Das Interview, in gedruckter oder gesendeter Form, stellt nicht nur
eine • journalistische Darstellungsform dar, sondern ist zugleich eine Form
des Recherchierens.
Grundlegendes Prinzip ist die
Befragung, die
dem Interviewer und dem oder den Interviewten bestimmte
•
gesprächsorganisatorische Rollen zuweisen. Anlass der Befragung von
einzelnen oder mehreren Personen ist das Zusammentragen von Informationen
zu einem bestimmten Ereignis, zu einer bestimmten Person oder
Personengruppe oder zu einem bestimmten Sachverhalt. Hierzu werden u. a.
Personen befragt, die in dieser Sache kompetent sind, Augenzeuge eines
Ereignisses gewesen sind oder als Fachleute in einem bestimmten Bereich
gelten.
Formen des Interviews
Interviews kommen in allen Ressorts vor und lassen sich in drei Gruppen
einteilen:
Andere Einteilungen sind möglich. So lassen sich z.B. das
Recherchen-Interview, das geformte Interview und das Reportagen-Interview
unterscheiden.
-
Beim Recherchen-Interview
geht es um die Beschaffung und die Überprüfung von Informationen.
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In einem geformten Interview
wird einem Interviewten Gelegenheit gegeben, sich mit Sachaussagen und
Beurteilungen selbst darzustellen.
-
Das Reportagen-Interview
zielt darauf, Personen mit ihren Tätigkeiten und Taten vorzustellen, wobei
der Selbstdarstellung des Interviewten durch eigenes Erzählen und
Kommentieren eigener Vorstellungen und Lebensweisen breiter Raum gewährt
wird. (vgl.
Mehrmann 1995, S.10)
Die Vorbereitung des Interviews
Ein Interview ist eine Gesprächsform, die vom Interviewer
eine genaue Kenntnis der Organisationsform und der thematisch-inhaltlichen
Aspekte dieses Gesprächs verlangt. Ohne gründliche Vorbereitung wird ein
Interview daher kaum gelingen. Man muss also - nicht zuletzt wegen der
Herstellung eines günstigen Gesprächsklimas - vorher wissen
-
um welches Thema es geht und welche Aspekte das Thema
umfasst,
-
wen man interviewen will und welche
Charaktereigenschaften, Gewohnheiten und Verhaltensweisen den
Interviewten kennzeichnen.
Der
Auswahl des Interviewpartners
muss dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nicht der erstbeste
oder gar der besonders redselige Gesprächspartner, der sich einem geradezu
aufdrängt, ist gewöhnlich der richtige Gesprächspartner. Wer
wirklich aussagekräftige und verbindliche Statements zu einer bestimmten
Frage erwartet, darf sich nicht mit den Äußerungen von Personen zufrieden
geben, die in dieser Sache weder wirklich kompetent noch zu verbindlichen
Statements autorisiert sind.
Da ein Interview kein spontanes Gespräch
ist, sollte man sich die Fragen und Impulse, die vom
Interviewer im Interview gestellt bzw. geäußert werden (initiierende Akte)
vorher notieren. Dies ist natürlich auch eine Hilfe bei der
themenleitenden und themenlenkenden Aufgabe des Interviewers und dient ihm
darüber hinaus als Gedächtnisstütze, um wesentliche Themengebiete "in der
Hitze des Gefechts" nicht zu vergessen. Mitunter empfiehlt es sich auch,
die Gesprächsthemen vorher mit dem Interviewten vorzubesprechen.
Allerdings geht dies in der Regel nicht so weit, wie das in diktatorischen
Regimes häufig üblich war und ist, dass die einzelnen Fragen schon
vorformuliert, abgeliefert werden. Denn damit ginge ja jede Chance, das
Gespräch aus dem Verlauf von Frage und Antwort weiterzuentwickeln,
verloren.
Interviewverlauf und -
technik
Auch wenn ein Interview
unter gesprächsorganisatorischem Aspekt dem Interviewer und dem
Interviewten bestimmte Rollen und ein entsprechendes Rollenverhalten
zuweist, hängt die jeweilige Durchführung doch sehr von der jeweiligen
Situation, der beteiligten Personen, ihren Erwartungen und seelischen
Befindlichkeiten ab. Wer im Fernsehen mit angesehen hat, wie der ehemalige
SPD-Vorsitzende Willy Brandt den "Starjournalisten" Ernst-Dieter Lueg nach
einer Wahlniederlage abgefertigt hat, oder erleben konnte, wie der
Tennisprofi Boris Becker einmal den Sportjournalisten Günter Jauch bei
einem Interview einfach links liegen ließ, weiß wie sehr diese Dinge
sämtliche Interviewplanungen über den Haufen werfen können.
Wie bei anderen Gesprächen
auch üblich, dient die Anfangsphase des Interviews
(Gesprächskonstituierung oder Gesprächseröffnung) das Gesprächsklima
positiv zu gestalten. Bevor man also auf das "Eigentliche" zu sprechen
kommt, beginnt man als Interviewer das Gespräch mit eher Nebensächlichem
und klärt damit u. a., wie es um die Gesprächsbereitschaft des anderen in
der gegebenen Situation eigentlich aussieht.
Die
Fragen und Fragearten (•
Fragetechnik),
die beim Interview Verwendung finden, sollten im Allgemeinen möglichst
kurz, in jedem Fall aber so präzis wie möglich sein. Sie müssen einen
wirklich
initiierenden
Charakter haben, d. h. ihre Äußerung sollte den
interviewten Gesprächspartner selbst dann zu einer Reaktion zwingen, wenn
er eigentlich auf die jeweilige Frage keine Antwort weiß
Unter
gesprächsorganisatorischem Aspekt kommt dem Interviewer eine
bevorrechtigte Stellung im Gespräch zu. In der prototypischen Paarung
Interviewer und Interviewter besitzt er gewöhnlich das Vorrecht,
"initiierende Beiträge zu leisten, Fragen zu stellen, bestimmte Themen zur
Sprache zu bringen und die Gesprächsbeiträge des Interviewten mit
themenkontrollierenden Bemerkungen zu lenken" (Linke
u. a. 1994 S.291). Da ihm somit die Leitung des Gesprächs
zukommt, darf er auch "durch
Zwischenfragen den Gesprächsfluss unterbrechen, wenn der Gesprächspartner
am Thema vorbeiredet." (Mast
1994, S.193f.)
Die endgültige Fassung
Da ein Interview heutzutage meistens mit
Ton und/oder Video aufgezeichnet wird, kann sich der Interviewer
voll ganz um den Gesprächsverlauf und seine Steuerung kümmern.
Erst nach
dem mündlichen Interview wird dann eine schriftliche Fassung des Gesprächs
erstellt, wenn eine gedruckte Fassung in einer Publikation erfolgen soll.
Diese Abschrift wird dem Interviewten in der Regel noch einmal vorgelegt,
damit er gegebenenfalls sachliche Korrekturen vornehmen kann. Wenn diese
Korrekturen aber den Verlauf des Gesprächs allzu sehr verändern,
"hat auch der Journalist das Recht - und vielleicht auch die Pflicht -,
das Interview dann nicht mehr zu publizieren." (Mast
1994, S.194.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.01.2024
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