Unter dem Blickwinkel des
gesprächsanalytischen
Redekonstellationsmodells machen folgende Merkmale den
Redekonstellationstyp
Interview aus:
Teilnehmerzahl |
2 Sprecher |
Rang |
1 Sprecher bevorrechtigt |
Öffentlichkeitsgrad |
öffentlich |
Kommunikationsmedium |
Face-to-Face-Interaktion (mit massenhafter
Verbreitung) |
Themenbehandlung |
argumentativ/deskriptiv |
Zeitreferenz |
nicht-simultan |
(vgl.
Schank/Schoenthal 1976, S.41; nach
Brinker/Sager 1989, S.110)
Wenn ein Interviewer eine Frage stellt oder einen initiierenden
Gesprächsimpuls äußert, der den Interviewten zu einer Antwort auffordert
(respondierender Akt), dann erwartet er zweierlei:
-
dass sein
initiierender Akt (z. B. Frage) einen respondierenden Akt
beim Interviewten auslöst, der Interviewte also zumindest darauf
reagiert,
-
dass die Antwort des Interviewten (respondierender Akt) auch
inhaltlich an die Frage (initiierender Akt) anknüpft. Der Grad dieser Responsivität (Teilresponsivität, Nonresponsivität) kann dabei leicht
durch nonverbale Signale wie Zuwendung zum Interviewer oder verbal durch
Äußerungen wie "Ja, genau ..." oder "Dazu möchte ich sagen..."
verschleiert werden. ( vgl.
Linke u. a. 1994 S.281)
Die Rollen der Gesprächspartner im Interview
Interviewer und Interviewter nehmen in ihrem Gespräch grundsätzlich
bestimmte Rollen ein und zeigen ein entsprechendes Rollenverhalten.
-
Der
Interviewer ist quasi kraft seines Amtes in dieser
prototypischen Paarung unter gesprächsorganisatorischem Aspekt der
bevorrechtigte Partner. Er hat gewöhnlich das Vorrecht, "initiierende
Beiträge zu leisten, Fragen zu stellen, bestimmte Themen zur Sprache zu
bringen und die Gesprächsbeiträge des Interviewten mit themenkontrollierenden Bemerkungen zu lenken" (Linke
u. a. 1994 S.291)
-
Der
Interviewte ist dagegen unter diesem Aspekt der nicht-bevorrechtigte Partner. Er sollte gewöhnlich reagieren und ist
damit zu überwiegend respondierenden Gesprächsbeiträgen verpflichtet.
Dazu gehört auch, dass er sich, wenn er bestimmten Fragen ausweicht,
Nachfragen stellen muss.
Da allerdings die Stellung der Gesprächspartner in einem Gespräch, so
auch dem Interview, nicht allein von den institutionellen bzw.
organisatorischen Rollen abhängt, die sie einnehmen, kommt es gerade beim
Interview häufig zu einer Art "gesprächsweisem Machtkampf" (Linke
u. a. 1994 S.291)
Rollenüberlagerungen und Rollenkonflikte
können nämlich die prinzipielle Regelung der Bevorrechtigungen in einem
Interview durchaus beeinträchtigen.
-
Wenn sich der Interviewte nämlich aus
irgendeinem Grund als "Experte" in einer bestimmten Angelegenheit
angesprochen fühlt, nimmt er sich - mitunter auch gegen den Widerstand des
Interviewers - das Recht heraus, länger zu sprechen und selbst neue Themen
anzusprechen (initiierend statt respondierend).
-
Und nicht selten kommt es
auch vor - hier muss man sich nur einmal Politikerinterviews vor Wahlen
ansehen - , dass der Interviewte den Interviewer unterbricht, einfach
einzelne Fragen trotz Nachfragen nicht beantwortet und die Frage als
falsch gestellt zurückweist. In einem solchen Fall führen Rollenkonflikte
also zu einer, zumindest zeitweise praktizierten Lenkung des Interviews
durch den Interviewten selbst. (vgl.
Linke u. a. 1994 S.291f.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.01.2024
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