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Höfische Festkultur unter Carl Eugen (1728-1793)

Venezianische Messen

 
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Zu den interessantesten ▪ höfischen Festen, die Herzog Carl Eugen (1728-1793) veranstalten lässt, gehören die so genannten venezianischen Messen in Ludwigsburg und später, als der Hof wieder zurückverlegt wird, auch in Stuttgart.

Die Idee für diese Veranstaltung kommt dem Herzog vor allem auf seinen ersten drei ▪ Reisen nach Italien (1753, 1762 und 1767), wo er das "dolce vita" in vollen Zügen genießt.

Der nach venezianischem Vorbild mit maskierten Promenaden und Musik gestaltete Jahrmarkt wird erstmals im Januar 1768 unter dem Titel "Sanct Marcus Messe" auf dem von Arkaden umsäumten Markplatz von Ludwigsburg ausgerichtet.

An gleicher Stelle finden die in den Folgejahren veranstalteten venezianischen Messen statt, ehe sie mit der Rückverlegung der Residenz nach Stuttgart 1775 in die Nachbarstadt abwandern, wo die Veranstaltung erstmals 1776 stattfindet.

Was sich auf den venezianischen Messen in Ludwigsburg ereignet, muss aus vergleichsweise wenigen Quellen erschlossen werden. Auch die viel zitierten ▪ Aussagen von Justinus Kerner (geb. 1786) sind kein Augenzeugenbericht. Aber immerhin ist sein Vater Organisator dieser Messen gewesen, die direkt vor der Haustür der Kerners stattfanden, so dass die Mitteilung seines Sohnes wohl auf dessen Erzählungen beruht:

"Auf dem großen Marktplatze, auf dem die Oberamtei, das Haus meiner Geburt, stand, wurden venezianische Messen gehalten. Der große Marktplatz war zeltartig mit Tüchern bedeckt, Verkäufer und Käufer waren maskiert. Es war ein buntes Getümmel von Masken, welche die tollsten Aufzüge und Spiele ausführten, worunter nicht das stärkste ein riesenhafter Heiducke des Herzogs war, der in die Maske eines Wickelkindes gekleidet, in einer Wiege herumgeführt und mit Brei von einer Amme, die ein Zwerg war, gespeist wurde. Von den Fenstern des Oberamteigebäudes konnte man den Marktplatz am besten überschauen, daher nahm der Herzog in solcher Zeit mit seiner Gemahlin Franziska den Aufenthalt daselbst.

Meine Eltern mussten da jedesmal Raum schaffen, ja, auch die unteren Gelasse des Hauses, wo die Schreibstuben waren, mussten geleert werden: denn hier wurde in solcher Zeit eine Pharobank eingerichtet." (Justinus Kerner 1840)

Für die jährlich stattfindende Messe wurden bestimmte Häuser bzw. Teile davon, die am Ludwigsburger Marktplatz standen vom Herzog angemietet und zu "öffentlichen Casines" erklärt, d. h. zu herzoglichen Gesellschaftsräumen, Billardsälen oder Cafés umfunktioniert.

Im Haus des Händlers Mainoni (Marktplatz 1) und in der Oberamtei (Marktplatz 8) pflegte der Herzog zu logieren, wenn er sich wie gewöhnlich an jedem Tag der Messe mit seiner Begleitung auf den Marktplatz begab. (vgl. Berger 1997, S. 177, 181)

Die venezianischen Messen waren aus mehreren Gründen originell und beliebt.

  • Sie fanden außerhalb des Schlossbereichs statt.

  • Die Hofgesellschaft trug dabei häufig Masken und Kostüme und fand Freude an der venezianischen Maskerade.

  • An den zahlreichen Ständen, einer Ladenpassage mit bis 44 Boutiquen wurden exquisite Waren und Luxusgüter zum Kauf angeboten.

  • Es gab einen bedeckten Gang mit einem bretternen Fußboden, so dass das Lustwandeln zwischen den Ständen auch in der kalten Jahreszeit einigermaßen angenehm war.

