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Matthias Richter: Sinnbildung während des Lesens (1996)

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Matthias Richter
[Sinnbildung während des Lesens ] (1996)

"In der Frage, wie man sich die Sinnbildung während des Lesens zu denken hätte und welche Rolle dabei der Text, welche der Leser spielen, schlägt Iser einen mittleren Weg ein: Weder ist der Sinn eines Textes vollständig in ihm enthalten und lässt sich durch sachgerechtes Verstehen gleichsam entnehmen (objektivistische Position), noch ist der Text lediglich eine Projektionsfläche für beliebige Bedeutungszuweisungen (subjektivistische Position). Vielmehr sind fiktionale Texte so beschaffen, dass sie zwar immer neue und gleich angemessene Realisationen erlauben, zugleich aber doch nicht alle Realisationen als gleichberechtigt akzeptiert werden müssen. Denn fiktionale Texte sind in mancher Hinsicht bestimmt, gleichzeitig jedoch in anderer Hinsicht unbestimmt.[...] Zu unterscheiden sind die pragmatische und die semantische Unbestimmtheit fiktionaler Texte. 
Ihrem kommunikativen Status nach unterscheidet Iser fiktionale von nicht-fiktionalen Texten dadurch, dass er sie nicht als Teil einer realen Kommunikationssituation zwischen einem bestimmten Absender und einem bestimmten Adressaten und mit einem bestimmten Zweck sieht. Vielmehr sind sie entpragmatisiert, und das ist die Voraussetzung dafür, dass sie an die Erfahrungswelt vieler verschiedener Leser auch unterschiedlicher Epochen anschließbar sind. [...]
Zur pragmatischen Unbestimmtheit tritt die semantische. Ein fiktionaler Text stellt einen ästhetischen Gegenstand dar, der niemals mit bereits Existierendem identisch ist und ausschließlich mit Hilfe dieses Textes konstituiert wird. Der ästhetische Gegenstand und seine Konstituierung ist aber vom Text nicht vollständig determiniert; er weist - in von Text zu Text variierendem Maße - Momente von Unbestimmtheit auf. Zu deren Behebung bei der Lektüre kann der Leser von den Gegebenheiten des Textes ausgehen, ist aber bei der Ausgestaltung des im Text Angelegten unausweichlich auch auf seine Subjektivität angewiesen. [...]
Die bei fortschreitender Lektüre entstehenden einzelnen Vorstellungssegmente werden, entsprechend dem fortschreitenden Auftauchen und Verschwinden der Textelemente, durch ständige vorausgreifende Hypothesenbildung und ständige Bestätigung oder Revision der ursprünglichen Erwartung zueinander in Beziehung gesetzt, nämlich zu einem als stimmig empfundenen Ganzen verknüpft, einer »konsistenten Interpretation« (Iser, 1984), »Sinnkonfiguration« [...]. Die Vorstellungssegmente stehen dabei während des Lese- und Verarbeitungsvorgangs in einem Verhältnis zum Thema (dem jeweils aktuell gebildeten Vorstellungssegment) und Horizont (einem oder mehreren damit verknüpfbaren anderen Segmenten). Die Sinnbildung vollzieht sich zumal bei längeren Texten auf der Basis einer sehr großen Zahl zu verknüpfender Vorstellungssegmente und auf mehreren Ebenen. Im Roman oder im Drama gilt es etwa den »plot« [das temporal-kausal strukturierte Handlungsgerüst, d. Verf.] zu rekonstruieren."

(aus: Richter 1996, S.522-525, gekürzt und leicht verändert)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 14.02.2025


   Arbeitsanregungen:
  1. Wie vollzieht sich in Isers Rezeptionsmodell die Sinnbildung bei der Lektüre eines Textes?

  2. Welche Bedeutung besitzt die These, bei literarischen Texten handle es sich um entpragmatisierte Texte?

  3. Beschreiben Sie dargestellten Handlungen des Lesers während der Lektüre anhand von eigenen Beispielen.

    
 

 
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