärischen Dingen bekommt der junge Schiller aber von seiner Wohnung
auch das Spektakel der
venezianischen Messen mit,
die, nicht weit von zu Hause weg, auf dem großen Marktplatz veranstaltet werden. Dazu wird der ganze
Marktplatz, wie
Kerner beschreibt, "zeltartig
mit Tüchern bedeckt, Verkäufer und Käufer waren maskiert. Es war
ein buntes Getümmel von Masken, welche die tollsten Aufzüge und Spiele
ausführten, worunter nicht das stärkste ein riesenhafter
»Heiducke des Herzogs war, der
in die Maske eines Wickelkindes gekleidet, in einer Wiege herumgeführt und
mit Brei von einer Amme, die ein Zwerg war, gespeist wurde."
Im Cotta-Haus wohnt außer den Schillers noch die Familie
des Hauptmanns
Christian
Daniel von Hoven (1732 - 1823). Eltern
und Kinder beider Familien freunden sich rasch an. Die beiden Söhne der von Hovens,
Friedrich Wilhelm
(1759 - 1838) und
Christoph August (1761 - 1780), sind etwa im gleichen Alter
wie Friedrich. Der ältere der beiden Brüder, Friedrich von Hoven, wird mit
ihm Anfang des Jahres 1767 in die Lateinschule von Ludwigsburg aufgenommen.
Die Brüder von Hoven gehen auch später mit Friedrich Schiller auf die
Karlsschule, in die sie aber schon eineinhalb Jahre früher im
Juni 1771, vermutlich wegen ihrer adeligen Herkunft, aufgenommen werden.
Mit
den beiden Brüdern Hoven verbindet Friedrich eine lebenslange Freundschaft, die
bei dem
jüngeren der beiden aber schon 1780 tragisch endet, als
Christoph August von Hoven im Alter von
19 Jahren stirbt. Friedrich von Hoven beschreibt die
Kinderfreundschaft zwischen ihm und Friedrich Schiller in seinen
Erinnerungen (1840) wie folgt: "Wir waren von gleichem Alter, beide
Offizierssöhne, wollten beide Theologie studieren, ja wir wohnten zuletzt in
den nämlichen Haus, in der damaligen Cottaschen Buchdruckerei in
Ludwigsburg. Da unsern Vätern alles daran gelegen war, dass wir etwas
Rechtes in der Welt werden sollten, so wurden wir streng zum Lernen
angehalten, und um hierzu keine Zeit zu versäumen, wurde uns außer der
Schule nur wenig Umgang mit unseren Kameraden gestattet. Umso fester
schlossen wir uns daher aneinander selbst an, spielten miteinander in unsern
müßigen Stunden und übten aller Mutwillen, wie z. B. an dem Setzer der
Druckerei, welchem wir täglich einen neuen Streich spielten. So lebten wir
in der innigsten Verbindung zusammen bis zu meiner Aufnahme in die
militärische Pflanzschule auf der Solitude." (zit. n.
Aufenanger 2006, S. 21) Auf
der Militärakademie (Hohe Karlsschule) ist Friedrich von Hoven noch immer
einer der wichtigsten Freunde Schillers.
Außer den Brüdern von Hoven
entwickelt sich auch zu dem Sohn eines Bad Canstatter Arztes,
Immanuel
Gottlieb Elwert (1759 - 1811), der mit Schiller bis 1792 die Lateinschule
besucht, eine enge Freundschaft. Wie Schiller und von Hoven wechselt er 1775
auf Anweisung des Herzogs vom Jura- zum Medizinstudium. (vgl.
Alt Bd I 2004, S.98)
Die freundschaftlichen Bande zu Friedrich von Hoven, der später Hofmedicus
wird, werden bei Schillers Aufenthalt in Ludwigsburg und Stuttgart 1793/94
wieder vertieft. Friedrich von Hoven und seine Frau
Christiana Heinerica
(1769 - 1827) sind es auch, die Schillers
Frau Charlotte (geb. von Lengefeld;
1766-1826) bei der Geburt ihres ersten Kindes, dem Sohn
Karl Friedrich
Ludwig (1793-1857) in Ludwigsburg (14.9.93) medizinischen Beistand leisten.