  • Die zahlreichen Gäste von nah und fern erhöhten noch den gesellschaftlichen Wert der Veranstaltung und steigerten deren Ausstrahlung im Sinne der fürstlichen Machtrepräsentation.

Die Händler, die die Messe besuchten, kamen aus ganz Europa. Sie boten ihre Stoffe, Galanteriewaren, Getränke und Speisen an oder verkauften an den herzoglichen Ständen Produkte aus der herzoglichen Porzellan- und Spiegelfabrik. "Ihren außergewöhnlichen, 'venezianischen Charakter'," betont Berger (1997, S.182f.), erhielt der Event "durch ihre maskierten und kostümierten Besucher. Der Herzog hatte sich und seine Begleitung auf seinen Venedigreisen mit Maskenkostümen üppig ausgestattet: zur Grundausstattung gehörten die »Bauta«-Maske mit einem dreispitzigen Hut sowie ein weiter schwarzer Umhang." (ebd., S.183f.)

Natürlich können sich nicht alle, wie der Herzog auf seinen Italienreisen, mit Originalkostümen ausstaffieren, so dass der Verleih von Kostümen floriert.

Der gesellschaftliche Stellenwert der venezianischen Messen

Für die adelige Hofgesellschaft, aber auch für das gesellschaftliche Leben in der Residenzstadt, waren die venezianischen Messen freilich weit mehr als Jahrmärkte.

Ihre Attraktion beruhte nicht zuletzt darauf, dass sich die Hofgesellschaft "herabließ", in Bürgerhäusern zu feiern. Man zeigte sich in der Öffentlichkeit der Residenzstadt, fand sich zu bestimmten Zeiten bei maskierten Spaziergängen ("Promenaden") ein, tafelte in den in den Marktplatzhäusern und zog zum Ausklang des Tages wieder zurück in die Residenz, wo man wieder unter sich, Abend für Abend Bälle, Opern, Ballettaufführungen oder Konzerte veranstaltete.

Wie viel die normalen Bürger Ludwigsburgs von dem Spektakel mitbekamen, zu dem sie freien Eintritt hatten (vgl. Hagel 2007), lässt sich sicher schwerlich sagen. Doch es scheint angenommen werden zu können, dass auch schaulustigen Bürgern und dem einfachen Volk so alljährlich ein Blick auf das Treiben der Hofgesellschaft möglich gewesen ist (vgl. Berger 1997, S.185).

Ob Carl Eugen schon in Ludwigsburg Gleiches oder Ähnliches verfügt hat, wie Hagel 2007 berichtet, kann hier nicht geklärt werden, ist aber wohl anzunehmen. "Zu bestimmten Zeiten, nämlich mittags von 12 bis 14 Uhr und abends von 18 bis 20 Uhr, musste der Adel auf venezianische Art maskiert, mit weißer Halbmaske, schwarzem Schulterkragen oder Umhang mit Kapuze und mit schwarzem Dreispitz, durch die Gänge promenieren. Sogar der Herzog fand sich regelmäßig ein. Die Bürger hatten freien Zutritt, mussten sich aber nicht verkleiden. Bei dieser “Promenade” durfte niemand einen Degen tragen. Zudem hatte der Herzog befohlen, 'daß weder vor Höchstdemselben noch sonst vor jemant der Huth abgenommen werden solle'.
Nachts wurden die Gänge im Herrenhaus erleuchtet, und dieses diente als Kasino, während die anderen Gänge vom wachhabenden Offizier verschlossen wurden. Straßen und Gassen um den Marktplatz herum wurden illuminiert."

Leicht vorzustellen, wie sich die Reaktionen und Empfindungen der Ludwigsburger Bürger, sofern sie nicht als Wirte oder Handwerker unmittelbar von der Veranstaltung profitierten, dabei zwischen offener Bewunderung und klarer bürgerlicher Ablehnung der Prunksucht und Prasserei bewegten.

Immerhin: Bis heute feiert man in Ludwigsburg alle zwei Jahre ein Stadtfest unter dem Titel "Venezianische Messe" und entfaltet dabei ein äußerst bunte, ja pittoreske Farbenpracht mit venezianischen Masken und Kostümen.

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 10.09.2023

   
 

 
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