In der neueren Argumentationslehre (z.B.
Kolmer / Rob-Santer 2002) wird die plausible Argumentation unter dem
Blickwinkel der ▪
inhaltlich-rhetorischen
Argumentationstheorie betrachtet.
Im Gegensatz zum ▪
formal-logischen Ansatz der Argumentation,
bei dem es um das gültige Schließen von einer einmal als wahr
akzeptierten Aussage auf eine oder weitere wahre Aussagen geht, zielt
plausibles Argumentieren hauptsächlich darauf, einen anderen oder eine
Gruppe von Menschen zu überzeugen.
In der ▪
Alltagsargumentation, in deren Bereich mündliche
Auseinandersetzungen ebenso fallen wie gedruckte Zeitungsartikel
(Kommentare, Glossen) (vgl.
Bayer
1999, S.93f.), werden Argumente oft wenig sachlich, nur bedingt
zielorientiert oder auf einen Konsens ausgerichtet vorgebracht, dazu
vielleicht noch sehr lückenhaft aufgebaut, unstrukturiert und ungeordnet
präsentiert. (vgl.
Kolmer / Rob-Santer 2002, S.148).
Damit der andere die vorgebrachten Argumente akzeptiert und
letztendlich "glaubt", sie ihm also pausibel erscheinen, werden die
Argumente eben oft sehr emotional, manchmal auch polemisch vorgebracht
(vgl.
ebd.).
Aber selbst wenn Argumente "häufig mehr intuitiv als reflektiert
gebraucht (werden)" existieren aber wohl doch "gesellschaftliche
Vorstellungen" darüber, "was in einer Alltagsargumentation geeignet ist
- oder ungeeignet. plausibel - oder unplausibel, zulässig - oder
unzulässig. " (ebd.,
S.150)
Und: In der Alltagsargumentation wird dann auf dieses
"stillschweigende Wissen" (ebd.)
zurückgegriffen, das auf "- gewöhnlich unreflektierten - Konventionen
eines kollektiven Wissens- und Wertesystems (gesellschaftliche, soziale,
historische, ideologische - d. h. weltanschauliche, religiöse
Hintergründe, Annahmen)" beruht. (ebd.)
Dieser Gedanke schließt natürlich auch ein, dass das, was bestimmten
gesellschaftlichen Gruppen plausibel erscheint, längst nicht für alle
gesellschaftlichen Gruppen gilt. Die Standards für das Argumentieren im
Allgemeinen, darunter auch die Übergänge von
Prämissen zu
Konklusionen, die in
einer sozialen Gruppe gelten, müssen dies nämlich in einer anderen nicht
tun. (vgl. Bayer 1999,
S.149)
Anders ließe sich schließlich auch kaum
erklären, weshalb z. B.
▪
Stammtischparolen, populistische Sprüche und
Parolen u. ä. nur bei bestimmten gesellschaftlichen Gruppen verfangen,
die eben genau das für plausibel erachten, was anderen als vollkommen
unmöglich, widersinnig und schlichtweg dumm vorkommt. Aber: Es ist eben
in ihren Augen plausibel und das ist das Problem.
Die offen bleibende
Frage ist nur, "ob und wann die Argumentierenden selbst bereit
sind, den Anspruch auf die Wahrheit ihrer Konklusionen aufzugeben und
sich statt dessen auf unscharfe Vermutungen oder auf die Verfolgung
sozialer Ziele beschränken." (vgl.
Bayer 1999,
S.149) Solange viele Menschen freilich sich allerdings wenig darum
kümmern, ob bestimmte Aussagen wahr sind, populistische Politiker von
"alternativen Fakten" sprechen wird, die Voreingenommenheit des
▪
Meine-Seite-Denkens (Myside-Bias)
der
▪ vernunftorientierte Argumentation
insbesondere bei ▪ argumentativen
Auseinandersetzungen entgegenstehen. Entsprechende ▪
Gegenstrategien werden sich schwertun.