Zunächst geht es aber mit den Freunden auf die
Lateinschule in Ludwigsburg,
die sich zu dieser Zeit noch in der Beckengasse (heutige Eberhardstraße)
befindet. Später wird sie in ein Kanzleigebäude in der Oberen Marktstraße 1 verlegt. Wie von Hoven in seinen oben zitierten Erinnerungen erwähnt, wollen
Schiller und er in dieser Zeit später einmal Theologie studieren.
Friedrich Schiller, dessen religiöse Neigungen von seinem Vater wie auch
seiner Mutter stets begrüßt und nach Kräften gefördert werden, will
damit den Weg einschlagen, den ihm sein Vater,
Johann Caspar Schiller,
längst vorgezeichnet hat. Zugleich zeigt dieser Wunsch des siebenjährigen
Jungen, welche tiefen Eindrücke die
Predigten von Pastor Philipp Ulrich Moser
in der Lorcher
Zeit seiner Kindheit (1764 - 1766) bei ihm hinterlassen haben.
Der
Besuch der Lateinschule ist in dieser Zeit Voraussetzung dafür, in ein
Predigerseminar mit anschließendem Theologiestudium aufgenommen zu werden.
Das
Familienleben in Ludwigsburg folgt zunächst bewährten Mustern.
Zur Familie gehören außer den Eltern und dem Sohn Friedrich die Töchter Christophine, die 1766 in Lorch zur Welt gekommene
Luise Dorothea
Katharina, die 1768 geborene Maria Charlotte (stirbt sechsjährig 1774)
und die 1773 geborene und im selben Jahr schon im Säuglingsalter verstorbene
Tochter Beata Friederike - die Tochter Caroline Christiane (Nanette) ist
erst 1777 geboren.
Zu einem festen Tagesritual der Familie gehören auch noch in
Ludwigsburg die üblichen Morgen- und Abendandachten,
mit denen
Vater und Mutter die gemeinsame Bibellektüre weiter kultivieren. Ebenso werden im
Familienkreis gerne
christliche Oden des Rokokolyrikers
»Johann Peter Uz rezitiert, dessen Buchausgaben
offenbar zum Leidwesen von Vater und Mutter Schiller auch frivole
anakreontische Lieder enthalten, die man den lesebegierigen Kindern so auf
die Dauer nicht vorenthalten kann (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 78)
Sonst
gibt es in der bescheidenen Bibliothek der Schillers nichts
Deutschsprachiges zu lesen, so dass sich der besonders begabte Lateinschüler
Friedrich mit großer Begeisterung an die lateinischen Klassiker macht.
Romane sind im Hause Schiller noch verpönt, da ihnen negative Auswirkungen
auf die Moral ihrer Leser bzw. besser: Leserinnen nachgesagt werden.
Immerhin bleiben auch Johann Caspar die besonderen Talente seines Sohnes
nicht verborgen, als dieser mit
selbst verfassten lateinischen Gedichten
zu Hause und in der Lateinschule brillieren kann.
Hin und wieder nimmt er seinen Sohn, ohne allerdings im Geringsten
zu beabsichtigen, diesen auf eine Militärlaufbahn hin zu orientieren, zu
militärischen Schauveranstaltungen mit. So
kommt der Siebenjährige im Sommer 1767 einmal mit in das große
Musterungslager. Aber auch zu anderen Anlässen darf der Junge seine Eltern
hin und wieder begleiten. So besucht er als Neunjähriger mit ihnen erstmals
die 1765 in Ludwigsburg eröffnete pompöse
Oper - eine der größten in
ganz Europa -, zu der die Offiziere der württembergischen Regimenter, wie
auch alle anderen, in der Regel adeligen Zuschauer freien
Zutritt haben. (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 46, 49).
1 Abbildung: Vorlesen in der Familie, Quelle: http://www.itzehoe.de/Itzehoe/Kultur/Johann_Gottwerth_Mueller/8_Lesegesellschaftsleiter/
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.02.2022